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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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aber hier habe das Feuer doch zu lange gedauert, als das; ein Versehen an¬
genommen werden könnte. Die Fremden waren im Allgemeinen wenig besser.
Zum guten Theil in Uniform gesteckte Bummler, hielten sie sich der Mehr¬
zahl nach schlecht im Feuer.

Alles das konnte der französische General wo nicht vor seiner Abreise
von Belgien nach dem Kirchenstaat, doch bald nach seiner ersten Inspections-
reise im Römischen selbst ahnen. Wenn er blieb, so mögen ihn irgendwelche
andere Gründe zurückgehalten haben. Gründe aus dem Vertrauen auf die
eigne Kraft des Papstes waren es gewiß nicht. Daß er einen in frühern
Feldzügen wohlerworbenen Ruf verloren hat, mag ihm und seinen Landsleuten
schmerzlich sein. Wir haben keinerlei Ursache, ihn dafürl zu bemitleiden.
Wer einen guten Namen an eine schlechte Sache wagt, dem geschieht nur sein
Recht, wenn er ihn darüber einbüßt. Von den Dornen liest man keine Fei¬
gen, aus Schlamm macht man keine Schwerter, aus faulen Bäumen zimmert
man keine Schiffe. Lamoricivre hat es versucht, und ist darüber zum Don
Quixote geworden. Der Dornbusch gab ihm eine blutige Ohrfeige, der
Schlamm eine Waffe, die schon beim Ausholen zerbrach, der faule Baum ein
Fahrzeug, das beim ersten Sturm sammt dem Ruf seines Führers zu Grunde
ging. Kg.dea.t sibi, und möge es Seinesgleichen allenthalben ebenso ergehen!

Wir geben nun den Bericht unsres Offiziers über den Versuch Lamori-
cisres mit der Reform des päpstlichen Heeres, dem später Notizen über die
Belagerung Anconas folgen sollen:

Bis gegen Ende 1S59 bestand die päpstliche Armee nur aus zwei Regi¬
mentern italienischer Linien-Infanterie mit einem dazu gehörigen Bataillon
Jäger, zwei sechspfündigen Fußbatterien, jede zu sechs Geschützen, einem Re¬
giment Dragoner zu vier Schwadronen, zusammen 000 Pferde, ferner aus
der 4000 Mann starken Gendarmerie, endlich aus den zwei Fremden-Regi¬
mentern, in welche letzteren die Negierung das meiste Vertrauen setzte. Außer¬
dem existirten noch zwei Bataillone Halb-Invaliden und eine Compagnie In¬
validen. ,

Trotzdem diese Armee höchstens 12,000 Mann sol war. kostete sie doch
dem kleinen Staate verhältnismäßig ein ungeheures Geld, einmal, weil sie
angeworben war, dann weil die Besoldung gegenüber den andern Armeen
ziemlich' hoch stand, endlich aber, weil die ganze Heercsadminisiration. als
höchst verwickelt.und unpractisch, eine sehr bedeutende Anzahl höherer und
niederer Beamten nothwendig machte, welche zum großen Theil besser für
ihren eignen Vortheil als zum Wohle der Armee und des Staates zu mcmi-
Puliren wußten.

In Bezug auf ihre Treue entsprachen diese Truppen ebenfalls nicht den
Anforderungen, welche man mit Recht an Soldaten stellen kann. Sieht man


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aber hier habe das Feuer doch zu lange gedauert, als das; ein Versehen an¬
genommen werden könnte. Die Fremden waren im Allgemeinen wenig besser.
Zum guten Theil in Uniform gesteckte Bummler, hielten sie sich der Mehr¬
zahl nach schlecht im Feuer.

Alles das konnte der französische General wo nicht vor seiner Abreise
von Belgien nach dem Kirchenstaat, doch bald nach seiner ersten Inspections-
reise im Römischen selbst ahnen. Wenn er blieb, so mögen ihn irgendwelche
andere Gründe zurückgehalten haben. Gründe aus dem Vertrauen auf die
eigne Kraft des Papstes waren es gewiß nicht. Daß er einen in frühern
Feldzügen wohlerworbenen Ruf verloren hat, mag ihm und seinen Landsleuten
schmerzlich sein. Wir haben keinerlei Ursache, ihn dafürl zu bemitleiden.
Wer einen guten Namen an eine schlechte Sache wagt, dem geschieht nur sein
Recht, wenn er ihn darüber einbüßt. Von den Dornen liest man keine Fei¬
gen, aus Schlamm macht man keine Schwerter, aus faulen Bäumen zimmert
man keine Schiffe. Lamoricivre hat es versucht, und ist darüber zum Don
Quixote geworden. Der Dornbusch gab ihm eine blutige Ohrfeige, der
Schlamm eine Waffe, die schon beim Ausholen zerbrach, der faule Baum ein
Fahrzeug, das beim ersten Sturm sammt dem Ruf seines Führers zu Grunde
ging. Kg.dea.t sibi, und möge es Seinesgleichen allenthalben ebenso ergehen!

Wir geben nun den Bericht unsres Offiziers über den Versuch Lamori-
cisres mit der Reform des päpstlichen Heeres, dem später Notizen über die
Belagerung Anconas folgen sollen:

Bis gegen Ende 1S59 bestand die päpstliche Armee nur aus zwei Regi¬
mentern italienischer Linien-Infanterie mit einem dazu gehörigen Bataillon
Jäger, zwei sechspfündigen Fußbatterien, jede zu sechs Geschützen, einem Re¬
giment Dragoner zu vier Schwadronen, zusammen 000 Pferde, ferner aus
der 4000 Mann starken Gendarmerie, endlich aus den zwei Fremden-Regi¬
mentern, in welche letzteren die Negierung das meiste Vertrauen setzte. Außer¬
dem existirten noch zwei Bataillone Halb-Invaliden und eine Compagnie In¬
validen. ,

Trotzdem diese Armee höchstens 12,000 Mann sol war. kostete sie doch
dem kleinen Staate verhältnismäßig ein ungeheures Geld, einmal, weil sie
angeworben war, dann weil die Besoldung gegenüber den andern Armeen
ziemlich' hoch stand, endlich aber, weil die ganze Heercsadminisiration. als
höchst verwickelt.und unpractisch, eine sehr bedeutende Anzahl höherer und
niederer Beamten nothwendig machte, welche zum großen Theil besser für
ihren eignen Vortheil als zum Wohle der Armee und des Staates zu mcmi-
Puliren wußten.

In Bezug auf ihre Treue entsprachen diese Truppen ebenfalls nicht den
Anforderungen, welche man mit Recht an Soldaten stellen kann. Sieht man


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[0383] aber hier habe das Feuer doch zu lange gedauert, als das; ein Versehen an¬ genommen werden könnte. Die Fremden waren im Allgemeinen wenig besser. Zum guten Theil in Uniform gesteckte Bummler, hielten sie sich der Mehr¬ zahl nach schlecht im Feuer. Alles das konnte der französische General wo nicht vor seiner Abreise von Belgien nach dem Kirchenstaat, doch bald nach seiner ersten Inspections- reise im Römischen selbst ahnen. Wenn er blieb, so mögen ihn irgendwelche andere Gründe zurückgehalten haben. Gründe aus dem Vertrauen auf die eigne Kraft des Papstes waren es gewiß nicht. Daß er einen in frühern Feldzügen wohlerworbenen Ruf verloren hat, mag ihm und seinen Landsleuten schmerzlich sein. Wir haben keinerlei Ursache, ihn dafürl zu bemitleiden. Wer einen guten Namen an eine schlechte Sache wagt, dem geschieht nur sein Recht, wenn er ihn darüber einbüßt. Von den Dornen liest man keine Fei¬ gen, aus Schlamm macht man keine Schwerter, aus faulen Bäumen zimmert man keine Schiffe. Lamoricivre hat es versucht, und ist darüber zum Don Quixote geworden. Der Dornbusch gab ihm eine blutige Ohrfeige, der Schlamm eine Waffe, die schon beim Ausholen zerbrach, der faule Baum ein Fahrzeug, das beim ersten Sturm sammt dem Ruf seines Führers zu Grunde ging. Kg.dea.t sibi, und möge es Seinesgleichen allenthalben ebenso ergehen! Wir geben nun den Bericht unsres Offiziers über den Versuch Lamori- cisres mit der Reform des päpstlichen Heeres, dem später Notizen über die Belagerung Anconas folgen sollen: Bis gegen Ende 1S59 bestand die päpstliche Armee nur aus zwei Regi¬ mentern italienischer Linien-Infanterie mit einem dazu gehörigen Bataillon Jäger, zwei sechspfündigen Fußbatterien, jede zu sechs Geschützen, einem Re¬ giment Dragoner zu vier Schwadronen, zusammen 000 Pferde, ferner aus der 4000 Mann starken Gendarmerie, endlich aus den zwei Fremden-Regi¬ mentern, in welche letzteren die Negierung das meiste Vertrauen setzte. Außer¬ dem existirten noch zwei Bataillone Halb-Invaliden und eine Compagnie In¬ validen. , Trotzdem diese Armee höchstens 12,000 Mann sol war. kostete sie doch dem kleinen Staate verhältnismäßig ein ungeheures Geld, einmal, weil sie angeworben war, dann weil die Besoldung gegenüber den andern Armeen ziemlich' hoch stand, endlich aber, weil die ganze Heercsadminisiration. als höchst verwickelt.und unpractisch, eine sehr bedeutende Anzahl höherer und niederer Beamten nothwendig machte, welche zum großen Theil besser für ihren eignen Vortheil als zum Wohle der Armee und des Staates zu mcmi- Puliren wußten. In Bezug auf ihre Treue entsprachen diese Truppen ebenfalls nicht den Anforderungen, welche man mit Recht an Soldaten stellen kann. Sieht man 47 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/383>, abgerufen am 15.01.2025.