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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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der letztere souverän sein? Der Souverän seines Souveräns? Wie weiland
der Reichsverweser? -- Endlich, was ist durch die ganze Einrichtung gewon¬
nen? Wenn die drei "Bundesherrn" einig sind, so ist es gut, so war es aber
auch schon bisher gut; wenn sie aber nicht einig sind, inwiefern haben zwei
von ihnen mehr Zwangsmittel gegen den dritten als früher? Abgestimmt
konnte auch am alten Bundestage werden, so gut wie unter den neuen
"Bundesherrn". Die Frage ist aber, wie man die Abstimmung zur Geltung
bringt? Preußen hat im vorigen Jahre erklärt, es lasse sich in dieser Weise
nicht majorisiren; in dieser Beziehung sind mit Ausnahme des Herrn.Franz
wol auch sämmtliche Preußen einig; was besitzt also die neue Centralgewalt
gegen sie für neue Zwangsmittel?

Das Hauptgewicht der ganzen Anordnung liegt in der Bestimmung des
dritten Kundesherrn-, "einer von den Regenten der sieben Mittelstaaten, von
seinen College" als ihr Repräsentant erwählt (College" -- caelo norreur!)
dergestalt daß die übrigen Mittelfürstew sich zwar das Recht vorbehalten mögen,
mit diesem ihrem Repräsentanten in ununterbrochener Verbindung zu bleiben
und ihm ihren Rath zu geben, er allein aber an der Dreiherrschaft Theil
nimmt und in derselben votirt." -- Eine neue Schwierigkeit! Wie soll der
dritte Bundesherr seine Vollmachtgeber, die Mittelfürsten, veranlassen mit ihm
immer einer Meinung zu sein? Und wenn sie das nicht sind, soll dann ihre
Meinung gar nichts gelten? Da würde ja noch toller mediatisirt als nach
den Entwürfen der äußersten Linken! Für denjenigen Theil der Democratie,
der an ähnlichen Visionen leidet, sei hier bemerkt, daß nach dem neuen Ent¬
wurf ein deutsches Parlament nicht stattfinden soll.

Alle die deutschen Pläne des Verfassers haben eine tiefere, europäische,
Philosophische Bedeutung. Es gilt einen Kampf gegen den Napoleonismus. "Der
Napoleonismus besitzt drei Dinge: einen souveränen Willen, ein Princip, wo¬
nach dieser Wille handelt und endlich den Gedanken an dieses Princip. Dar¬
auf beruhen seine Erfolge, und sie werden wachsen solange bis wir ihm in
gleicher Rüstung entgegen treten. . . . Wie Frankreich strebt, die ganze abend¬
ländische Völkcrmasse um Paris herum zu concentriren, so muß Deutsch¬
land danach streben sie mit dem deutschen Bunde zu conföderiren" d. h.
Bund der Fürsten gegen den Bund der Völker!

Das ist der Punkt, und jetzt sehn wir endlich, daß wir den Verfasser bis¬
her nur schwach verstanden haben. Die drei neuen Mittelstaaten sind nicht
erst zu schaffen, sie sind schon da: Dänemark. Niederlande. Belgien. Der
König von Dänemark als dritter Bundcsherr in der Eschenheimer Gasse und
Deutschland ist gerettet. Dann sind wir die Herren! Wenn die Schleswig-
Holsteiner sich diesem großartigen europäischen Entwurf nicht fügen, so helfen
Wir unserm Bundesherrn ihnen Raison beizubringen, wie wir unserm andern


der letztere souverän sein? Der Souverän seines Souveräns? Wie weiland
der Reichsverweser? — Endlich, was ist durch die ganze Einrichtung gewon¬
nen? Wenn die drei „Bundesherrn" einig sind, so ist es gut, so war es aber
auch schon bisher gut; wenn sie aber nicht einig sind, inwiefern haben zwei
von ihnen mehr Zwangsmittel gegen den dritten als früher? Abgestimmt
konnte auch am alten Bundestage werden, so gut wie unter den neuen
„Bundesherrn". Die Frage ist aber, wie man die Abstimmung zur Geltung
bringt? Preußen hat im vorigen Jahre erklärt, es lasse sich in dieser Weise
nicht majorisiren; in dieser Beziehung sind mit Ausnahme des Herrn.Franz
wol auch sämmtliche Preußen einig; was besitzt also die neue Centralgewalt
gegen sie für neue Zwangsmittel?

Das Hauptgewicht der ganzen Anordnung liegt in der Bestimmung des
dritten Kundesherrn-, „einer von den Regenten der sieben Mittelstaaten, von
seinen College« als ihr Repräsentant erwählt (College» — caelo norreur!)
dergestalt daß die übrigen Mittelfürstew sich zwar das Recht vorbehalten mögen,
mit diesem ihrem Repräsentanten in ununterbrochener Verbindung zu bleiben
und ihm ihren Rath zu geben, er allein aber an der Dreiherrschaft Theil
nimmt und in derselben votirt." — Eine neue Schwierigkeit! Wie soll der
dritte Bundesherr seine Vollmachtgeber, die Mittelfürsten, veranlassen mit ihm
immer einer Meinung zu sein? Und wenn sie das nicht sind, soll dann ihre
Meinung gar nichts gelten? Da würde ja noch toller mediatisirt als nach
den Entwürfen der äußersten Linken! Für denjenigen Theil der Democratie,
der an ähnlichen Visionen leidet, sei hier bemerkt, daß nach dem neuen Ent¬
wurf ein deutsches Parlament nicht stattfinden soll.

Alle die deutschen Pläne des Verfassers haben eine tiefere, europäische,
Philosophische Bedeutung. Es gilt einen Kampf gegen den Napoleonismus. „Der
Napoleonismus besitzt drei Dinge: einen souveränen Willen, ein Princip, wo¬
nach dieser Wille handelt und endlich den Gedanken an dieses Princip. Dar¬
auf beruhen seine Erfolge, und sie werden wachsen solange bis wir ihm in
gleicher Rüstung entgegen treten. . . . Wie Frankreich strebt, die ganze abend¬
ländische Völkcrmasse um Paris herum zu concentriren, so muß Deutsch¬
land danach streben sie mit dem deutschen Bunde zu conföderiren" d. h.
Bund der Fürsten gegen den Bund der Völker!

Das ist der Punkt, und jetzt sehn wir endlich, daß wir den Verfasser bis¬
her nur schwach verstanden haben. Die drei neuen Mittelstaaten sind nicht
erst zu schaffen, sie sind schon da: Dänemark. Niederlande. Belgien. Der
König von Dänemark als dritter Bundcsherr in der Eschenheimer Gasse und
Deutschland ist gerettet. Dann sind wir die Herren! Wenn die Schleswig-
Holsteiner sich diesem großartigen europäischen Entwurf nicht fügen, so helfen
Wir unserm Bundesherrn ihnen Raison beizubringen, wie wir unserm andern


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[0369] der letztere souverän sein? Der Souverän seines Souveräns? Wie weiland der Reichsverweser? — Endlich, was ist durch die ganze Einrichtung gewon¬ nen? Wenn die drei „Bundesherrn" einig sind, so ist es gut, so war es aber auch schon bisher gut; wenn sie aber nicht einig sind, inwiefern haben zwei von ihnen mehr Zwangsmittel gegen den dritten als früher? Abgestimmt konnte auch am alten Bundestage werden, so gut wie unter den neuen „Bundesherrn". Die Frage ist aber, wie man die Abstimmung zur Geltung bringt? Preußen hat im vorigen Jahre erklärt, es lasse sich in dieser Weise nicht majorisiren; in dieser Beziehung sind mit Ausnahme des Herrn.Franz wol auch sämmtliche Preußen einig; was besitzt also die neue Centralgewalt gegen sie für neue Zwangsmittel? Das Hauptgewicht der ganzen Anordnung liegt in der Bestimmung des dritten Kundesherrn-, „einer von den Regenten der sieben Mittelstaaten, von seinen College« als ihr Repräsentant erwählt (College» — caelo norreur!) dergestalt daß die übrigen Mittelfürstew sich zwar das Recht vorbehalten mögen, mit diesem ihrem Repräsentanten in ununterbrochener Verbindung zu bleiben und ihm ihren Rath zu geben, er allein aber an der Dreiherrschaft Theil nimmt und in derselben votirt." — Eine neue Schwierigkeit! Wie soll der dritte Bundesherr seine Vollmachtgeber, die Mittelfürsten, veranlassen mit ihm immer einer Meinung zu sein? Und wenn sie das nicht sind, soll dann ihre Meinung gar nichts gelten? Da würde ja noch toller mediatisirt als nach den Entwürfen der äußersten Linken! Für denjenigen Theil der Democratie, der an ähnlichen Visionen leidet, sei hier bemerkt, daß nach dem neuen Ent¬ wurf ein deutsches Parlament nicht stattfinden soll. Alle die deutschen Pläne des Verfassers haben eine tiefere, europäische, Philosophische Bedeutung. Es gilt einen Kampf gegen den Napoleonismus. „Der Napoleonismus besitzt drei Dinge: einen souveränen Willen, ein Princip, wo¬ nach dieser Wille handelt und endlich den Gedanken an dieses Princip. Dar¬ auf beruhen seine Erfolge, und sie werden wachsen solange bis wir ihm in gleicher Rüstung entgegen treten. . . . Wie Frankreich strebt, die ganze abend¬ ländische Völkcrmasse um Paris herum zu concentriren, so muß Deutsch¬ land danach streben sie mit dem deutschen Bunde zu conföderiren" d. h. Bund der Fürsten gegen den Bund der Völker! Das ist der Punkt, und jetzt sehn wir endlich, daß wir den Verfasser bis¬ her nur schwach verstanden haben. Die drei neuen Mittelstaaten sind nicht erst zu schaffen, sie sind schon da: Dänemark. Niederlande. Belgien. Der König von Dänemark als dritter Bundcsherr in der Eschenheimer Gasse und Deutschland ist gerettet. Dann sind wir die Herren! Wenn die Schleswig- Holsteiner sich diesem großartigen europäischen Entwurf nicht fügen, so helfen Wir unserm Bundesherrn ihnen Raison beizubringen, wie wir unserm andern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/369>, abgerufen am 15.01.2025.