Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.hin Nachmittage hatte man wieder eine Vordeutung, die seinen Zweifel mehr Nun aber trat ein andrer, unvvrhergesehner Fall ein. Aufgefordert sich Auch ich schlenderte an jenem Abend mit einem Bekannten auf dem To¬ hin Nachmittage hatte man wieder eine Vordeutung, die seinen Zweifel mehr Nun aber trat ein andrer, unvvrhergesehner Fall ein. Aufgefordert sich Auch ich schlenderte an jenem Abend mit einem Bekannten auf dem To¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110388"/> <p xml:id="ID_84" prev="#ID_83"> hin Nachmittage hatte man wieder eine Vordeutung, die seinen Zweifel mehr<lb/> aufkommen ließ. Die Königin Mutter mit dem Grafen und der Gräfin Tra-<lb/> pani, die einzigen dem königlichen Paare treu gebliebenen Mitglieder des<lb/> Hauses Bourbon, fuhren auf einem östreichischen Schiffe nach Gaöta ab. Der<lb/> König selbst hatte die Absicht, am Abend auf seinen beiden Dampfkriegsschiffcn<lb/> Mvnarca und Bordone nachzufolgen, da ihn noch verschiedene Geschäfte an<lb/> seine Residenz fesselten. Er lieh die Häupter der Nationalgarde vor sich er¬<lb/> scheinen, dankte ihnen für die der Sache der Ordnung bewiesene Hingebung<lb/> und empfahl ihnen, ferner für die Ruhe der Hauptstadt zu sorgen. Dann<lb/> stellte er den noch in Neapel befindlichen Truppen die Wahl, ob sie von ihm<lb/> ihres Eides entbunden zu werden, oder ihm nach Gaöta zu folgen vorzögen.<lb/> Sie entschieden sich fast einstimmig für letzteres; dagegen zeigte von den in<lb/> seines Vaters und seinem Dienst ergrauten Generälen nur ein einziger sich<lb/> bereit, dieses treue Corps anzuführen. Er erließ auch zwei Manifeste, das<lb/> eine als Protest für die Rechte seiner Familie gegen die Usurpation, und das<lb/> andre zur Erklärung seiner Abreise, welche er durch den Wunsch motivirte,<lb/> seiner Hauptstadt die Schrecken des Kriegs zu ersparen. Wie er darin dem<lb/> Beispiel andrer Fürsten in gleicher Lage folgte, so werden auch die beiden<lb/> Actenstücke kein von andern ähnlichen verschiedenes Schicksal haben, d. h. das<lb/> erstere wird nichts helfen, das letztere keinen Glauben finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_85"> Nun aber trat ein andrer, unvvrhergesehner Fall ein. Aufgefordert sich<lb/> in Bereitschaft zu setzen, verweigerten die Capitäne des Monarca und Bor-<lb/> done, ihren König aufzunehmen! Man sagt, das Comite habe sie für den<lb/> Fall, daß sie nach Gaöta gingen, mit dem Stilett bedroht. Ich glaube, daß<lb/> dies nicht nöthig gewesen; denn das eigne Interesse der beiden Officiere genügt,<lb/> diese Weigerung zu erklären. Der König wandte sich nun an den spanischen<lb/> Gesandten, welcher ihm bereitwilligst eine im Hafen von Neapel stationirte<lb/> Dampfcorvette zur Verfügung stellte. Während die obern Schichten der Ge¬<lb/> sellschaft wieder auf dem Toledo hin und her wogten, verließ, gedeckt von der<lb/> Dunkelheit, um acht Uhr Abends, unbemerkt und von Niemandem beachtet, der<lb/> unglückliche Sproß des unglücklichsten Fürstcngeschlcchts unsrer Tage das Schloß<lb/> seiner Väter und seine Residenz, die schönste Stadt auf dem Erdboden.</p><lb/> <p xml:id="ID_86" next="#ID_87"> Auch ich schlenderte an jenem Abend mit einem Bekannten auf dem To¬<lb/> ledo umher, wo die Ereignisse des Tags, wie für alle Welt so auch für uns,<lb/> den einzigen Gegenstand der Unterhaltung bildeten. Die königlichen Manifeste<lb/> waren angeschlagen, Alles drängte sich sie zu lesen, aber kein Urtheil war zu<lb/> hören. Es schien, als ob Niemand fühle, daß für ihn die Sache ein andres<lb/> Interesse als das der Neugierde habe. Ich bemerkte nur einen ältern Herrn<lb/> der sich mit einer gewissen Gutmüthigkeit zu den Worten hinreißen ließ: ?o-<lb/> vsi-0 xieeolo, alte ooso. Ira, kirtto! „der arme Junge, was hat er denn gethan?"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
hin Nachmittage hatte man wieder eine Vordeutung, die seinen Zweifel mehr
aufkommen ließ. Die Königin Mutter mit dem Grafen und der Gräfin Tra-
pani, die einzigen dem königlichen Paare treu gebliebenen Mitglieder des
Hauses Bourbon, fuhren auf einem östreichischen Schiffe nach Gaöta ab. Der
König selbst hatte die Absicht, am Abend auf seinen beiden Dampfkriegsschiffcn
Mvnarca und Bordone nachzufolgen, da ihn noch verschiedene Geschäfte an
seine Residenz fesselten. Er lieh die Häupter der Nationalgarde vor sich er¬
scheinen, dankte ihnen für die der Sache der Ordnung bewiesene Hingebung
und empfahl ihnen, ferner für die Ruhe der Hauptstadt zu sorgen. Dann
stellte er den noch in Neapel befindlichen Truppen die Wahl, ob sie von ihm
ihres Eides entbunden zu werden, oder ihm nach Gaöta zu folgen vorzögen.
Sie entschieden sich fast einstimmig für letzteres; dagegen zeigte von den in
seines Vaters und seinem Dienst ergrauten Generälen nur ein einziger sich
bereit, dieses treue Corps anzuführen. Er erließ auch zwei Manifeste, das
eine als Protest für die Rechte seiner Familie gegen die Usurpation, und das
andre zur Erklärung seiner Abreise, welche er durch den Wunsch motivirte,
seiner Hauptstadt die Schrecken des Kriegs zu ersparen. Wie er darin dem
Beispiel andrer Fürsten in gleicher Lage folgte, so werden auch die beiden
Actenstücke kein von andern ähnlichen verschiedenes Schicksal haben, d. h. das
erstere wird nichts helfen, das letztere keinen Glauben finden.
Nun aber trat ein andrer, unvvrhergesehner Fall ein. Aufgefordert sich
in Bereitschaft zu setzen, verweigerten die Capitäne des Monarca und Bor-
done, ihren König aufzunehmen! Man sagt, das Comite habe sie für den
Fall, daß sie nach Gaöta gingen, mit dem Stilett bedroht. Ich glaube, daß
dies nicht nöthig gewesen; denn das eigne Interesse der beiden Officiere genügt,
diese Weigerung zu erklären. Der König wandte sich nun an den spanischen
Gesandten, welcher ihm bereitwilligst eine im Hafen von Neapel stationirte
Dampfcorvette zur Verfügung stellte. Während die obern Schichten der Ge¬
sellschaft wieder auf dem Toledo hin und her wogten, verließ, gedeckt von der
Dunkelheit, um acht Uhr Abends, unbemerkt und von Niemandem beachtet, der
unglückliche Sproß des unglücklichsten Fürstcngeschlcchts unsrer Tage das Schloß
seiner Väter und seine Residenz, die schönste Stadt auf dem Erdboden.
Auch ich schlenderte an jenem Abend mit einem Bekannten auf dem To¬
ledo umher, wo die Ereignisse des Tags, wie für alle Welt so auch für uns,
den einzigen Gegenstand der Unterhaltung bildeten. Die königlichen Manifeste
waren angeschlagen, Alles drängte sich sie zu lesen, aber kein Urtheil war zu
hören. Es schien, als ob Niemand fühle, daß für ihn die Sache ein andres
Interesse als das der Neugierde habe. Ich bemerkte nur einen ältern Herrn
der sich mit einer gewissen Gutmüthigkeit zu den Worten hinreißen ließ: ?o-
vsi-0 xieeolo, alte ooso. Ira, kirtto! „der arme Junge, was hat er denn gethan?"
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