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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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ist nach völkerrechtlichen Grundsätzen aller aus jenem Abkommen herzuleiten¬
der Verbindlichkeiten frei und ledig. Es ist namentlich nicht mehr an das
Patent von 1852 gebunden. Es ist berechtigt, die Wiederherstellung des alten
Rechts Holsteins, dessen Realunion mit Schleswig und die Zurückführung bei¬
der Herzogthümer auf die bloße Personalunion mit dem Königreich Däne¬
mark zu verlangen, es ist durch Rücksichten des Interesses und der Ehre ver¬
pflichtet, die Erfüllung dieser Forderungen, sofern Dänemark sich weigert, bei
der ersten sich darbietenden Gelegenheit mit allem Nachdruck seiner Mittel und
Kräfte zu erzwingen.

Eines steht unzweifelhaft fest. Soll wirksam geholfen werden, so muß
ein andrer Weg betreten werden, als der jener falschen Correctheit, auf dem
sich die deutsche Politik bisher ohne vorwärts zu kommen bewegte. Man darf
sich nicht mehr scheuen, Schleswigs zu erwähnen. So lange man nur von
einem Holstein-Lauenburg spricht und diesen neu erfundenen Cvllectivcmsdruck
für die Sache gebraucht, um die es sich im Kriege handelte, über die Frieden
geschlossen wurde, für die noch jetzt das deutsche Volk allein sich begeistert, so
lange wird man vergeblich den Ausweg aus dem Labyrinth suchen, welches
die Staatsmänner der Reactionszeit, die Diplomaten von Olmütz uns als das
Werk ihrer Verlegenheit und ihrer Charakterschwäche hinterlassen haben.

Handhaben zur Vorbereitung entschiedener Schritte in dieser Angelegen¬
heit bieten sich bei einer Betrachtung der Zustände in Schleswig, zu deren
Schilderung, als unsrer eigentlichen Aufgabe, wir jetzt übergehn. Wir knüpfen
unsre Beispiele an einen Auszug aus der Adresse der deutschen Majorität in
der letzten schleswigschen Stündeversammlung, die lediglich deshalb von der
letztern nicht zum Beschluß erhoben wurde, weil der landesherrliche Commissär
die Verhandlungen über dieselbe untersagte und der Präsident der Versamm¬
lung die Schwäche besaß, sich diesem durchaus verfassungswidrigen Eingriff
in die Freiheit der Berathungen zu fügen.

Durch das Patent vom 28. Januar 1352 wurde den Herzogthümern
versprochen, daß mit der Ordnung der Angelegenheiten der Monarchie, unter
Beibehaltung und weiterer Ausbildung der alle Theile derselben umfassenden
wie der für einzelne Theile gegründeten Einrichtungen, in dem Geiste der Er¬
haltung und Verbesserung rechtlich bestehender Verhältnisse vorgeschritten wer¬
den solle.

Von diesem Geiste ist in den Maßregeln der Regierung in Schleswig
bisher auch keine Spur zu entdecken gewesen. Im Gegentheil: allenthalben
trat in denselben, sowol was die Gesetzgebung als was die Verwaltung be¬
trifft, die Absicht hervor, die im Herzogthum bestehenden Einrichtungen und
Verhältnisse ohne Rücksicht auf die Interessen des Landes und die Wünsche
des Volkes umzustürzen, um an deren Stelle dänische Einrichtungen, dänische


Grenzboten III. 1360. 57

ist nach völkerrechtlichen Grundsätzen aller aus jenem Abkommen herzuleiten¬
der Verbindlichkeiten frei und ledig. Es ist namentlich nicht mehr an das
Patent von 1852 gebunden. Es ist berechtigt, die Wiederherstellung des alten
Rechts Holsteins, dessen Realunion mit Schleswig und die Zurückführung bei¬
der Herzogthümer auf die bloße Personalunion mit dem Königreich Däne¬
mark zu verlangen, es ist durch Rücksichten des Interesses und der Ehre ver¬
pflichtet, die Erfüllung dieser Forderungen, sofern Dänemark sich weigert, bei
der ersten sich darbietenden Gelegenheit mit allem Nachdruck seiner Mittel und
Kräfte zu erzwingen.

Eines steht unzweifelhaft fest. Soll wirksam geholfen werden, so muß
ein andrer Weg betreten werden, als der jener falschen Correctheit, auf dem
sich die deutsche Politik bisher ohne vorwärts zu kommen bewegte. Man darf
sich nicht mehr scheuen, Schleswigs zu erwähnen. So lange man nur von
einem Holstein-Lauenburg spricht und diesen neu erfundenen Cvllectivcmsdruck
für die Sache gebraucht, um die es sich im Kriege handelte, über die Frieden
geschlossen wurde, für die noch jetzt das deutsche Volk allein sich begeistert, so
lange wird man vergeblich den Ausweg aus dem Labyrinth suchen, welches
die Staatsmänner der Reactionszeit, die Diplomaten von Olmütz uns als das
Werk ihrer Verlegenheit und ihrer Charakterschwäche hinterlassen haben.

Handhaben zur Vorbereitung entschiedener Schritte in dieser Angelegen¬
heit bieten sich bei einer Betrachtung der Zustände in Schleswig, zu deren
Schilderung, als unsrer eigentlichen Aufgabe, wir jetzt übergehn. Wir knüpfen
unsre Beispiele an einen Auszug aus der Adresse der deutschen Majorität in
der letzten schleswigschen Stündeversammlung, die lediglich deshalb von der
letztern nicht zum Beschluß erhoben wurde, weil der landesherrliche Commissär
die Verhandlungen über dieselbe untersagte und der Präsident der Versamm¬
lung die Schwäche besaß, sich diesem durchaus verfassungswidrigen Eingriff
in die Freiheit der Berathungen zu fügen.

Durch das Patent vom 28. Januar 1352 wurde den Herzogthümern
versprochen, daß mit der Ordnung der Angelegenheiten der Monarchie, unter
Beibehaltung und weiterer Ausbildung der alle Theile derselben umfassenden
wie der für einzelne Theile gegründeten Einrichtungen, in dem Geiste der Er¬
haltung und Verbesserung rechtlich bestehender Verhältnisse vorgeschritten wer¬
den solle.

Von diesem Geiste ist in den Maßregeln der Regierung in Schleswig
bisher auch keine Spur zu entdecken gewesen. Im Gegentheil: allenthalben
trat in denselben, sowol was die Gesetzgebung als was die Verwaltung be¬
trifft, die Absicht hervor, die im Herzogthum bestehenden Einrichtungen und
Verhältnisse ohne Rücksicht auf die Interessen des Landes und die Wünsche
des Volkes umzustürzen, um an deren Stelle dänische Einrichtungen, dänische


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[0461] ist nach völkerrechtlichen Grundsätzen aller aus jenem Abkommen herzuleiten¬ der Verbindlichkeiten frei und ledig. Es ist namentlich nicht mehr an das Patent von 1852 gebunden. Es ist berechtigt, die Wiederherstellung des alten Rechts Holsteins, dessen Realunion mit Schleswig und die Zurückführung bei¬ der Herzogthümer auf die bloße Personalunion mit dem Königreich Däne¬ mark zu verlangen, es ist durch Rücksichten des Interesses und der Ehre ver¬ pflichtet, die Erfüllung dieser Forderungen, sofern Dänemark sich weigert, bei der ersten sich darbietenden Gelegenheit mit allem Nachdruck seiner Mittel und Kräfte zu erzwingen. Eines steht unzweifelhaft fest. Soll wirksam geholfen werden, so muß ein andrer Weg betreten werden, als der jener falschen Correctheit, auf dem sich die deutsche Politik bisher ohne vorwärts zu kommen bewegte. Man darf sich nicht mehr scheuen, Schleswigs zu erwähnen. So lange man nur von einem Holstein-Lauenburg spricht und diesen neu erfundenen Cvllectivcmsdruck für die Sache gebraucht, um die es sich im Kriege handelte, über die Frieden geschlossen wurde, für die noch jetzt das deutsche Volk allein sich begeistert, so lange wird man vergeblich den Ausweg aus dem Labyrinth suchen, welches die Staatsmänner der Reactionszeit, die Diplomaten von Olmütz uns als das Werk ihrer Verlegenheit und ihrer Charakterschwäche hinterlassen haben. Handhaben zur Vorbereitung entschiedener Schritte in dieser Angelegen¬ heit bieten sich bei einer Betrachtung der Zustände in Schleswig, zu deren Schilderung, als unsrer eigentlichen Aufgabe, wir jetzt übergehn. Wir knüpfen unsre Beispiele an einen Auszug aus der Adresse der deutschen Majorität in der letzten schleswigschen Stündeversammlung, die lediglich deshalb von der letztern nicht zum Beschluß erhoben wurde, weil der landesherrliche Commissär die Verhandlungen über dieselbe untersagte und der Präsident der Versamm¬ lung die Schwäche besaß, sich diesem durchaus verfassungswidrigen Eingriff in die Freiheit der Berathungen zu fügen. Durch das Patent vom 28. Januar 1352 wurde den Herzogthümern versprochen, daß mit der Ordnung der Angelegenheiten der Monarchie, unter Beibehaltung und weiterer Ausbildung der alle Theile derselben umfassenden wie der für einzelne Theile gegründeten Einrichtungen, in dem Geiste der Er¬ haltung und Verbesserung rechtlich bestehender Verhältnisse vorgeschritten wer¬ den solle. Von diesem Geiste ist in den Maßregeln der Regierung in Schleswig bisher auch keine Spur zu entdecken gewesen. Im Gegentheil: allenthalben trat in denselben, sowol was die Gesetzgebung als was die Verwaltung be¬ trifft, die Absicht hervor, die im Herzogthum bestehenden Einrichtungen und Verhältnisse ohne Rücksicht auf die Interessen des Landes und die Wünsche des Volkes umzustürzen, um an deren Stelle dänische Einrichtungen, dänische Grenzboten III. 1360. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/461>, abgerufen am 25.07.2024.