Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.irgend einen der Religion nachtheiligen Irrthum enthielten. Sehe er aber Wol aber war Leibnitz noch immer bereit, den Gegensatz der Konfessionen irgend einen der Religion nachtheiligen Irrthum enthielten. Sehe er aber Wol aber war Leibnitz noch immer bereit, den Gegensatz der Konfessionen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110528"/> <p xml:id="ID_490" prev="#ID_489"> irgend einen der Religion nachtheiligen Irrthum enthielten. Sehe er aber<lb/> vorher, daß sein Vorhaben, die Menschen gelehrter aber nicht besser zu machen,<lb/> ihm ein Hinderniß sein könne, den Weg einzuschlagen, der nach seinem eignen<lb/> Bekenntniß wenigstens der sicherste zur Erlangung des ewigen Heils sei, so<lb/> müsse die wahre Liebe, die er sich selbst schuldig sei, ihn von diesem Vorhaben<lb/> zurückbringen. Leibnitz habe so schöne Einsichten in die Geometrie und Me¬<lb/> chanik, Dinge, die den Theologen keinen Anstoß geben würden, daß er die<lb/> andern Fragen wol bei Seite lassen könne. Er sprach sich zum Schluß sehr<lb/> gerührt über die Geistesqual des gelehrten Mannes aus, für dessen Seelenheil<lb/> er betete. — Die Meinungen, erwiderte Leibnitz, deren Anstößigkeit er voraus¬<lb/> sehe, gehörten zu den Grundlagen der natürlichen Theologie, und das „Einzig<lb/> Nothwendige", Gott über alle Dinge zu lieben, werde aus seiner Philosophie<lb/> mehr Kraft ziehn, als aus allem, was in den Schulen gelehrt werde. Sie<lb/> könnten also nicht unterdrückt werden, ohne den wichtigsten Wahrheiten zu<lb/> schaden. Weit entfernt, von Gewissensbissen beunruhigt zu werden, rühme er<lb/> sich vielmehr einer wahren Ruhe des Geistes, weil er lange reiflich überlegt<lb/> und seine Pflicht gethan zu haben glaube; und halte sich der innern Gemein¬<lb/> schaft der Kirche versichert, weil es nicht an ihm liege, auch der äußern zu<lb/> genießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_491" next="#ID_492"> Wol aber war Leibnitz noch immer bereit, den Gegensatz der Konfessionen<lb/> dadurch abzuschwächen, daß er ihn in das Gebiet der reinen Begriffe zog.<lb/> Schon März 1684 hatte er dem Landgrafen sein Vorhaben entdeckt, einmal<lb/> eine geheime Schrift über einige Controverspunkte der beiden Kirchen aufzu¬<lb/> setzen, um sie gemäßigten und einsichtigen Theologen zur Prüfung vorlegen<lb/> zu lassen. Nur dürfe man durchaus nicht wissen, daß der Verfasser kein Ka¬<lb/> tholik sei, sonst werde man gegen ihn eingenommen, und das mache die besten<lb/> Dinge verdächtig. Von dieser „unschuldigen List" versprach er sich großen<lb/> Erfolg. Dasselbe schlug er im Sommer 1686 seinem Herzog vor. Dieser<lb/> hatte sich stets gegen alle Controversen ausgesprochen: Hütte der Herr gewollt/<lb/> daß man über den geheimen Sinn mancher Bibelstellen ins Klare käme, so<lb/> würde er sich deutlicher ausgedrückt haben. — Leibnitz glaubte nun, gerade<lb/> auf diesem Wege mit Hilfe seiner neuen Metaphysik — durch welche ja selbst<lb/> der Cartefianer Arnauld in manchen Punkten überzeugt worden sei — zu einer<lb/> Ausgleichung der Gegensätze zu gelangen. Ein denkender, der Vereinigung<lb/> geneigter Mann, müsse eine Lxxositioll as I«. toi aufsetzen, in der er mit<lb/> Vermeidung aller zweideutigen und scholastischen Wendungen nur in natür¬<lb/> lichen Ausdrücken redete; diese durch die Autorität katholischer Gelehr¬<lb/> ten zu stützen suchen und sie dann dein Entscheid gemäßigter Bischöfe<lb/> unterwerfen; nicht, ob sie seiner Ansicht seien, sondern nnr, ob sie glaubten,<lb/> daß man seine Ansicht in der Kirche dulden werde. — Am ausführlichsten ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
irgend einen der Religion nachtheiligen Irrthum enthielten. Sehe er aber
vorher, daß sein Vorhaben, die Menschen gelehrter aber nicht besser zu machen,
ihm ein Hinderniß sein könne, den Weg einzuschlagen, der nach seinem eignen
Bekenntniß wenigstens der sicherste zur Erlangung des ewigen Heils sei, so
müsse die wahre Liebe, die er sich selbst schuldig sei, ihn von diesem Vorhaben
zurückbringen. Leibnitz habe so schöne Einsichten in die Geometrie und Me¬
chanik, Dinge, die den Theologen keinen Anstoß geben würden, daß er die
andern Fragen wol bei Seite lassen könne. Er sprach sich zum Schluß sehr
gerührt über die Geistesqual des gelehrten Mannes aus, für dessen Seelenheil
er betete. — Die Meinungen, erwiderte Leibnitz, deren Anstößigkeit er voraus¬
sehe, gehörten zu den Grundlagen der natürlichen Theologie, und das „Einzig
Nothwendige", Gott über alle Dinge zu lieben, werde aus seiner Philosophie
mehr Kraft ziehn, als aus allem, was in den Schulen gelehrt werde. Sie
könnten also nicht unterdrückt werden, ohne den wichtigsten Wahrheiten zu
schaden. Weit entfernt, von Gewissensbissen beunruhigt zu werden, rühme er
sich vielmehr einer wahren Ruhe des Geistes, weil er lange reiflich überlegt
und seine Pflicht gethan zu haben glaube; und halte sich der innern Gemein¬
schaft der Kirche versichert, weil es nicht an ihm liege, auch der äußern zu
genießen.
Wol aber war Leibnitz noch immer bereit, den Gegensatz der Konfessionen
dadurch abzuschwächen, daß er ihn in das Gebiet der reinen Begriffe zog.
Schon März 1684 hatte er dem Landgrafen sein Vorhaben entdeckt, einmal
eine geheime Schrift über einige Controverspunkte der beiden Kirchen aufzu¬
setzen, um sie gemäßigten und einsichtigen Theologen zur Prüfung vorlegen
zu lassen. Nur dürfe man durchaus nicht wissen, daß der Verfasser kein Ka¬
tholik sei, sonst werde man gegen ihn eingenommen, und das mache die besten
Dinge verdächtig. Von dieser „unschuldigen List" versprach er sich großen
Erfolg. Dasselbe schlug er im Sommer 1686 seinem Herzog vor. Dieser
hatte sich stets gegen alle Controversen ausgesprochen: Hütte der Herr gewollt/
daß man über den geheimen Sinn mancher Bibelstellen ins Klare käme, so
würde er sich deutlicher ausgedrückt haben. — Leibnitz glaubte nun, gerade
auf diesem Wege mit Hilfe seiner neuen Metaphysik — durch welche ja selbst
der Cartefianer Arnauld in manchen Punkten überzeugt worden sei — zu einer
Ausgleichung der Gegensätze zu gelangen. Ein denkender, der Vereinigung
geneigter Mann, müsse eine Lxxositioll as I«. toi aufsetzen, in der er mit
Vermeidung aller zweideutigen und scholastischen Wendungen nur in natür¬
lichen Ausdrücken redete; diese durch die Autorität katholischer Gelehr¬
ten zu stützen suchen und sie dann dein Entscheid gemäßigter Bischöfe
unterwerfen; nicht, ob sie seiner Ansicht seien, sondern nnr, ob sie glaubten,
daß man seine Ansicht in der Kirche dulden werde. — Am ausführlichsten ist
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