Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.Die Dänen in Schleswig. "Es mangelte den Babyloniern nicht an Stärke, Reichthum und vielen So ließ sich einst Luther vernehmen, der bekanntlich auch in politischen Grenzvoten III. 1860. 56
Die Dänen in Schleswig. „Es mangelte den Babyloniern nicht an Stärke, Reichthum und vielen So ließ sich einst Luther vernehmen, der bekanntlich auch in politischen Grenzvoten III. 1860. 56
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Die Dänen in Schleswig.
„Es mangelte den Babyloniern nicht an Stärke, Reichthum und vielen
Unterthanen, gleichwol ging ihr Reich unter, denn es fehlten ihnen vorsichtige,
weise und beherzte Personen. Also wird es auch Deutschland gehn, welches
Kriegsvolk. Wehren und Pferde genugsam hat, aber es mangeln ihm beherzte
Leute, darum werden ohne diese viele Kriegsrüstungen nichts helfen."
So ließ sich einst Luther vernehmen, der bekanntlich auch in politischen
Angelegenheiten manch gutes Wort gesprochen, und es wird Leute geben,
welche meinen, daß die Prophezeiung auf das heutige Deutschland noch An¬
wendung leide. Diesen können wir nun zwar nicht unbedingt beipflichten,
da in unsern maßgebenden Kreisen die Tugend der Vorsicht ungewöhnlich
stark vertreten und, wie wir mit respectvoller Bereitwilligkeit annehmen, auch
Weisheit in hinreichendem Maße vorhanden ist. Indeß könnten uns doch in
Betreff des dritten Erfordernisses, auf das Luther nach seinem Charakter den
Haupttor legen mußte, und aus das er ihn. wie deutlich zu sehn, hier wirk¬
lich legt, nach allem, was in der letzten Zeit in Deutschland vorgegangen und
unterlassen worden ist, schwere Bedenken aufsteigen. Nicht, daß es uns an
natürlichem Muth fehlte. Wer wollte das zu behaupten wagen, wer hätte es
von Luthers Deutschen behaupten wollen? Aber denken wir an die, welche
für uns zu beschließen haben, sehen wir uns da um, von wo die Imitative
nusgehn müßte, so begegnen wir in Bezug auf alle Hauptfragen, die der Lö¬
sung harren, gutem, mindestens viel besserem Willen als früher, selten aber
oder nirgends jenem sichern, auf festes Selbstvertrauen gegründeten, einigen
und ungetheilten Willen, der den beherzter Mann macht, welchen wir brauchen.
Wir lesen vortreffliche Vordersätze, die sich wie Entschlüsse anhören, denen aber
ein Nachsatz folgt, welcher alles, worüber man sich zu freuen hatte, zur blo¬
ßen wohlwollenden Stimmung verflüchtigt. Wir finden eine stete Scheu vor
der That, ein stetes peinliches Schwanken zwischen Wenn und Aber, niemals
ein frisches, gläubiges Ergreifen der Gelegenheit, ein endgiltiges tapferes Trotz
alledem.
Grenzvoten III. 1860. 56
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