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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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schaffen." Er erklärte die Adressen für "so aufrührerisch, als sie mir sein
könnten", und knüpfte daran die unreinliche, aber ebenfalls charakteristische
Bemerkung, wofern die Versammlung seiner Meinung nicht beipflichte, nicht
kräftig gegen die in den Adressen ausgedrückte Anmaßung protcstire, so habe
sie den Ständesaal "zu einem Rinnstein, zu einem Abtritt für aufrührerische
und verräterische ekelhafte Excremente gemacht."

Die große Mehrzahl der Abgeordneten war anderer Ansicht. Sie pro-
testirte nicht gegen die Adressen, wol aber gegen die Willkür ihres Vorsitzen¬
den, der sie vom Tische der Versammlung entfernt und der Polizei ausgelie¬
fert; sie wahrte das Recht der Schleswiger zur freien Aeußerung ihrer Ueber¬
zeugungen gegenüber der Landesvertretung, sie glaubte ihren Saal nicht zu
verunreinigen, wenn sie deutlich merken ließ, daß der Inhalt jener Adressen
ihr eignes politisches Glaubensbekenntnis) ausdrücke.

Wir kommen nun zu den polizeilichen Verfolgungen, welche die Regie¬
rung über diejenigen, welche den Entwurf der nicht zur Verhandlung zuge¬
lassenen Adresse der 26 Abgeordneten an den König im Druck verbreitet, so¬
wie über die, welche die mitgetheilten Adressen an die Ständeversammlung
unterzeichnet hatten, zu verhängen befahl.

Am 17. Februar erschien Jörgensen, der Polizeimeister der Stadt Schles¬
wig, in Begleitung eines Gendarmen und mehrer Polizeidiener in der dor¬
tigen Hcibergschen Buchhandlung, präsentirte dem Inhaber derselben einen
mit der Etikette seiner Firma versehnen gedruckten Conn6bericht an die
Ständeversammlung vom 3. Februar nebst dem Entwurf der Adresse der
Sechsundzwanzig, ließ sich bestätigen, daß diese Druckschrift in der Stadt zu
dem notirten Preise von 8 sah. N. M. zum Verkauf ausgeboten worden,
und erklärte hierauf, daß er sich in den Besitz der Buchhandlung setze, was
von ihm dadurch vollzogen wurde, daß er das Local versiegelte. Am Abend
desselben Tages wurden die Verhöre Heibergs und seines Geschäftsführers auf
dem Rathhause fortgesetzt. Dieselben räumten ein, daß ihnen Tags vorher
mit der Frachtpost 500 Exemplare der gedachten Schrift von dem Drucker der
"Jtzehoer Nachrichten" zugekommen und daß davon sofort 150 Exemplare in
der Stadt ausgetragen, 50 nach Flensburg und 300 nach Kiel und Hamburg
versandt worden seien. Die Versendungsliste sür die Stadt Schleswig
wurde ausgeliefert, und der Polizeimeister ließ die Exemplare von den
Adressaten einfordern. Heiberg leugnete, die 500 Abzüge bestellt zu haben!
er habe nur dem erwähnten Druckereibesitzer in Itzehoe brieflich den Vorschlag
gemacht, wenn er die Adresse der Sechsundzwanzig seinem Blatt als Beilage
beigeben wolle, eine Anzahl Exemplare mehr auf gemeinschaftliche Rechnung
abziehn zu lassen. Darauf sei ihm von jenem geantwortet worden, er werde
Adresse und Conn6bericht auf eigne Kosten drucken,und 500 Exemplare der


schaffen." Er erklärte die Adressen für „so aufrührerisch, als sie mir sein
könnten", und knüpfte daran die unreinliche, aber ebenfalls charakteristische
Bemerkung, wofern die Versammlung seiner Meinung nicht beipflichte, nicht
kräftig gegen die in den Adressen ausgedrückte Anmaßung protcstire, so habe
sie den Ständesaal „zu einem Rinnstein, zu einem Abtritt für aufrührerische
und verräterische ekelhafte Excremente gemacht."

Die große Mehrzahl der Abgeordneten war anderer Ansicht. Sie pro-
testirte nicht gegen die Adressen, wol aber gegen die Willkür ihres Vorsitzen¬
den, der sie vom Tische der Versammlung entfernt und der Polizei ausgelie¬
fert; sie wahrte das Recht der Schleswiger zur freien Aeußerung ihrer Ueber¬
zeugungen gegenüber der Landesvertretung, sie glaubte ihren Saal nicht zu
verunreinigen, wenn sie deutlich merken ließ, daß der Inhalt jener Adressen
ihr eignes politisches Glaubensbekenntnis) ausdrücke.

Wir kommen nun zu den polizeilichen Verfolgungen, welche die Regie¬
rung über diejenigen, welche den Entwurf der nicht zur Verhandlung zuge¬
lassenen Adresse der 26 Abgeordneten an den König im Druck verbreitet, so¬
wie über die, welche die mitgetheilten Adressen an die Ständeversammlung
unterzeichnet hatten, zu verhängen befahl.

Am 17. Februar erschien Jörgensen, der Polizeimeister der Stadt Schles¬
wig, in Begleitung eines Gendarmen und mehrer Polizeidiener in der dor¬
tigen Hcibergschen Buchhandlung, präsentirte dem Inhaber derselben einen
mit der Etikette seiner Firma versehnen gedruckten Conn6bericht an die
Ständeversammlung vom 3. Februar nebst dem Entwurf der Adresse der
Sechsundzwanzig, ließ sich bestätigen, daß diese Druckschrift in der Stadt zu
dem notirten Preise von 8 sah. N. M. zum Verkauf ausgeboten worden,
und erklärte hierauf, daß er sich in den Besitz der Buchhandlung setze, was
von ihm dadurch vollzogen wurde, daß er das Local versiegelte. Am Abend
desselben Tages wurden die Verhöre Heibergs und seines Geschäftsführers auf
dem Rathhause fortgesetzt. Dieselben räumten ein, daß ihnen Tags vorher
mit der Frachtpost 500 Exemplare der gedachten Schrift von dem Drucker der
„Jtzehoer Nachrichten" zugekommen und daß davon sofort 150 Exemplare in
der Stadt ausgetragen, 50 nach Flensburg und 300 nach Kiel und Hamburg
versandt worden seien. Die Versendungsliste sür die Stadt Schleswig
wurde ausgeliefert, und der Polizeimeister ließ die Exemplare von den
Adressaten einfordern. Heiberg leugnete, die 500 Abzüge bestellt zu haben!
er habe nur dem erwähnten Druckereibesitzer in Itzehoe brieflich den Vorschlag
gemacht, wenn er die Adresse der Sechsundzwanzig seinem Blatt als Beilage
beigeben wolle, eine Anzahl Exemplare mehr auf gemeinschaftliche Rechnung
abziehn zu lassen. Darauf sei ihm von jenem geantwortet worden, er werde
Adresse und Conn6bericht auf eigne Kosten drucken,und 500 Exemplare der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/500>, abgerufen am 25.07.2024.