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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Agenten bestellt, kurz, indem er Functionen übt. welche eine politische Existenz
voraussetzen. Allerdings muß der Verein, da ihm eine entsprechende Organi¬
sation und in Folge dessen die nöthigen Organe fehlen, dabei auf Umwegen sich
zu helfen suchen. Es wurde oben schon angeführt, daß der Handels- und
Zollvertrag mit Oestreich im Februar 1853 nicht von dem Zollverein, son¬
dern von Preußen abgeschlossen wurde, während den übrigen Vereinsstaaten
der Beitritt offen blieb. Damals war der Verein seines Lebens nicht sicher,
und der nämliche Fall kann 1863 wieder eintreten, wenn die Verträge gekün¬
digt werden. Aber auch in minder kritischen Perioden war es Preußen,
welches in seinem und seiner Zollverbündeten Namen über Verträge verhan¬
delte und sie abschloß, welches seine Agenten mit Wahrnehmung der vereins-
ländischen Interessen beauftragte, und welches seine Expedition nach Japan
den nämlichen Interessen zur Benutzung darbot. Es gibt Regierungen,
welche an diesem Auskunftsmittel keine Freude haben, und im gegenwärtigen
Augenblicke sehen wir wieder in Wien Preußen unter Assistenz von Bayern
und Sachsen, welche dazu schon 1850 designirt gewesen, über eine mögliche
Fortbildung des Vertrags von 1853 im Sinne weiterer Annäherung verhan¬
deln. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Combination sich mehr geeignet
erweisen wird, positive oder negative Resultate zu erzielen, soviel ist gewiß,
daß nach den früheren Verhandlungen Preußen allein 1853 abschließen mußte,
daß der Zollverein als solcher kein Organ zur Führung der Verhandlungen
besitzt, und daß er jeden Augenblick, durch Kündigung der Verträge unfähig
gemacht werden kann, überhaupt etwas einzugehen, was ein längeres Leben
als bis Ende 1865 voraussetzt.*) Mögen Bayern und Sachsen für den Augenblick
durch ihre Betheiligung an den wiener Verhandlungen beschwichtigt sein, Andere
sind es nicht. Ein Beispiel dafür liefert das Rescript des badischen Mini¬
steriums vom 16. August an seinen diplomatischen Agenten in Berlin, womit
die Zustimmung zu Verhandlungen mit der französischen Negierung über einen
Handelsvertrag zwar ertheilt, dabei aber stark betont wird, wie die Regierung
Werth darauf lege, "daß ihr die Möglichkeit geboten werde, auf den Gang
jener Verhandlungen, sowol bezüglich der von Frankreich einkommenden An¬
träge, als bezüglich der Seitens des Zollvereins geltend zu machenden Dest-
derien. jenen Einfluß zu üben, welcher ihr bei den nahen Berührungen Ba¬
dens als eines unmittelbaren Grenznachbars von Frankreich unzweifelhaft ge¬
bühre." Die badische Regierung nimmt dabei keinen Anstand, den Sitz und



') Oestreich selbst hat die aussichtslosen Verhandlungen aufgegeben und verlangt jetzt die
Eröffnung der i" dem Vertrage von 1853 für 1860 anberaumten Unterhandlungen über eine
Zollcinigung, eventuell über weitere Vertehrserleichtcruugen und möglichste Annäherung der
Zolltarife. Die Zolleinigung wird nur twnoris L-ass, noch erwähnt z die weiteren Zwecke
können erst dann gefördert werden, wenn vorher festgestellt sein wird, was aus dem Zoll¬
verein werden soll. Darüber thut vor Allem Verständigung noth.

Agenten bestellt, kurz, indem er Functionen übt. welche eine politische Existenz
voraussetzen. Allerdings muß der Verein, da ihm eine entsprechende Organi¬
sation und in Folge dessen die nöthigen Organe fehlen, dabei auf Umwegen sich
zu helfen suchen. Es wurde oben schon angeführt, daß der Handels- und
Zollvertrag mit Oestreich im Februar 1853 nicht von dem Zollverein, son¬
dern von Preußen abgeschlossen wurde, während den übrigen Vereinsstaaten
der Beitritt offen blieb. Damals war der Verein seines Lebens nicht sicher,
und der nämliche Fall kann 1863 wieder eintreten, wenn die Verträge gekün¬
digt werden. Aber auch in minder kritischen Perioden war es Preußen,
welches in seinem und seiner Zollverbündeten Namen über Verträge verhan¬
delte und sie abschloß, welches seine Agenten mit Wahrnehmung der vereins-
ländischen Interessen beauftragte, und welches seine Expedition nach Japan
den nämlichen Interessen zur Benutzung darbot. Es gibt Regierungen,
welche an diesem Auskunftsmittel keine Freude haben, und im gegenwärtigen
Augenblicke sehen wir wieder in Wien Preußen unter Assistenz von Bayern
und Sachsen, welche dazu schon 1850 designirt gewesen, über eine mögliche
Fortbildung des Vertrags von 1853 im Sinne weiterer Annäherung verhan¬
deln. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Combination sich mehr geeignet
erweisen wird, positive oder negative Resultate zu erzielen, soviel ist gewiß,
daß nach den früheren Verhandlungen Preußen allein 1853 abschließen mußte,
daß der Zollverein als solcher kein Organ zur Führung der Verhandlungen
besitzt, und daß er jeden Augenblick, durch Kündigung der Verträge unfähig
gemacht werden kann, überhaupt etwas einzugehen, was ein längeres Leben
als bis Ende 1865 voraussetzt.*) Mögen Bayern und Sachsen für den Augenblick
durch ihre Betheiligung an den wiener Verhandlungen beschwichtigt sein, Andere
sind es nicht. Ein Beispiel dafür liefert das Rescript des badischen Mini¬
steriums vom 16. August an seinen diplomatischen Agenten in Berlin, womit
die Zustimmung zu Verhandlungen mit der französischen Negierung über einen
Handelsvertrag zwar ertheilt, dabei aber stark betont wird, wie die Regierung
Werth darauf lege, „daß ihr die Möglichkeit geboten werde, auf den Gang
jener Verhandlungen, sowol bezüglich der von Frankreich einkommenden An¬
träge, als bezüglich der Seitens des Zollvereins geltend zu machenden Dest-
derien. jenen Einfluß zu üben, welcher ihr bei den nahen Berührungen Ba¬
dens als eines unmittelbaren Grenznachbars von Frankreich unzweifelhaft ge¬
bühre." Die badische Regierung nimmt dabei keinen Anstand, den Sitz und



') Oestreich selbst hat die aussichtslosen Verhandlungen aufgegeben und verlangt jetzt die
Eröffnung der i» dem Vertrage von 1853 für 1860 anberaumten Unterhandlungen über eine
Zollcinigung, eventuell über weitere Vertehrserleichtcruugen und möglichste Annäherung der
Zolltarife. Die Zolleinigung wird nur twnoris L-ass, noch erwähnt z die weiteren Zwecke
können erst dann gefördert werden, wenn vorher festgestellt sein wird, was aus dem Zoll¬
verein werden soll. Darüber thut vor Allem Verständigung noth.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/20>, abgerufen am 15.01.2025.