Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.gewalt kann natürlich mir auf Kosten der Selbständigkeit der einzelnen Bun¬ Das preußische Votum am Bundestag war der Ausdruck eines wahrhaft gewalt kann natürlich mir auf Kosten der Selbständigkeit der einzelnen Bun¬ Das preußische Votum am Bundestag war der Ausdruck eines wahrhaft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0454" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110802"/> <p xml:id="ID_1390" prev="#ID_1389"> gewalt kann natürlich mir auf Kosten der Selbständigkeit der einzelnen Bun¬<lb/> desstaaten erreicht werden. Am meisten sah sich Oestreich bedroht und Graf<lb/> Rechberg säumte denn auch nicht, dem Herzog von Coburg, der sich anerkennend<lb/> über die Bewegung geäußert hatte, eine scharfe Borlesung über die Verletzung<lb/> seiner Bundespflichten zu halten. Es ist zuzugeben, das; es einen ungewöhn¬<lb/> lichen Grad von Kühnheit von Preußen erfordert hätte, wenn es sich auf den<lb/> Standpunkt des Herzogs von Coburg hätte stellen wollen, man hätte mehr<lb/> oder weniger die Rolle Sardiniens in Deutschland übernommen, und die<lb/> Mehrzahl der andern Bundesstaaten sich gegenüber coalirt. Auch lag in der<lb/> ganzen Bewegung zu viel Uuklares, als daß sich die Eisenacher Sätze einfach<lb/> als Negieruugsprogramm hätten annehmen lassen. Nichtsdestoweniger wollte<lb/> man doch die guten Absichten des Nationalvcreins für Preußen nicht schroff<lb/> abweisen, und so ward die bekannte Antwort des Grafen Schwerin auf die<lb/> Stettiner Adresse gegeben. Sie sollte offenbar die richtige Mitte halten, be¬<lb/> friedigte aber nach keiner Seite. Den Patrioten war sie zu lau und beruhigte<lb/> die deutschen Cabinete doch nicht, weil sie die Berechtigung der Agitation an¬<lb/> erkannte und die Verwirklichung ihres Programms nur als eine Zeitfrage hin¬<lb/> stellte. Dasselbe Schicksal hatte die Antwortsdepesche auf die östreichische Zu¬<lb/> rechtweisung des Herzogs von Coburg. Wenn die Erinnerung an Olmütz der<lb/> Feder des preußischen Ministers eine schärfere Wendung gab, so war doch der<lb/> Satz, in dem derselbe es als einen von seinem Willen unabhängigen Umstand<lb/> hervorhebt, daß der Name Preußens an die Spitze der Bewegung gestellt<lb/> werde, wenig geeignet, die Hoffnungen der liberalen Partei zu ermuthigen.<lb/> Zeigte sich nun die Regierung furchtsam bei einer Frage von solcher Trag¬<lb/> weite, so durste mau doch erwarte», daß sie in einer Angelegenheit, in wel¬<lb/> cher Preußen sich durch die Reaction vornehmlich hatte demüthigen lassen,<lb/> das Recht der nationalen Forderungen anerkennen werde. Es war die ent¬<lb/> scheidende Niederlage der Uniouspolitik gewesen, daß Herr von Manteuffel in<lb/> den Bruch des Rechtes in Kurhesse» gewilligt und denselben hatte vollziehen<lb/> helfen. Es war unstreitig die Aufgabe der Männer, welche stets gegen diese<lb/> Politik protestirt hatten, dem hessischen Volke wieder zu seinem Rechte zu ver¬<lb/> helfen und dem Zustand unerträglicher Bedrückung ein Ende zu machen. Das<lb/> Ministerium verschloß sich dieser Wahrnehmung auch nicht, es trat offen für<lb/> die Verfassung vou 1831 auf. sowol in Frankfurt wie in Cassel, und die öffent¬<lb/> liche Meinung ganz Deutschlands stellte sich auf seine Seite.</p><lb/> <p xml:id="ID_1391" next="#ID_1392"> Das preußische Votum am Bundestag war der Ausdruck eines wahrhaft<lb/> liberalen und staatsmännischen Verfahrens. Weniger glücklich scheint uns seine<lb/> Motivirung. Der Vundesbeschluh von 1852 war ein vollkommen revolutio¬<lb/> närer Act, durch deu die Frankfurter Versammlung unzweifelhaft ihre Kom¬<lb/> petenz überschritt, indem sie eine zu Recht bestehende Verfassung eigenwillig</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0454]
gewalt kann natürlich mir auf Kosten der Selbständigkeit der einzelnen Bun¬
desstaaten erreicht werden. Am meisten sah sich Oestreich bedroht und Graf
Rechberg säumte denn auch nicht, dem Herzog von Coburg, der sich anerkennend
über die Bewegung geäußert hatte, eine scharfe Borlesung über die Verletzung
seiner Bundespflichten zu halten. Es ist zuzugeben, das; es einen ungewöhn¬
lichen Grad von Kühnheit von Preußen erfordert hätte, wenn es sich auf den
Standpunkt des Herzogs von Coburg hätte stellen wollen, man hätte mehr
oder weniger die Rolle Sardiniens in Deutschland übernommen, und die
Mehrzahl der andern Bundesstaaten sich gegenüber coalirt. Auch lag in der
ganzen Bewegung zu viel Uuklares, als daß sich die Eisenacher Sätze einfach
als Negieruugsprogramm hätten annehmen lassen. Nichtsdestoweniger wollte
man doch die guten Absichten des Nationalvcreins für Preußen nicht schroff
abweisen, und so ward die bekannte Antwort des Grafen Schwerin auf die
Stettiner Adresse gegeben. Sie sollte offenbar die richtige Mitte halten, be¬
friedigte aber nach keiner Seite. Den Patrioten war sie zu lau und beruhigte
die deutschen Cabinete doch nicht, weil sie die Berechtigung der Agitation an¬
erkannte und die Verwirklichung ihres Programms nur als eine Zeitfrage hin¬
stellte. Dasselbe Schicksal hatte die Antwortsdepesche auf die östreichische Zu¬
rechtweisung des Herzogs von Coburg. Wenn die Erinnerung an Olmütz der
Feder des preußischen Ministers eine schärfere Wendung gab, so war doch der
Satz, in dem derselbe es als einen von seinem Willen unabhängigen Umstand
hervorhebt, daß der Name Preußens an die Spitze der Bewegung gestellt
werde, wenig geeignet, die Hoffnungen der liberalen Partei zu ermuthigen.
Zeigte sich nun die Regierung furchtsam bei einer Frage von solcher Trag¬
weite, so durste mau doch erwarte», daß sie in einer Angelegenheit, in wel¬
cher Preußen sich durch die Reaction vornehmlich hatte demüthigen lassen,
das Recht der nationalen Forderungen anerkennen werde. Es war die ent¬
scheidende Niederlage der Uniouspolitik gewesen, daß Herr von Manteuffel in
den Bruch des Rechtes in Kurhesse» gewilligt und denselben hatte vollziehen
helfen. Es war unstreitig die Aufgabe der Männer, welche stets gegen diese
Politik protestirt hatten, dem hessischen Volke wieder zu seinem Rechte zu ver¬
helfen und dem Zustand unerträglicher Bedrückung ein Ende zu machen. Das
Ministerium verschloß sich dieser Wahrnehmung auch nicht, es trat offen für
die Verfassung vou 1831 auf. sowol in Frankfurt wie in Cassel, und die öffent¬
liche Meinung ganz Deutschlands stellte sich auf seine Seite.
Das preußische Votum am Bundestag war der Ausdruck eines wahrhaft
liberalen und staatsmännischen Verfahrens. Weniger glücklich scheint uns seine
Motivirung. Der Vundesbeschluh von 1852 war ein vollkommen revolutio¬
närer Act, durch deu die Frankfurter Versammlung unzweifelhaft ihre Kom¬
petenz überschritt, indem sie eine zu Recht bestehende Verfassung eigenwillig
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