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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Dies war also lediglich eine Erklärung für die Politik der freien Hand.

Inzwischen war die Mobilmachung vorgeschritten, die Marschordres waren
auf den Is. Juli festgesetzt, endlich ward am 4. Juli in Frankfurt der Antrag
auf Uebertragung der Oberleitung über die vier deutschen Bundesarmeecorps
gestellt.

In diesem Augenblick traf Fürst Windischgvätz in außerordentlicher Sen¬
dung in Berlin ein. Wenn durch dieselbe eine Verständigung mit Preußen
erzielt werden sollte, so war allerdings die Wahl dieser Persönlichkeit, die als
Hauptvertreter des militärischen Absolutismus in Oestreich galt, bei einem
Ministerium, in das soeben Graf Schwerin eingetreten war, wenig glücklich.
Noch weniger zeigten sich aber seine Forderungen als annehmbar; er verlangte
ohne irgend ein Gegenzugeständniß zu biete", daß Preußen das Vermittlungs¬
werk abbreche und die Einleitung zum Krieg am Rhein durch eine Diver¬
sion mache; als Zweck des gemeinsamen Kampfes bezeichnete der Fürst einfach
die Herstellung des Status ciuo eines nicht nur im Betreff des Territorialbe¬
standes, den Preußen förmlich garantiren sollte, sondern auch in Betreff der
Specialverträge mit den italienischen Fürsten. Gleichzeitig kreuzte Oestreich
mit seinem Antrag auf Mobilisirung der Bundesarmee und Ernennung des
Regenten zum Bundesfeldherrn den preußischen Antrag vom 4. Juli. Es lag
auf der Hand, daß unter solchen Umständen die Sendung des Fürsten zu kei¬
nem Resultat führen konnte; aber nichts desto weniger hielt er die Stimmung
in Berlin für Oestreich so günstig, daß er seinem Kaiser dringend abrieth,
Frieden zu schließen; er sah voraus, daß im Fortgange des Krieges Preußen
in denselben hineingezogen werden müsse. Aber dasselbe sah freilich auch ein
anderer Beobachter, der Kaiser Napoleon, er schloß den Frieden von Villa-
franca und wies bei seiner Vertheidigung desselben in der Rede von Se.
Eloud ausdrücklich darauf hiu, daß Preußen ihn in die Alternatme versetzt
habe, sein Ziel nur halb zu erreichen, oder den Krieg zugleich an der Etsch
und am Rhein zu führen.

Wir wollen uns nicht bei den Anklagen Oestreichs aufhalten, welches
Preußen die Schuld an diesem Frieden zuschob, sie sind schlagend durch die
Schrift "Preußen und der Friede von Villafranca" widerlegt. Das Wiener
Cabinet ist seiner alten Politik treu geblieben und hat in jedem Stadium die¬
ser Frage gegen seinen Nebenbuhler mit der hergebrachten Rücksichtslosigkeit
und Perfidie gehandelt; lieber trat es eine Provinz an Frankreich ab, als daß
es den verhaßten Bundesstaat erwachsen sah. Es ist nach Veröffentlichung der
anschlagenden Aktenstücke kein Zweifel mehr an der Ehrlichkeit der preußischen
Politik, freilich auch kein Zweifel mehr über ihre Schwäche.

Wir kommen auf unsern Ausgangspunkt zurück. Der Krieg in Italien
durfte den leitenden preußischen Staatsmännern seit Anfang 1859 nicht zwei-


Dies war also lediglich eine Erklärung für die Politik der freien Hand.

Inzwischen war die Mobilmachung vorgeschritten, die Marschordres waren
auf den Is. Juli festgesetzt, endlich ward am 4. Juli in Frankfurt der Antrag
auf Uebertragung der Oberleitung über die vier deutschen Bundesarmeecorps
gestellt.

In diesem Augenblick traf Fürst Windischgvätz in außerordentlicher Sen¬
dung in Berlin ein. Wenn durch dieselbe eine Verständigung mit Preußen
erzielt werden sollte, so war allerdings die Wahl dieser Persönlichkeit, die als
Hauptvertreter des militärischen Absolutismus in Oestreich galt, bei einem
Ministerium, in das soeben Graf Schwerin eingetreten war, wenig glücklich.
Noch weniger zeigten sich aber seine Forderungen als annehmbar; er verlangte
ohne irgend ein Gegenzugeständniß zu biete», daß Preußen das Vermittlungs¬
werk abbreche und die Einleitung zum Krieg am Rhein durch eine Diver¬
sion mache; als Zweck des gemeinsamen Kampfes bezeichnete der Fürst einfach
die Herstellung des Status ciuo eines nicht nur im Betreff des Territorialbe¬
standes, den Preußen förmlich garantiren sollte, sondern auch in Betreff der
Specialverträge mit den italienischen Fürsten. Gleichzeitig kreuzte Oestreich
mit seinem Antrag auf Mobilisirung der Bundesarmee und Ernennung des
Regenten zum Bundesfeldherrn den preußischen Antrag vom 4. Juli. Es lag
auf der Hand, daß unter solchen Umständen die Sendung des Fürsten zu kei¬
nem Resultat führen konnte; aber nichts desto weniger hielt er die Stimmung
in Berlin für Oestreich so günstig, daß er seinem Kaiser dringend abrieth,
Frieden zu schließen; er sah voraus, daß im Fortgange des Krieges Preußen
in denselben hineingezogen werden müsse. Aber dasselbe sah freilich auch ein
anderer Beobachter, der Kaiser Napoleon, er schloß den Frieden von Villa-
franca und wies bei seiner Vertheidigung desselben in der Rede von Se.
Eloud ausdrücklich darauf hiu, daß Preußen ihn in die Alternatme versetzt
habe, sein Ziel nur halb zu erreichen, oder den Krieg zugleich an der Etsch
und am Rhein zu führen.

Wir wollen uns nicht bei den Anklagen Oestreichs aufhalten, welches
Preußen die Schuld an diesem Frieden zuschob, sie sind schlagend durch die
Schrift „Preußen und der Friede von Villafranca" widerlegt. Das Wiener
Cabinet ist seiner alten Politik treu geblieben und hat in jedem Stadium die¬
ser Frage gegen seinen Nebenbuhler mit der hergebrachten Rücksichtslosigkeit
und Perfidie gehandelt; lieber trat es eine Provinz an Frankreich ab, als daß
es den verhaßten Bundesstaat erwachsen sah. Es ist nach Veröffentlichung der
anschlagenden Aktenstücke kein Zweifel mehr an der Ehrlichkeit der preußischen
Politik, freilich auch kein Zweifel mehr über ihre Schwäche.

Wir kommen auf unsern Ausgangspunkt zurück. Der Krieg in Italien
durfte den leitenden preußischen Staatsmännern seit Anfang 1859 nicht zwei-


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[0443] Dies war also lediglich eine Erklärung für die Politik der freien Hand. Inzwischen war die Mobilmachung vorgeschritten, die Marschordres waren auf den Is. Juli festgesetzt, endlich ward am 4. Juli in Frankfurt der Antrag auf Uebertragung der Oberleitung über die vier deutschen Bundesarmeecorps gestellt. In diesem Augenblick traf Fürst Windischgvätz in außerordentlicher Sen¬ dung in Berlin ein. Wenn durch dieselbe eine Verständigung mit Preußen erzielt werden sollte, so war allerdings die Wahl dieser Persönlichkeit, die als Hauptvertreter des militärischen Absolutismus in Oestreich galt, bei einem Ministerium, in das soeben Graf Schwerin eingetreten war, wenig glücklich. Noch weniger zeigten sich aber seine Forderungen als annehmbar; er verlangte ohne irgend ein Gegenzugeständniß zu biete», daß Preußen das Vermittlungs¬ werk abbreche und die Einleitung zum Krieg am Rhein durch eine Diver¬ sion mache; als Zweck des gemeinsamen Kampfes bezeichnete der Fürst einfach die Herstellung des Status ciuo eines nicht nur im Betreff des Territorialbe¬ standes, den Preußen förmlich garantiren sollte, sondern auch in Betreff der Specialverträge mit den italienischen Fürsten. Gleichzeitig kreuzte Oestreich mit seinem Antrag auf Mobilisirung der Bundesarmee und Ernennung des Regenten zum Bundesfeldherrn den preußischen Antrag vom 4. Juli. Es lag auf der Hand, daß unter solchen Umständen die Sendung des Fürsten zu kei¬ nem Resultat führen konnte; aber nichts desto weniger hielt er die Stimmung in Berlin für Oestreich so günstig, daß er seinem Kaiser dringend abrieth, Frieden zu schließen; er sah voraus, daß im Fortgange des Krieges Preußen in denselben hineingezogen werden müsse. Aber dasselbe sah freilich auch ein anderer Beobachter, der Kaiser Napoleon, er schloß den Frieden von Villa- franca und wies bei seiner Vertheidigung desselben in der Rede von Se. Eloud ausdrücklich darauf hiu, daß Preußen ihn in die Alternatme versetzt habe, sein Ziel nur halb zu erreichen, oder den Krieg zugleich an der Etsch und am Rhein zu führen. Wir wollen uns nicht bei den Anklagen Oestreichs aufhalten, welches Preußen die Schuld an diesem Frieden zuschob, sie sind schlagend durch die Schrift „Preußen und der Friede von Villafranca" widerlegt. Das Wiener Cabinet ist seiner alten Politik treu geblieben und hat in jedem Stadium die¬ ser Frage gegen seinen Nebenbuhler mit der hergebrachten Rücksichtslosigkeit und Perfidie gehandelt; lieber trat es eine Provinz an Frankreich ab, als daß es den verhaßten Bundesstaat erwachsen sah. Es ist nach Veröffentlichung der anschlagenden Aktenstücke kein Zweifel mehr an der Ehrlichkeit der preußischen Politik, freilich auch kein Zweifel mehr über ihre Schwäche. Wir kommen auf unsern Ausgangspunkt zurück. Der Krieg in Italien durfte den leitenden preußischen Staatsmännern seit Anfang 1859 nicht zwei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/443>, abgerufen am 15.01.2025.