Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.erste und dritte Frage und sagte, daß noch kein Anlaß vorliege, die Frage Diese Erklärung, in welcher die Rechtsfragen völlig als Gegenstand politi¬ 42*
erste und dritte Frage und sagte, daß noch kein Anlaß vorliege, die Frage Diese Erklärung, in welcher die Rechtsfragen völlig als Gegenstand politi¬ 42*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0343" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110691"/> <p xml:id="ID_1013" prev="#ID_1012"> erste und dritte Frage und sagte, daß noch kein Anlaß vorliege, die Frage<lb/> wegen Einholung der Zustimmung der Kammern in Erwägung zu ziehen. —<lb/> Zu derselben Zeit verlangte die Regierung die Bewilligung einer Anleihe von<lb/> der für ein Land wie Sachsen sehr beträchtlichen Summe von 16 Mill. Tha¬<lb/> ler. Die Votirung eines solchen außerordentlichen Credits setzte und setzt in<lb/> allen konstitutionellen Staaten ein Vertrauen zu dem Ministerium voraus,<lb/> aber dieses that nichts, um sich dasselbe zu gewinnen. Jener Ausschuß ver¬<lb/> anstaltete am 28 Mai eine mündliche Besprechung mit dem Minister von<lb/> Beust, in welcher dieser letztere protocollarisch erklärte: „die Plenarversamm-<lb/> lung ist berufen und berechtigt, ein neues Organ einzusetzen und eine Re¬<lb/> vision der Bundesverfassung vorzunehmen; falls diese Berathung aber resul¬<lb/> tatlos bleiben sollte, kann allerdings der Bundesvertrag unter Umständen<lb/> seiner ganzen Ausdehnung nach wieder ins Leben treten. Ich halte es aus<lb/> Politischen (!) Gründen für bedenklich, diese Eventualität aufzugeben und es<lb/> auszusprechen, daß sie staatsrechtlich unzulässig sei. Ob zu den' Beschlüssen<lb/> dieses dann wieder erstehenden Bundestags die Zustimmung der Stände noth¬<lb/> wendig sei, darüber eine bestimmte Erklärung abzugeben fällt bedenklich."</p><lb/> <p xml:id="ID_1014" next="#ID_1015"> Diese Erklärung, in welcher die Rechtsfragen völlig als Gegenstand politi¬<lb/> scher Bedenken aufgefaßt wurden, und welche noch dazu politisch so bedeutend<lb/> von den Wünschen und Hoffnungen der Kammer und von den früheren feier¬<lb/> lichen Verheißungen der Regierung selbst abwich, mußte in der Kammer natürlich<lb/> einen großen Sturm erregen, und als eine geheime Sitzung der Kammer vom<lb/> 29. Mai, in welcher die gedachte Finanzfrage behandelt und die vor¬<lb/> erwähnte Aeußerung des Ministers von Beust mitgetheilt wurde, in höchster<lb/> Aufregung sistirt worden war, als ferner in einer Sitzung vom 30. Mai der<lb/> Minister von Beust ungeachtet ertheilter Zusage eine beruhigende Erklärung<lb/> in der deutschen Frage nicht gegeben, wu/de die Finanzfrage an den Ausschuß<lb/> zurückgewiesen, der indessen schon binnen drei Tagen Bericht zu erstatten ver¬<lb/> sprach, und am 31. Mai befand sich der Bericht des deutschen Verfassungs¬<lb/> ausschusses aus der Registrande, welcher auf Grund des § 109 der Verfas-<lb/> sungs-Urkunde eine Eingabe an den König beantragte, wozu ein Entwurf so¬<lb/> fort beigegeben wurde. Hieraus wurden die Kammern am 1. Juni aufgelöst.<lb/> Bereits am 3. Juni erschien eine Ansprache des Gesammtministeriums, wonach<lb/> man den mit den „eigentlich nur für einen Fall berechneten provisorischen Ge¬<lb/> setzen" gemachten Versuch als gescheitert bezeichnete, und deshalb zu den früheren<lb/> Verfassungsbestimmungen und Wahlgesetzen zurückkehren zu müssen erklärte,<lb/> jedoch auch dies nicht so. daß man nach diesen Gesetzen einen neuen Landtag<lb/> wählen ließ, sondern daß man dieselben Personen, die zuletzt zum außerordent¬<lb/> lichen Landtage des Jahres 1848 versammelt gewesen waren, zusammenberies,<lb/> mit der ausdrücklichen Erklärung jedoch, daß diesem Landtage nur der Ent-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 42*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0343]
erste und dritte Frage und sagte, daß noch kein Anlaß vorliege, die Frage
wegen Einholung der Zustimmung der Kammern in Erwägung zu ziehen. —
Zu derselben Zeit verlangte die Regierung die Bewilligung einer Anleihe von
der für ein Land wie Sachsen sehr beträchtlichen Summe von 16 Mill. Tha¬
ler. Die Votirung eines solchen außerordentlichen Credits setzte und setzt in
allen konstitutionellen Staaten ein Vertrauen zu dem Ministerium voraus,
aber dieses that nichts, um sich dasselbe zu gewinnen. Jener Ausschuß ver¬
anstaltete am 28 Mai eine mündliche Besprechung mit dem Minister von
Beust, in welcher dieser letztere protocollarisch erklärte: „die Plenarversamm-
lung ist berufen und berechtigt, ein neues Organ einzusetzen und eine Re¬
vision der Bundesverfassung vorzunehmen; falls diese Berathung aber resul¬
tatlos bleiben sollte, kann allerdings der Bundesvertrag unter Umständen
seiner ganzen Ausdehnung nach wieder ins Leben treten. Ich halte es aus
Politischen (!) Gründen für bedenklich, diese Eventualität aufzugeben und es
auszusprechen, daß sie staatsrechtlich unzulässig sei. Ob zu den' Beschlüssen
dieses dann wieder erstehenden Bundestags die Zustimmung der Stände noth¬
wendig sei, darüber eine bestimmte Erklärung abzugeben fällt bedenklich."
Diese Erklärung, in welcher die Rechtsfragen völlig als Gegenstand politi¬
scher Bedenken aufgefaßt wurden, und welche noch dazu politisch so bedeutend
von den Wünschen und Hoffnungen der Kammer und von den früheren feier¬
lichen Verheißungen der Regierung selbst abwich, mußte in der Kammer natürlich
einen großen Sturm erregen, und als eine geheime Sitzung der Kammer vom
29. Mai, in welcher die gedachte Finanzfrage behandelt und die vor¬
erwähnte Aeußerung des Ministers von Beust mitgetheilt wurde, in höchster
Aufregung sistirt worden war, als ferner in einer Sitzung vom 30. Mai der
Minister von Beust ungeachtet ertheilter Zusage eine beruhigende Erklärung
in der deutschen Frage nicht gegeben, wu/de die Finanzfrage an den Ausschuß
zurückgewiesen, der indessen schon binnen drei Tagen Bericht zu erstatten ver¬
sprach, und am 31. Mai befand sich der Bericht des deutschen Verfassungs¬
ausschusses aus der Registrande, welcher auf Grund des § 109 der Verfas-
sungs-Urkunde eine Eingabe an den König beantragte, wozu ein Entwurf so¬
fort beigegeben wurde. Hieraus wurden die Kammern am 1. Juni aufgelöst.
Bereits am 3. Juni erschien eine Ansprache des Gesammtministeriums, wonach
man den mit den „eigentlich nur für einen Fall berechneten provisorischen Ge¬
setzen" gemachten Versuch als gescheitert bezeichnete, und deshalb zu den früheren
Verfassungsbestimmungen und Wahlgesetzen zurückkehren zu müssen erklärte,
jedoch auch dies nicht so. daß man nach diesen Gesetzen einen neuen Landtag
wählen ließ, sondern daß man dieselben Personen, die zuletzt zum außerordent¬
lichen Landtage des Jahres 1848 versammelt gewesen waren, zusammenberies,
mit der ausdrücklichen Erklärung jedoch, daß diesem Landtage nur der Ent-
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