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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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das politische Gebiet zu leiten, um die Einheit Deutschlands zu finden; andrer¬
seits hatte sich der Eiser Ernst August's merklich abgekühlt: die Einwilligung
des Kaisers für seine Kurwürde hatte er in der Tasche, der Widerstand ging
jetzt von den Fürsten aus, und diesen hätte er sich durch katholische Neigungen
nicht empfohlen; das Friedenswerk konnte gelassener getrieben werden. Bos-
sucts schneidender Ton hatte Leibnitz ernstlich aufgebracht; der Vermittler Pellis-
son starb 7. Febr. 1693, wie seine Feinde aussprengten, ungläubig:

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vont on 5g.it los tous.
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Eine Verleumdung, die Bossuet nach Kräften abwehrte, und ^der auch
Leibnitz keinen Glauben zu schenken versicherte. -- Leibnitz! Lope-Nix
(Glaube nichts!) nannten ihn die Hannoveraner, weil er nicht das Abendmahl
besuchte. -- Er fand jetzt einen dritten Gegner/den Abbs Piro t von der
Sorbonne, der schon November 1691 entschlossen war, mit ihm über das Tri-
dentiner Concil anzubinden, und diesen Vorsatz Juni 1692 in einem umfang¬
reichen Werk ausführte '(ein Auszug daraus I. S. 369--373), welches sich
hauptsächlich deu Zweck setzte, nachzuweisen, daß die dogmatischen Beschlüsse
dieses Concils auch von der gallicanischen Kirche einstimmig anerkannt seien.
Leibnitz schickte seine Entgegnung (I. 380--410) 5. Juni 1693 an Bossuet;
sie enthielt vortreffliche kirchenhistorische Studien, deren praktisches Resultat
folgendes ist: das Concil hat eine Reihe von Lehrsätzen festgestellt, die vor
ihm im Westen (diese Unterscheidung der römischen Kirche als einer Sonder¬
kirche im Gegensatz zur alten allgemeinen, die auch den Osten umfaßt, wird von
Leibnitz auch später stets hervorgehoben) zwar angenommen waren, aber doch
nicht als Glciubensnorm galten! grade deshalb sollten beide Parteien Anstand
nehmen, ihnen beizutreten. Apus n' s-vous psut-vers pus tiop as prstsn-
äuss ästmitions su matisrs as toi, on dsvg.it hö tsnir a, la tra,äition et ä.
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liatimr avse les pi-vtsstans plus äiKeils? -- Pirol, sagt Bossuet in einer
langen Auseinandersetzung (I. 414 -- 431) hat viel unnütze Gelehrsamkeit ent¬
wickelt; ob man das Concil annehmen soll oder nicht, das kommt gar nicht
in Frage: es ist von der katholischen Kirche bereits angenommen. Macht
man das zweifelhaft, so wird der ganze Grund der katholische" Kirche zweifele
haft. "Aber wie könnt ihr voraussetzen, daß ihr allein die katholische Kirche
seid?" Allerdings setzen wir es voraus; anderwärts haben wir es bewiesen;


das politische Gebiet zu leiten, um die Einheit Deutschlands zu finden; andrer¬
seits hatte sich der Eiser Ernst August's merklich abgekühlt: die Einwilligung
des Kaisers für seine Kurwürde hatte er in der Tasche, der Widerstand ging
jetzt von den Fürsten aus, und diesen hätte er sich durch katholische Neigungen
nicht empfohlen; das Friedenswerk konnte gelassener getrieben werden. Bos-
sucts schneidender Ton hatte Leibnitz ernstlich aufgebracht; der Vermittler Pellis-
son starb 7. Febr. 1693, wie seine Feinde aussprengten, ungläubig:

Nais ptmvrs et xolitiq.no
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ZZst mort su vkilosopks;
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Eine Verleumdung, die Bossuet nach Kräften abwehrte, und ^der auch
Leibnitz keinen Glauben zu schenken versicherte. — Leibnitz! Lope-Nix
(Glaube nichts!) nannten ihn die Hannoveraner, weil er nicht das Abendmahl
besuchte. — Er fand jetzt einen dritten Gegner/den Abbs Piro t von der
Sorbonne, der schon November 1691 entschlossen war, mit ihm über das Tri-
dentiner Concil anzubinden, und diesen Vorsatz Juni 1692 in einem umfang¬
reichen Werk ausführte '(ein Auszug daraus I. S. 369—373), welches sich
hauptsächlich deu Zweck setzte, nachzuweisen, daß die dogmatischen Beschlüsse
dieses Concils auch von der gallicanischen Kirche einstimmig anerkannt seien.
Leibnitz schickte seine Entgegnung (I. 380—410) 5. Juni 1693 an Bossuet;
sie enthielt vortreffliche kirchenhistorische Studien, deren praktisches Resultat
folgendes ist: das Concil hat eine Reihe von Lehrsätzen festgestellt, die vor
ihm im Westen (diese Unterscheidung der römischen Kirche als einer Sonder¬
kirche im Gegensatz zur alten allgemeinen, die auch den Osten umfaßt, wird von
Leibnitz auch später stets hervorgehoben) zwar angenommen waren, aber doch
nicht als Glciubensnorm galten! grade deshalb sollten beide Parteien Anstand
nehmen, ihnen beizutreten. Apus n' s-vous psut-vers pus tiop as prstsn-
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langen Auseinandersetzung (I. 414 — 431) hat viel unnütze Gelehrsamkeit ent¬
wickelt; ob man das Concil annehmen soll oder nicht, das kommt gar nicht
in Frage: es ist von der katholischen Kirche bereits angenommen. Macht
man das zweifelhaft, so wird der ganze Grund der katholische» Kirche zweifele
haft. „Aber wie könnt ihr voraussetzen, daß ihr allein die katholische Kirche
seid?" Allerdings setzen wir es voraus; anderwärts haben wir es bewiesen;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/193>, abgerufen am 15.01.2025.