Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.zeitweilig mit eiserner Faust drückt, steht dieser Ansicht nicht entgegen; sein Grenzboten IV. 1S60, 5
zeitweilig mit eiserner Faust drückt, steht dieser Ansicht nicht entgegen; sein Grenzboten IV. 1S60, 5
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110393"/> <p xml:id="ID_97" prev="#ID_96" next="#ID_98"> zeitweilig mit eiserner Faust drückt, steht dieser Ansicht nicht entgegen; sein<lb/> Thron, das wissen wir z. B. bei Frankreich, stützt sich auf thönerne Füße.<lb/> Ueber kurz oder lang hätte das östreichische Volk auch ohne die Ereignisse des<lb/> Jahres 1848 seinen Antheil an der Selbstverwaltung gefordert. Damals über¬<lb/> raschten sie uns zum Theil noch unvorbereitet. Die Liberalen der Märztage<lb/> waren Neulinge und hatten goldne Träume. Sie dachten sich in schönen Reden<lb/> hören zu lassen über Recht und Freiheit, Staat und Kirche, am Ruder sitzend<lb/> die Entwicklung der neuen Regierungsform Schritt für Schritt selbst zu leiten,<lb/> und als der Sturm über ihren Häuptern wirbelte, waren sie die ersten, die<lb/> das Unheimliche der neuen Dampfkraft empfanden und nach dem alten Steuer<lb/> griffen. Meistens waren es hartgesottene Conservative des alten Regimes, nur<lb/> von etwas strebsamen Geiste. Damit wollen wir jedoch nicht geleugnet haben,<lb/> daß sich auch Staatsmänner von echter Bildung und praktischer Anschauung<lb/> darunter befanden; die Aprilverfassung war vom richtigen Standpunkte des<lb/> Volkscharakters aufgefunden, der den Deutschen vom Ungarn, Slaven und<lb/> Italiener schied, nur die Heranziehung der Polen war ein Mißgriff. Nach<lb/> Besiegung der Revolution in Italien und Wien machte sich der entgegengesetzte<lb/> Grundsatz, jener der Reichscinheit mit straffer Centralisation geltend. Ihm<lb/> gab zuerst die Märzverfassung von 1849 ihren ideellen Ausdruck. Möglich,<lb/> daß er vom Anblick der drohenden Auflösung und des gänzlichen Zerfalls<lb/> des Reiches hervorgerufen wurde, obschon diese nur in den Fehlern und dem<lb/> Fluche des alten Polizeisystems wurzelten, jedenfalls lag es im dynastischen<lb/> Interesse, sich das Nahe und Ferne, das Gleichartige und Abstoßende, den<lb/> geschmeidigen Deutschen und den halbwilden Sereschaner wie durch ein Tele-<lb/> praphennetz dienstbar zu machen. Dafür gab die Organisation aller Stellen<lb/> und Aemter nach französischem, wenn man will constitutionellen oder auch im¬<lb/> perialistischen Muster die gelungenste Handhabe. Die neue Einrichtung fand<lb/> so vielen Beifall, daß sie mit geringen Abänderungen auch nach Ablegung der<lb/> constitutionellen Formen beibehalten wurde; sie kostete dem Staat große Sum¬<lb/> men. Als man jeder Bewegung vollends Herr geworden, stand man auch<lb/> nicht an offen zu erklären, daß man hinfort die Früchte so großer Anstrengung<lb/> im Schatten der Ruhe genießen wolle. Was man hie und da noch zur<lb/> Tröstung des armen Volkes in dienstfertigen Zeitungen von Provincial-<lb/> statuten verlauten ließ, es verhallte in den dumpfen Kanzleistuben, die<lb/> auf den Vorerhebungen jahrelang den Staub wachsen ließen. Man<lb/> schien der vollen Macht und Herrschaft so gewiß, daß man der Hilfe von unten,<lb/> der Liebe und Dankbarkeit des Volkes vollends entbehren zu können glaubte;<lb/> den Ersatz dafür sollte die Armee mit unüberwindlicher Streitkraft und Stärke<lb/> und ein neuer Bundesgenosse, Rom und seine Jesuiten, geben. Die erstere<lb/> schien Hunderte von Millionen werth, den letzteren gab man die geistigen und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1S60, 5</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
zeitweilig mit eiserner Faust drückt, steht dieser Ansicht nicht entgegen; sein
Thron, das wissen wir z. B. bei Frankreich, stützt sich auf thönerne Füße.
Ueber kurz oder lang hätte das östreichische Volk auch ohne die Ereignisse des
Jahres 1848 seinen Antheil an der Selbstverwaltung gefordert. Damals über¬
raschten sie uns zum Theil noch unvorbereitet. Die Liberalen der Märztage
waren Neulinge und hatten goldne Träume. Sie dachten sich in schönen Reden
hören zu lassen über Recht und Freiheit, Staat und Kirche, am Ruder sitzend
die Entwicklung der neuen Regierungsform Schritt für Schritt selbst zu leiten,
und als der Sturm über ihren Häuptern wirbelte, waren sie die ersten, die
das Unheimliche der neuen Dampfkraft empfanden und nach dem alten Steuer
griffen. Meistens waren es hartgesottene Conservative des alten Regimes, nur
von etwas strebsamen Geiste. Damit wollen wir jedoch nicht geleugnet haben,
daß sich auch Staatsmänner von echter Bildung und praktischer Anschauung
darunter befanden; die Aprilverfassung war vom richtigen Standpunkte des
Volkscharakters aufgefunden, der den Deutschen vom Ungarn, Slaven und
Italiener schied, nur die Heranziehung der Polen war ein Mißgriff. Nach
Besiegung der Revolution in Italien und Wien machte sich der entgegengesetzte
Grundsatz, jener der Reichscinheit mit straffer Centralisation geltend. Ihm
gab zuerst die Märzverfassung von 1849 ihren ideellen Ausdruck. Möglich,
daß er vom Anblick der drohenden Auflösung und des gänzlichen Zerfalls
des Reiches hervorgerufen wurde, obschon diese nur in den Fehlern und dem
Fluche des alten Polizeisystems wurzelten, jedenfalls lag es im dynastischen
Interesse, sich das Nahe und Ferne, das Gleichartige und Abstoßende, den
geschmeidigen Deutschen und den halbwilden Sereschaner wie durch ein Tele-
praphennetz dienstbar zu machen. Dafür gab die Organisation aller Stellen
und Aemter nach französischem, wenn man will constitutionellen oder auch im¬
perialistischen Muster die gelungenste Handhabe. Die neue Einrichtung fand
so vielen Beifall, daß sie mit geringen Abänderungen auch nach Ablegung der
constitutionellen Formen beibehalten wurde; sie kostete dem Staat große Sum¬
men. Als man jeder Bewegung vollends Herr geworden, stand man auch
nicht an offen zu erklären, daß man hinfort die Früchte so großer Anstrengung
im Schatten der Ruhe genießen wolle. Was man hie und da noch zur
Tröstung des armen Volkes in dienstfertigen Zeitungen von Provincial-
statuten verlauten ließ, es verhallte in den dumpfen Kanzleistuben, die
auf den Vorerhebungen jahrelang den Staub wachsen ließen. Man
schien der vollen Macht und Herrschaft so gewiß, daß man der Hilfe von unten,
der Liebe und Dankbarkeit des Volkes vollends entbehren zu können glaubte;
den Ersatz dafür sollte die Armee mit unüberwindlicher Streitkraft und Stärke
und ein neuer Bundesgenosse, Rom und seine Jesuiten, geben. Die erstere
schien Hunderte von Millionen werth, den letzteren gab man die geistigen und
Grenzboten IV. 1S60, 5
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