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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Gebäude, welches den Himmel vorstellt und dessen Inneres mit 82 Säule"
geschmückt ist; Gold und Azur blenden von allen Seiten, das Dach stuft sich
in drei Stockwerken ab, von denen das oberste himmelblau, das mittlere gelb,
das unterste grün bemalt ist. Ferner ein runder Saal, in welchem die mit
dem Namen und den Lieblingssprüchen des herrschenden Kaisers beschriebenen Ta¬
feln aufbewahrt werden. Endlich der Tsckaikong, d, h. der Palast der bußfertigen
Zurückgezogenheit, wo der Kaiser sich durch dreitägiges Fasten auf das große
Opfer vorzubereiten pflegt, welches er in dem Tianthan jedes Jahr zur Zeit
der Wintersonnenwende dem Himmel darzubringen hat. Die Majestät des
Himmelssohnes zeigt sich an diesem Tage in ihrem vollsten Glanz. Die ganze
Garnison der Hauptstadt, der gesammte Hofstaat begleitet ihn dann in Gala.
Golddurchwnktc Banner flattern auf den marmornen Plattformen des Tempels,
und die kaiserliche Kapelle, hundert Musiker und tausend Sänger, stimmt eine
allheilige Hymne an, die an viertausend Jahre alt sein soll. Die Geister der
kaiserlichen Ahnen, welche auf den Altar herniedcrgestiegen sind, schweben auf dich¬
ten Weihrauchwolken zu Ende der Ceremonie wieder gen Himmel. Die Hand¬
lung macht trotz einiger Wunderlichkeiten in der That den Eindruck würdevoller
Großartigkeit. Die Musik aber ist aller chinesischen gleich, d. h. abscheulich.

Auf der Westseite der Hauptstraße steht der Sicnnvngthan, ein Tempel, der
dem Ersiiider des Ackerbaus geweiht ist, und wo der Kaiser jeden Frühling
die bekannte Ceremonie vollzieht, bei der er ein Stück Land umpflügt.

Wir erwähnen noch, daß Peking mehre wissenschaftliche Anstalten besitzt,
die Aehnlichkeit mit europäischen ihrer Art haben. Dahin gehört der Hanlin-
yuan d. i. der Wald der Pinsel, ein Ausschuß für chinesische Geschichte und
Literatur, der alle Gelehrten und Schulen des Landes beaufsichtigt, die Prü-
fungen der Staatsbeamten anordnet, die Neichschronik verfaßt und namentlich
auch die Erziehung des jeweiligen Thronfolgers zu leiten hat. Ferner die
schon erwähnte kaiserliche Hochschule, die sich vorzüglich mit chinesischer Gram¬
matik beschäftigt. Dann die Sternwarte, die von den Jesuiten und später
von den Engländern gute Instrumente erhielt, die Arzneischule, die Staats¬
druckerei, die auch eine officielle Zeitung druckt, zu welcher der jetzige Kaiser
Hienfu wiederholt durch Erlasse gegen ungetreue oder ungeschickte Generale und
Minister Beiträge lieferte, endlich die große kaiserliche Bibliothek, (Wenyuan
Ki)e, d. i. Abgrund der Literatur, genannt) die nach Abel Remusat nicht we¬
niger als 300.000 Bände besitzt. An wohlthätigen Anstalten hat Peking ein
Findelhaus (hier sehr nöthig), ein großes Spital und ein Institut zur Einim¬
pfung der Kuhpocken.

Schließlich mag noch erwähnt werden, daß die Hauptstadt Chinas auch
Glocken kennt, mit denen des Nachts die Stunden angezeigt werden. Die
sieben Hauptglvcken sind einander gleich: jede hat 12 Fuß Höhe und 40


Gebäude, welches den Himmel vorstellt und dessen Inneres mit 82 Säule»
geschmückt ist; Gold und Azur blenden von allen Seiten, das Dach stuft sich
in drei Stockwerken ab, von denen das oberste himmelblau, das mittlere gelb,
das unterste grün bemalt ist. Ferner ein runder Saal, in welchem die mit
dem Namen und den Lieblingssprüchen des herrschenden Kaisers beschriebenen Ta¬
feln aufbewahrt werden. Endlich der Tsckaikong, d, h. der Palast der bußfertigen
Zurückgezogenheit, wo der Kaiser sich durch dreitägiges Fasten auf das große
Opfer vorzubereiten pflegt, welches er in dem Tianthan jedes Jahr zur Zeit
der Wintersonnenwende dem Himmel darzubringen hat. Die Majestät des
Himmelssohnes zeigt sich an diesem Tage in ihrem vollsten Glanz. Die ganze
Garnison der Hauptstadt, der gesammte Hofstaat begleitet ihn dann in Gala.
Golddurchwnktc Banner flattern auf den marmornen Plattformen des Tempels,
und die kaiserliche Kapelle, hundert Musiker und tausend Sänger, stimmt eine
allheilige Hymne an, die an viertausend Jahre alt sein soll. Die Geister der
kaiserlichen Ahnen, welche auf den Altar herniedcrgestiegen sind, schweben auf dich¬
ten Weihrauchwolken zu Ende der Ceremonie wieder gen Himmel. Die Hand¬
lung macht trotz einiger Wunderlichkeiten in der That den Eindruck würdevoller
Großartigkeit. Die Musik aber ist aller chinesischen gleich, d. h. abscheulich.

Auf der Westseite der Hauptstraße steht der Sicnnvngthan, ein Tempel, der
dem Ersiiider des Ackerbaus geweiht ist, und wo der Kaiser jeden Frühling
die bekannte Ceremonie vollzieht, bei der er ein Stück Land umpflügt.

Wir erwähnen noch, daß Peking mehre wissenschaftliche Anstalten besitzt,
die Aehnlichkeit mit europäischen ihrer Art haben. Dahin gehört der Hanlin-
yuan d. i. der Wald der Pinsel, ein Ausschuß für chinesische Geschichte und
Literatur, der alle Gelehrten und Schulen des Landes beaufsichtigt, die Prü-
fungen der Staatsbeamten anordnet, die Neichschronik verfaßt und namentlich
auch die Erziehung des jeweiligen Thronfolgers zu leiten hat. Ferner die
schon erwähnte kaiserliche Hochschule, die sich vorzüglich mit chinesischer Gram¬
matik beschäftigt. Dann die Sternwarte, die von den Jesuiten und später
von den Engländern gute Instrumente erhielt, die Arzneischule, die Staats¬
druckerei, die auch eine officielle Zeitung druckt, zu welcher der jetzige Kaiser
Hienfu wiederholt durch Erlasse gegen ungetreue oder ungeschickte Generale und
Minister Beiträge lieferte, endlich die große kaiserliche Bibliothek, (Wenyuan
Ki)e, d. i. Abgrund der Literatur, genannt) die nach Abel Remusat nicht we¬
niger als 300.000 Bände besitzt. An wohlthätigen Anstalten hat Peking ein
Findelhaus (hier sehr nöthig), ein großes Spital und ein Institut zur Einim¬
pfung der Kuhpocken.

Schließlich mag noch erwähnt werden, daß die Hauptstadt Chinas auch
Glocken kennt, mit denen des Nachts die Stunden angezeigt werden. Die
sieben Hauptglvcken sind einander gleich: jede hat 12 Fuß Höhe und 40


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[0435] Gebäude, welches den Himmel vorstellt und dessen Inneres mit 82 Säule» geschmückt ist; Gold und Azur blenden von allen Seiten, das Dach stuft sich in drei Stockwerken ab, von denen das oberste himmelblau, das mittlere gelb, das unterste grün bemalt ist. Ferner ein runder Saal, in welchem die mit dem Namen und den Lieblingssprüchen des herrschenden Kaisers beschriebenen Ta¬ feln aufbewahrt werden. Endlich der Tsckaikong, d, h. der Palast der bußfertigen Zurückgezogenheit, wo der Kaiser sich durch dreitägiges Fasten auf das große Opfer vorzubereiten pflegt, welches er in dem Tianthan jedes Jahr zur Zeit der Wintersonnenwende dem Himmel darzubringen hat. Die Majestät des Himmelssohnes zeigt sich an diesem Tage in ihrem vollsten Glanz. Die ganze Garnison der Hauptstadt, der gesammte Hofstaat begleitet ihn dann in Gala. Golddurchwnktc Banner flattern auf den marmornen Plattformen des Tempels, und die kaiserliche Kapelle, hundert Musiker und tausend Sänger, stimmt eine allheilige Hymne an, die an viertausend Jahre alt sein soll. Die Geister der kaiserlichen Ahnen, welche auf den Altar herniedcrgestiegen sind, schweben auf dich¬ ten Weihrauchwolken zu Ende der Ceremonie wieder gen Himmel. Die Hand¬ lung macht trotz einiger Wunderlichkeiten in der That den Eindruck würdevoller Großartigkeit. Die Musik aber ist aller chinesischen gleich, d. h. abscheulich. Auf der Westseite der Hauptstraße steht der Sicnnvngthan, ein Tempel, der dem Ersiiider des Ackerbaus geweiht ist, und wo der Kaiser jeden Frühling die bekannte Ceremonie vollzieht, bei der er ein Stück Land umpflügt. Wir erwähnen noch, daß Peking mehre wissenschaftliche Anstalten besitzt, die Aehnlichkeit mit europäischen ihrer Art haben. Dahin gehört der Hanlin- yuan d. i. der Wald der Pinsel, ein Ausschuß für chinesische Geschichte und Literatur, der alle Gelehrten und Schulen des Landes beaufsichtigt, die Prü- fungen der Staatsbeamten anordnet, die Neichschronik verfaßt und namentlich auch die Erziehung des jeweiligen Thronfolgers zu leiten hat. Ferner die schon erwähnte kaiserliche Hochschule, die sich vorzüglich mit chinesischer Gram¬ matik beschäftigt. Dann die Sternwarte, die von den Jesuiten und später von den Engländern gute Instrumente erhielt, die Arzneischule, die Staats¬ druckerei, die auch eine officielle Zeitung druckt, zu welcher der jetzige Kaiser Hienfu wiederholt durch Erlasse gegen ungetreue oder ungeschickte Generale und Minister Beiträge lieferte, endlich die große kaiserliche Bibliothek, (Wenyuan Ki)e, d. i. Abgrund der Literatur, genannt) die nach Abel Remusat nicht we¬ niger als 300.000 Bände besitzt. An wohlthätigen Anstalten hat Peking ein Findelhaus (hier sehr nöthig), ein großes Spital und ein Institut zur Einim¬ pfung der Kuhpocken. Schließlich mag noch erwähnt werden, daß die Hauptstadt Chinas auch Glocken kennt, mit denen des Nachts die Stunden angezeigt werden. Die sieben Hauptglvcken sind einander gleich: jede hat 12 Fuß Höhe und 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/435>, abgerufen am 15.01.2025.