Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.bekannt, das; der leitende Gedanke seiner Politik die französische Allianz ist. Ehe der Regent nach Warschau gegangen, hatte er noch die Königin von 57'
bekannt, das; der leitende Gedanke seiner Politik die französische Allianz ist. Ehe der Regent nach Warschau gegangen, hatte er noch die Königin von 57'
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bekannt, das; der leitende Gedanke seiner Politik die französische Allianz ist.
was auch das Schaukelspiel Napoleons zwischen Nußland und England sein
möge, schließt er. schließlich wird doch Nußland sein rechter Verbündeter sein,
wenn es zum Bruche mit England kommt; er bedarf desselben, wie wir seiner
im Orient bedürfen. Dies ist sein Gesichtspunkt, und danach wird man sehen,
daß Napoleon sich die Reise nach Warschau sparen konnte, da er dort einen
Verbündeten hatte, welcher jede» wirksamen Zug gegen ihn verhinderte und
ihn von allein in Kenntniß feste. Preußen verhielt sich ganz neutral; es
gab wieder einen Austausch von Ansichten, höfliche Erklärungen, aber von
einem gemeinsamen Plane war nicht die Rede. Nichtsdestoweniger hatte
Warschau eine Bedeutung, wenn auch eine negative; es war der Beweis ge¬
liefert, daß auch Angesichts der Ereignisse in Italien', welche Preußen und
Nußland officiell gemißbilligt hatten, eine gemeinsame Action der drei nordi-
Ichen Mächte unmöglich gewordcu war.
Ehe der Regent nach Warschau gegangen, hatte er noch die Königin von
England in Coblenz begrüßt, und so hat es in diesem vergangenen Sommer
nicht an Gelegenheit zum Austausch der Meinungen der Sonvräne und Mi¬
nister gefehlt. Aber fragen wir, was ist das Ergebniß aller diefer Reisen,
welchen Gewinn hat Preuße» daraus gezogen, so müssen wir antworten,
einen überaus geringen. Bcgegnrmgc» und Unterredungen der leitenden Per¬
sönlichkeiten haben im politischen Leben unzweifelhaft ihren großen Werth,
aber nur dann, wenn man einen festen Plan verfolgt und für dessen Aus¬
führung arbeitet, wenn man zu handeln entschlossen ist. Im vorliegenden
Falle können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, als ob alle diese Reisen
»ach Ost und West mit ihrer Vielgeschästigkeit nur den Entschluß verdecken
sollten, nichts zu thun. Die preußischen Staatsmänner scheinen der Ansicht
zu sein, daß man mit bloßem Meinungsaustausch, Versicherung von Absichten,
Parlamentarischen Reden u. s. w. eiuen Einfluß ausüben könne. Wir meinen,
die Erfahrung sollte ihnen das Gegentheil bewiesen haben. Nur dessen Wort
wiegt, von dem man entschiedenes Handeln erwartet. Wenn der Kaiser Na¬
poleon oder Victor Emanuel eine Rede halten, so horcht die Welt, weil sie
weiß, daß das Wort nur die Erklärung eines Entschlusses ist, dies oder jenes
zu thun. Als Herr von Schleinitz im Anfang des italienischen Krieges sprach,
glaubte man noch eine Action Preußens, aber seine Politik hat sich um allen
Einfluß in europäischen Angelegenheiten gebracht, weil niemand mehr an den
Entschluß der Negierung, zu handeln, glaubt. Nicht an Intelligenz fehlt es im
Ministerium des Auswärtigen; wo es mit darauf ankommt, in wohlgesetzten Wor¬
ten eine Darlegung zu geben, eine irrige Auffassung zu widerlege», da wird man
die preußischen Noten und Depeschen mit Vergnüge» lesen. Auch ist es nicht
Mangel an Ideen, der uns auffällt; die Empfehlung Schwedens zur Auf-
57'
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