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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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sind Catcmzaro mit 14,000, Monteleone, am Mischen Meer gelegen, mit
7000, Crotone. das mächtige Kroton des Alterthums, mit 5000, und das durch
Murats Gefangennahme bekannte, auf einer Felsenspitze am Meerbusen von
Santa Eufemia erbaute Pizzo, ebenfalls mit 5000 Einwohnern. In der In¬
tendantur Calabria Ulteriore II endlich verdienen Erwähnung: Reggio, die
reichste Stadt des Königreichs Neapel, das alte Regina, mit 25,000, Gerace,
nicht fern von den Trümmern der altgriechischen Stadt Locri und berühmt
durch seinen vortrefflichen Wein, mit 4000. endlich das wohlhabende Städtchen
Palmi mit ungefähr 6000 Einwohnern.

Von Calabrien hat sich der Aufstand für die Sache Garibaldis, dem Zug
des Apennin nach Nordosten folgend, in die Provinzen Basilicata und Capi-
tcinata verbreitet, von welchen die erstere zu Theil desselben Charakters wie
Calabrien ist.

Das Basilicat, einst theils zu Lucanien. theils zu Großgriechenland
gehörig, hat nach der neuesten Zählung 412.000 Einwohner, und gehört, zu
einem Fünftel seines Areals mit Holz bedeckt, zu den waldreichsten Provinzen
Neapels. Die Hauptrichtung der Gebirgsmassen. welche es mit den Bergen
Calabnens verbinden, geht von Nordwest nach Südost, ihre höchsten Gipfel
erheben sich 5000 Fuß über das Meer. Die Thäler bilden nirgends größere
Ebenen, die bedeutendsten streichen von Nord nach Süd. Die sumpfigen Flächen
sind im Winter. Herbst und Frühling fast immer mit Nebeln bedeckt, und es
regnet in diesen Gegenden durchschnittlich dreimal mehr als in Neapel. Der
Pflanzenwuchs ist allenthalben sehr üppig, und obwol auch hier der Ackerbau
noch in der unbeholfensten urväterlichsten Weise betrieben wird, ist man im
Stande, Getreide über den Bedarf zu erbauen. In einigen Kreisen blüht der
Baumwollenbau außerordentlich, namentlich in den Maremmen und am Golf
von Talent, in andern wird viel Hanf und Flachs gewonnen. Der hier er¬
zeugte Wein ist ungemein stark, er würde vortrefflich sein, wenn man bei seiner
Bereitung mehr Sorgfalt anwendete. Rindvieh und Schafe gedeihen sehr wohl,
dagegen ist von eigentlicher Pferdezucht hier nicht die Rede. Die Bewohner
des Basilicats sind groß und stark, thätig, mäßig und talentvoll, aber jäh¬
zornig, eifersüchtig, wenig gastfrei und sehr wenig gesellig. Der Unterricht ist
selbst in den Städten sehr mangelhaft, das Leben des Landvolks ärmlich und
schmutzig. Die Wohlhabenden und Gebildeten verlangen von der niedern
Classe eine klägliche Unterwürfigkeit. Es gibt nur wenige kleine, dagegen viele
große Landgüter, die Mehrzahl der Lauern fristet ihre Existenz als Pächter.
Um Verbesserungen kümmert man sich wenig. Faun.enfcindschaften erben von
Geschlecht zu Geschlecht fort. In Aller Erinnern g ist das entsetzliche Erdbeben
von 1857. durch welches nicht weniger als 126,083 Menschen -- mehr als
ein Viertel der Bevölkerung des Basilicats! -- um das Leben kamen. Der


sind Catcmzaro mit 14,000, Monteleone, am Mischen Meer gelegen, mit
7000, Crotone. das mächtige Kroton des Alterthums, mit 5000, und das durch
Murats Gefangennahme bekannte, auf einer Felsenspitze am Meerbusen von
Santa Eufemia erbaute Pizzo, ebenfalls mit 5000 Einwohnern. In der In¬
tendantur Calabria Ulteriore II endlich verdienen Erwähnung: Reggio, die
reichste Stadt des Königreichs Neapel, das alte Regina, mit 25,000, Gerace,
nicht fern von den Trümmern der altgriechischen Stadt Locri und berühmt
durch seinen vortrefflichen Wein, mit 4000. endlich das wohlhabende Städtchen
Palmi mit ungefähr 6000 Einwohnern.

Von Calabrien hat sich der Aufstand für die Sache Garibaldis, dem Zug
des Apennin nach Nordosten folgend, in die Provinzen Basilicata und Capi-
tcinata verbreitet, von welchen die erstere zu Theil desselben Charakters wie
Calabrien ist.

Das Basilicat, einst theils zu Lucanien. theils zu Großgriechenland
gehörig, hat nach der neuesten Zählung 412.000 Einwohner, und gehört, zu
einem Fünftel seines Areals mit Holz bedeckt, zu den waldreichsten Provinzen
Neapels. Die Hauptrichtung der Gebirgsmassen. welche es mit den Bergen
Calabnens verbinden, geht von Nordwest nach Südost, ihre höchsten Gipfel
erheben sich 5000 Fuß über das Meer. Die Thäler bilden nirgends größere
Ebenen, die bedeutendsten streichen von Nord nach Süd. Die sumpfigen Flächen
sind im Winter. Herbst und Frühling fast immer mit Nebeln bedeckt, und es
regnet in diesen Gegenden durchschnittlich dreimal mehr als in Neapel. Der
Pflanzenwuchs ist allenthalben sehr üppig, und obwol auch hier der Ackerbau
noch in der unbeholfensten urväterlichsten Weise betrieben wird, ist man im
Stande, Getreide über den Bedarf zu erbauen. In einigen Kreisen blüht der
Baumwollenbau außerordentlich, namentlich in den Maremmen und am Golf
von Talent, in andern wird viel Hanf und Flachs gewonnen. Der hier er¬
zeugte Wein ist ungemein stark, er würde vortrefflich sein, wenn man bei seiner
Bereitung mehr Sorgfalt anwendete. Rindvieh und Schafe gedeihen sehr wohl,
dagegen ist von eigentlicher Pferdezucht hier nicht die Rede. Die Bewohner
des Basilicats sind groß und stark, thätig, mäßig und talentvoll, aber jäh¬
zornig, eifersüchtig, wenig gastfrei und sehr wenig gesellig. Der Unterricht ist
selbst in den Städten sehr mangelhaft, das Leben des Landvolks ärmlich und
schmutzig. Die Wohlhabenden und Gebildeten verlangen von der niedern
Classe eine klägliche Unterwürfigkeit. Es gibt nur wenige kleine, dagegen viele
große Landgüter, die Mehrzahl der Lauern fristet ihre Existenz als Pächter.
Um Verbesserungen kümmert man sich wenig. Faun.enfcindschaften erben von
Geschlecht zu Geschlecht fort. In Aller Erinnern g ist das entsetzliche Erdbeben
von 1857. durch welches nicht weniger als 126,083 Menschen — mehr als
ein Viertel der Bevölkerung des Basilicats! — um das Leben kamen. Der


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[0422] sind Catcmzaro mit 14,000, Monteleone, am Mischen Meer gelegen, mit 7000, Crotone. das mächtige Kroton des Alterthums, mit 5000, und das durch Murats Gefangennahme bekannte, auf einer Felsenspitze am Meerbusen von Santa Eufemia erbaute Pizzo, ebenfalls mit 5000 Einwohnern. In der In¬ tendantur Calabria Ulteriore II endlich verdienen Erwähnung: Reggio, die reichste Stadt des Königreichs Neapel, das alte Regina, mit 25,000, Gerace, nicht fern von den Trümmern der altgriechischen Stadt Locri und berühmt durch seinen vortrefflichen Wein, mit 4000. endlich das wohlhabende Städtchen Palmi mit ungefähr 6000 Einwohnern. Von Calabrien hat sich der Aufstand für die Sache Garibaldis, dem Zug des Apennin nach Nordosten folgend, in die Provinzen Basilicata und Capi- tcinata verbreitet, von welchen die erstere zu Theil desselben Charakters wie Calabrien ist. Das Basilicat, einst theils zu Lucanien. theils zu Großgriechenland gehörig, hat nach der neuesten Zählung 412.000 Einwohner, und gehört, zu einem Fünftel seines Areals mit Holz bedeckt, zu den waldreichsten Provinzen Neapels. Die Hauptrichtung der Gebirgsmassen. welche es mit den Bergen Calabnens verbinden, geht von Nordwest nach Südost, ihre höchsten Gipfel erheben sich 5000 Fuß über das Meer. Die Thäler bilden nirgends größere Ebenen, die bedeutendsten streichen von Nord nach Süd. Die sumpfigen Flächen sind im Winter. Herbst und Frühling fast immer mit Nebeln bedeckt, und es regnet in diesen Gegenden durchschnittlich dreimal mehr als in Neapel. Der Pflanzenwuchs ist allenthalben sehr üppig, und obwol auch hier der Ackerbau noch in der unbeholfensten urväterlichsten Weise betrieben wird, ist man im Stande, Getreide über den Bedarf zu erbauen. In einigen Kreisen blüht der Baumwollenbau außerordentlich, namentlich in den Maremmen und am Golf von Talent, in andern wird viel Hanf und Flachs gewonnen. Der hier er¬ zeugte Wein ist ungemein stark, er würde vortrefflich sein, wenn man bei seiner Bereitung mehr Sorgfalt anwendete. Rindvieh und Schafe gedeihen sehr wohl, dagegen ist von eigentlicher Pferdezucht hier nicht die Rede. Die Bewohner des Basilicats sind groß und stark, thätig, mäßig und talentvoll, aber jäh¬ zornig, eifersüchtig, wenig gastfrei und sehr wenig gesellig. Der Unterricht ist selbst in den Städten sehr mangelhaft, das Leben des Landvolks ärmlich und schmutzig. Die Wohlhabenden und Gebildeten verlangen von der niedern Classe eine klägliche Unterwürfigkeit. Es gibt nur wenige kleine, dagegen viele große Landgüter, die Mehrzahl der Lauern fristet ihre Existenz als Pächter. Um Verbesserungen kümmert man sich wenig. Faun.enfcindschaften erben von Geschlecht zu Geschlecht fort. In Aller Erinnern g ist das entsetzliche Erdbeben von 1857. durch welches nicht weniger als 126,083 Menschen — mehr als ein Viertel der Bevölkerung des Basilicats! — um das Leben kamen. Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/422>, abgerufen am 24.07.2024.