Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die kieler Universität) oder auf privatrechtlich gemeinsamen Verhältnissen gewisser
Classen beruhen (der nicht politische nexus sooialis der schleswigschen und hol¬
steinischen Ritterschaft).

Auch diese Zusagen gehören zu denen, mit welchen dem berliner Frieden
ein Inhalt gegeben wurde. Auch sie sind durch zahlreiche Maßregeln der dä¬
nischen Negierung verletzt und gebrochen worden. Auch aus ihnen läßt es
sich rechtfertigen, wenn von Seiten Deutschlands jener Friede als von Däne¬
mark selbst aufgehoben betrachtet würde. Grade diejenigen Bande zwischen
den Bewohnern beider Herzogtümer, welche nach jener Erklärung von 1851
selbstverständlich gestärkt werden sollten, sind auf die rücksichtsloseste Weise als
unerlaubt bezeichnet und zerrissen worden. Mau hat nach und nach alle für
die Bewohner Schleswigs und Holsteins zugleich bestehenden Vereine durch
Verfügungen für Schleswig unterdrückt, während man sie für Holstein fort-
bestehn ließ. Hätten dieselben irgendwelche politische Zwecke auch nur entfernt
verfolgt, so ließe sich das Verbot begreifen. Sie hatten aber ausschließlich
landwirtschaftliche, künstlerische, religiöse oder wissenschaftliche Tendenzen; keiner
von ihnen, wol aber die Regierung mit ihrem Angriff auf ihr Bestehen,
betrat das Gebiet der Politik.

Wie lächerlich gründlich dabei verfahren wurde, zeigt die Verfügung von
185", welche allen Schleswigern den Eintritt in einen für beide Herzogtümer
gestifteten Assecuranzvercin gegen die Lungenseuche unter dein Hornvieh "allen
Ernstes" untersagt, sowie die, welche den Landleuten des schleswigschen Am¬
tes Hütten bei Ttrafe verbot, sich bei einer für den Sommer 1858 im benach¬
barten holsteinischen Amt Rendsburg veranstalteten Thicrschau zu betheiligen.
Beide, jener Verein und dieses landwirthschaftliche Fest, waren vollkommen un¬
schuldiger Natur, die einzige Schuld, welche das Ministerium an ihnen finden
konnte, bestand darin, daß sie über die chinesische Meiner griffen, welche die
eiderdänische Politik zwischen Holstein und Schleswig auch in solchen Bezie-.
hunger erbaut sehen möchte, welche in den Zusagen von 1851 ausdrücklich als
nützlich anerkannt sind.

Wir heben ferner hervor: Die Bekanntmachung vom 23. April 1853,
durch welche die 1815 gegründete Bibelgesellschaft für die Herzogthümer Schles¬
wig und Holstein hinsichtlich des erstem aufgehoben wurde. Es traf dieselbe
kein andrer Vorwurf, als der, daß sie gesetzlich sür beide Herzogtümer be¬
stimmt war, und daß sie sich die Verbreitung deutscher Bibel" im "dänischen
Herzogthum Schleswig" hatte angelegen sein lassen. ' Daraus, daß sie sich
"Landesbibelgesellschaft" oder "vaterländische Bibelgesellschaft" nannte, auf¬
rührerische Tendenzen hcrauszuspüren, bedarf es einer Rabulistcnncise von be¬
sonders feiner Sorte, wie sie mir- der Propst Hausen, der die Maßregel in
der letzten schleswigschen Ständeversammlung vertheidigte, zu besitzen scheint.


die kieler Universität) oder auf privatrechtlich gemeinsamen Verhältnissen gewisser
Classen beruhen (der nicht politische nexus sooialis der schleswigschen und hol¬
steinischen Ritterschaft).

Auch diese Zusagen gehören zu denen, mit welchen dem berliner Frieden
ein Inhalt gegeben wurde. Auch sie sind durch zahlreiche Maßregeln der dä¬
nischen Negierung verletzt und gebrochen worden. Auch aus ihnen läßt es
sich rechtfertigen, wenn von Seiten Deutschlands jener Friede als von Däne¬
mark selbst aufgehoben betrachtet würde. Grade diejenigen Bande zwischen
den Bewohnern beider Herzogtümer, welche nach jener Erklärung von 1851
selbstverständlich gestärkt werden sollten, sind auf die rücksichtsloseste Weise als
unerlaubt bezeichnet und zerrissen worden. Mau hat nach und nach alle für
die Bewohner Schleswigs und Holsteins zugleich bestehenden Vereine durch
Verfügungen für Schleswig unterdrückt, während man sie für Holstein fort-
bestehn ließ. Hätten dieselben irgendwelche politische Zwecke auch nur entfernt
verfolgt, so ließe sich das Verbot begreifen. Sie hatten aber ausschließlich
landwirtschaftliche, künstlerische, religiöse oder wissenschaftliche Tendenzen; keiner
von ihnen, wol aber die Regierung mit ihrem Angriff auf ihr Bestehen,
betrat das Gebiet der Politik.

Wie lächerlich gründlich dabei verfahren wurde, zeigt die Verfügung von
185», welche allen Schleswigern den Eintritt in einen für beide Herzogtümer
gestifteten Assecuranzvercin gegen die Lungenseuche unter dein Hornvieh „allen
Ernstes" untersagt, sowie die, welche den Landleuten des schleswigschen Am¬
tes Hütten bei Ttrafe verbot, sich bei einer für den Sommer 1858 im benach¬
barten holsteinischen Amt Rendsburg veranstalteten Thicrschau zu betheiligen.
Beide, jener Verein und dieses landwirthschaftliche Fest, waren vollkommen un¬
schuldiger Natur, die einzige Schuld, welche das Ministerium an ihnen finden
konnte, bestand darin, daß sie über die chinesische Meiner griffen, welche die
eiderdänische Politik zwischen Holstein und Schleswig auch in solchen Bezie-.
hunger erbaut sehen möchte, welche in den Zusagen von 1851 ausdrücklich als
nützlich anerkannt sind.

Wir heben ferner hervor: Die Bekanntmachung vom 23. April 1853,
durch welche die 1815 gegründete Bibelgesellschaft für die Herzogthümer Schles¬
wig und Holstein hinsichtlich des erstem aufgehoben wurde. Es traf dieselbe
kein andrer Vorwurf, als der, daß sie gesetzlich sür beide Herzogtümer be¬
stimmt war, und daß sie sich die Verbreitung deutscher Bibel» im „dänischen
Herzogthum Schleswig" hatte angelegen sein lassen. ' Daraus, daß sie sich
„Landesbibelgesellschaft" oder „vaterländische Bibelgesellschaft" nannte, auf¬
rührerische Tendenzen hcrauszuspüren, bedarf es einer Rabulistcnncise von be¬
sonders feiner Sorte, wie sie mir- der Propst Hausen, der die Maßregel in
der letzten schleswigschen Ständeversammlung vertheidigte, zu besitzen scheint.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110300"/>
          <p xml:id="ID_1499" prev="#ID_1498"> die kieler Universität) oder auf privatrechtlich gemeinsamen Verhältnissen gewisser<lb/>
Classen beruhen (der nicht politische nexus sooialis der schleswigschen und hol¬<lb/>
steinischen Ritterschaft).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1500"> Auch diese Zusagen gehören zu denen, mit welchen dem berliner Frieden<lb/>
ein Inhalt gegeben wurde. Auch sie sind durch zahlreiche Maßregeln der dä¬<lb/>
nischen Negierung verletzt und gebrochen worden. Auch aus ihnen läßt es<lb/>
sich rechtfertigen, wenn von Seiten Deutschlands jener Friede als von Däne¬<lb/>
mark selbst aufgehoben betrachtet würde. Grade diejenigen Bande zwischen<lb/>
den Bewohnern beider Herzogtümer, welche nach jener Erklärung von 1851<lb/>
selbstverständlich gestärkt werden sollten, sind auf die rücksichtsloseste Weise als<lb/>
unerlaubt bezeichnet und zerrissen worden. Mau hat nach und nach alle für<lb/>
die Bewohner Schleswigs und Holsteins zugleich bestehenden Vereine durch<lb/>
Verfügungen für Schleswig unterdrückt, während man sie für Holstein fort-<lb/>
bestehn ließ. Hätten dieselben irgendwelche politische Zwecke auch nur entfernt<lb/>
verfolgt, so ließe sich das Verbot begreifen. Sie hatten aber ausschließlich<lb/>
landwirtschaftliche, künstlerische, religiöse oder wissenschaftliche Tendenzen; keiner<lb/>
von ihnen, wol aber die Regierung mit ihrem Angriff auf ihr Bestehen,<lb/>
betrat das Gebiet der Politik.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1501"> Wie lächerlich gründlich dabei verfahren wurde, zeigt die Verfügung von<lb/>
185», welche allen Schleswigern den Eintritt in einen für beide Herzogtümer<lb/>
gestifteten Assecuranzvercin gegen die Lungenseuche unter dein Hornvieh &#x201E;allen<lb/>
Ernstes" untersagt, sowie die, welche den Landleuten des schleswigschen Am¬<lb/>
tes Hütten bei Ttrafe verbot, sich bei einer für den Sommer 1858 im benach¬<lb/>
barten holsteinischen Amt Rendsburg veranstalteten Thicrschau zu betheiligen.<lb/>
Beide, jener Verein und dieses landwirthschaftliche Fest, waren vollkommen un¬<lb/>
schuldiger Natur, die einzige Schuld, welche das Ministerium an ihnen finden<lb/>
konnte, bestand darin, daß sie über die chinesische Meiner griffen, welche die<lb/>
eiderdänische Politik zwischen Holstein und Schleswig auch in solchen Bezie-.<lb/>
hunger erbaut sehen möchte, welche in den Zusagen von 1851 ausdrücklich als<lb/>
nützlich anerkannt sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1502" next="#ID_1503"> Wir heben ferner hervor: Die Bekanntmachung vom 23. April 1853,<lb/>
durch welche die 1815 gegründete Bibelgesellschaft für die Herzogthümer Schles¬<lb/>
wig und Holstein hinsichtlich des erstem aufgehoben wurde. Es traf dieselbe<lb/>
kein andrer Vorwurf, als der, daß sie gesetzlich sür beide Herzogtümer be¬<lb/>
stimmt war, und daß sie sich die Verbreitung deutscher Bibel» im &#x201E;dänischen<lb/>
Herzogthum Schleswig" hatte angelegen sein lassen. ' Daraus, daß sie sich<lb/>
&#x201E;Landesbibelgesellschaft" oder &#x201E;vaterländische Bibelgesellschaft" nannte, auf¬<lb/>
rührerische Tendenzen hcrauszuspüren, bedarf es einer Rabulistcnncise von be¬<lb/>
sonders feiner Sorte, wie sie mir- der Propst Hausen, der die Maßregel in<lb/>
der letzten schleswigschen Ständeversammlung vertheidigte, zu besitzen scheint.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0494] die kieler Universität) oder auf privatrechtlich gemeinsamen Verhältnissen gewisser Classen beruhen (der nicht politische nexus sooialis der schleswigschen und hol¬ steinischen Ritterschaft). Auch diese Zusagen gehören zu denen, mit welchen dem berliner Frieden ein Inhalt gegeben wurde. Auch sie sind durch zahlreiche Maßregeln der dä¬ nischen Negierung verletzt und gebrochen worden. Auch aus ihnen läßt es sich rechtfertigen, wenn von Seiten Deutschlands jener Friede als von Däne¬ mark selbst aufgehoben betrachtet würde. Grade diejenigen Bande zwischen den Bewohnern beider Herzogtümer, welche nach jener Erklärung von 1851 selbstverständlich gestärkt werden sollten, sind auf die rücksichtsloseste Weise als unerlaubt bezeichnet und zerrissen worden. Mau hat nach und nach alle für die Bewohner Schleswigs und Holsteins zugleich bestehenden Vereine durch Verfügungen für Schleswig unterdrückt, während man sie für Holstein fort- bestehn ließ. Hätten dieselben irgendwelche politische Zwecke auch nur entfernt verfolgt, so ließe sich das Verbot begreifen. Sie hatten aber ausschließlich landwirtschaftliche, künstlerische, religiöse oder wissenschaftliche Tendenzen; keiner von ihnen, wol aber die Regierung mit ihrem Angriff auf ihr Bestehen, betrat das Gebiet der Politik. Wie lächerlich gründlich dabei verfahren wurde, zeigt die Verfügung von 185», welche allen Schleswigern den Eintritt in einen für beide Herzogtümer gestifteten Assecuranzvercin gegen die Lungenseuche unter dein Hornvieh „allen Ernstes" untersagt, sowie die, welche den Landleuten des schleswigschen Am¬ tes Hütten bei Ttrafe verbot, sich bei einer für den Sommer 1858 im benach¬ barten holsteinischen Amt Rendsburg veranstalteten Thicrschau zu betheiligen. Beide, jener Verein und dieses landwirthschaftliche Fest, waren vollkommen un¬ schuldiger Natur, die einzige Schuld, welche das Ministerium an ihnen finden konnte, bestand darin, daß sie über die chinesische Meiner griffen, welche die eiderdänische Politik zwischen Holstein und Schleswig auch in solchen Bezie-. hunger erbaut sehen möchte, welche in den Zusagen von 1851 ausdrücklich als nützlich anerkannt sind. Wir heben ferner hervor: Die Bekanntmachung vom 23. April 1853, durch welche die 1815 gegründete Bibelgesellschaft für die Herzogthümer Schles¬ wig und Holstein hinsichtlich des erstem aufgehoben wurde. Es traf dieselbe kein andrer Vorwurf, als der, daß sie gesetzlich sür beide Herzogtümer be¬ stimmt war, und daß sie sich die Verbreitung deutscher Bibel» im „dänischen Herzogthum Schleswig" hatte angelegen sein lassen. ' Daraus, daß sie sich „Landesbibelgesellschaft" oder „vaterländische Bibelgesellschaft" nannte, auf¬ rührerische Tendenzen hcrauszuspüren, bedarf es einer Rabulistcnncise von be¬ sonders feiner Sorte, wie sie mir- der Propst Hausen, der die Maßregel in der letzten schleswigschen Ständeversammlung vertheidigte, zu besitzen scheint.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/494
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/494>, abgerufen am 04.07.2024.