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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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dort ging er nach Cleveland in Ohio und dann wieder nach Jacksonville in
Illinois, wo er zuerst Gehilfe eines Auktionators, später Schulmeister war
und sich zuletzt 1834 als Advocat niederließ. Im Jahre 1835 trat er als
Mitglied des Repräsentantenhauses in den Kongreß, wurde nach Ablauf seiner
Dienstzeit Registrator des Landamtes zu Springfield in Illinois, 1840 Staats-
secretär dieses Staats und sieben Monate später Richter des höchsten Gerichts¬
hofs. Nach zwei Jahren legte er diese Stelle nieder und begann seine Lauf¬
bahn als nationaler Politiker von Neuem. Im Jahre 1843 wurde er wieder
in den Kongreß gewählt und war in der Orcgonfrage entschieden gegen Eng¬
land und später für den Krieg mit Mexico. Seit 1847 ist Douglas Senator
und suchte sich von 1850 an als einen der entschiedensten Compromißmänner
und Erfinder der jungamerikanischen Partei den Weg zum Präsidentenstuhle
zu bahnen Im Jnhrr 1857 besuchte er Europa, von wo er als unbedingter
Bewunderer Louis Napoleons wie des Kaisers Nicolaus zurückkehrte. Dem
letztern sagte er bei einer Revue in Petersburg: "Im ganzen westlichen
Europa sah ich nur Untergang und Verwesung, aber in Ew. Majestät Staaten
begegne ich überall der aufstrebenden, vielversprechenden Zukunft." Douglas
spricht und schreibt über jede politische Frage, agitirt in Volksversammlungen
und rechtfertigt seinen Beinamen: "Der kleine Niese" durch eine beispiellose
Thätigkeit und Energie. Schon 1852 fehlte wenig daran, daß er Präsident
geworden wäre, und jetzt sucht er sich die Nachfolge von Buchanan zu sichern.

Der Senator W. H, Seward aus dem Staate Newyork ist der uner¬
müdliche und ausgezeichnete Parteiführer der jüngern Republikaner; er gilt
im Süden von Nordamerika als der Urheber alles den südlichen Interessen
zugefügten Schadens und jeder neu losbrechenden Freiheitsbewegung. Von
allen jetzigen politischen Führern hat dieser Mann die größte Zukunft vor sich,
weil er nie mit den Sklavenhaltern paciscirte. Das Programm seiner Partei
wurde in folgende Grundsätze zusammengefaßt: daß 1. die Regierung verpflich¬
tet ist, das Leben, die Freiheit und Glückseligkeit der Menschen zu sichern;
2. daß die Union fortdauern soll; 3. daß die Regierung nicht berechtigt ist,
irgend einer Person ohne gerichtliches Verfahren das Leben oder die Freiheit
zu rauben; daß sie ebenso wenig ein Recht hat, jemanden zum Sklaven als
zum König zu machen, daß sie überhaupt sich von jeder Verantwortlichkeit für
das Fortbestehn der Sklaverei befreien soll; 4. daß kein neuer Staat mit
Sklaverei aufzunehmen, und keine Bundesgesetze für Auslieferung von Sklaven
existiren sollen; daß das Compromiß von 1850 über die Sklavenjagd in den
freien Staaten unverträglich mit allen Grundsätzen der Republikaner ist; 5. daß
das Banner der freien republikanischen Partei: "Freier Boden, freie Rede;
freie Arbeit und freie Menschen," umfasse.

Man hatte geglaubt, daß die Wahl zum Präsidentschaftscandidaten in


dort ging er nach Cleveland in Ohio und dann wieder nach Jacksonville in
Illinois, wo er zuerst Gehilfe eines Auktionators, später Schulmeister war
und sich zuletzt 1834 als Advocat niederließ. Im Jahre 1835 trat er als
Mitglied des Repräsentantenhauses in den Kongreß, wurde nach Ablauf seiner
Dienstzeit Registrator des Landamtes zu Springfield in Illinois, 1840 Staats-
secretär dieses Staats und sieben Monate später Richter des höchsten Gerichts¬
hofs. Nach zwei Jahren legte er diese Stelle nieder und begann seine Lauf¬
bahn als nationaler Politiker von Neuem. Im Jahre 1843 wurde er wieder
in den Kongreß gewählt und war in der Orcgonfrage entschieden gegen Eng¬
land und später für den Krieg mit Mexico. Seit 1847 ist Douglas Senator
und suchte sich von 1850 an als einen der entschiedensten Compromißmänner
und Erfinder der jungamerikanischen Partei den Weg zum Präsidentenstuhle
zu bahnen Im Jnhrr 1857 besuchte er Europa, von wo er als unbedingter
Bewunderer Louis Napoleons wie des Kaisers Nicolaus zurückkehrte. Dem
letztern sagte er bei einer Revue in Petersburg: „Im ganzen westlichen
Europa sah ich nur Untergang und Verwesung, aber in Ew. Majestät Staaten
begegne ich überall der aufstrebenden, vielversprechenden Zukunft." Douglas
spricht und schreibt über jede politische Frage, agitirt in Volksversammlungen
und rechtfertigt seinen Beinamen: „Der kleine Niese" durch eine beispiellose
Thätigkeit und Energie. Schon 1852 fehlte wenig daran, daß er Präsident
geworden wäre, und jetzt sucht er sich die Nachfolge von Buchanan zu sichern.

Der Senator W. H, Seward aus dem Staate Newyork ist der uner¬
müdliche und ausgezeichnete Parteiführer der jüngern Republikaner; er gilt
im Süden von Nordamerika als der Urheber alles den südlichen Interessen
zugefügten Schadens und jeder neu losbrechenden Freiheitsbewegung. Von
allen jetzigen politischen Führern hat dieser Mann die größte Zukunft vor sich,
weil er nie mit den Sklavenhaltern paciscirte. Das Programm seiner Partei
wurde in folgende Grundsätze zusammengefaßt: daß 1. die Regierung verpflich¬
tet ist, das Leben, die Freiheit und Glückseligkeit der Menschen zu sichern;
2. daß die Union fortdauern soll; 3. daß die Regierung nicht berechtigt ist,
irgend einer Person ohne gerichtliches Verfahren das Leben oder die Freiheit
zu rauben; daß sie ebenso wenig ein Recht hat, jemanden zum Sklaven als
zum König zu machen, daß sie überhaupt sich von jeder Verantwortlichkeit für
das Fortbestehn der Sklaverei befreien soll; 4. daß kein neuer Staat mit
Sklaverei aufzunehmen, und keine Bundesgesetze für Auslieferung von Sklaven
existiren sollen; daß das Compromiß von 1850 über die Sklavenjagd in den
freien Staaten unverträglich mit allen Grundsätzen der Republikaner ist; 5. daß
das Banner der freien republikanischen Partei: „Freier Boden, freie Rede;
freie Arbeit und freie Menschen," umfasse.

Man hatte geglaubt, daß die Wahl zum Präsidentschaftscandidaten in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/440>, abgerufen am 04.07.2024.