Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.ist. Sardinien hat außerhalb seines Staats Niemand, auf den es sich stützen kann, Freilich ist das alles nur eine schwache Hoffnung, da die Leidenschaften Dies sind die wahren Verhältnisse Oestreichs; sie sind von der Art, daß ist. Sardinien hat außerhalb seines Staats Niemand, auf den es sich stützen kann, Freilich ist das alles nur eine schwache Hoffnung, da die Leidenschaften Dies sind die wahren Verhältnisse Oestreichs; sie sind von der Art, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0419" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110225"/> <p xml:id="ID_1246" prev="#ID_1245"> ist. Sardinien hat außerhalb seines Staats Niemand, auf den es sich stützen kann,<lb/> für Frankreich ist es nur ein Werkzeug, England bietet immer nur schwache<lb/> Hilfe, und wenn die Revolution nicht blos Neapel, wenn sie auch den Kirchen¬<lb/> staat überflutet, so entsteht zwar eine große, unförmliche Masse, aber kein<lb/> regierungsfähiger Staat. Der Umfang, den Sardinien, bisher erreicht hat,<lb/> ist bedeutend genug, um für mehre Jahre der innern Organisation Spiel¬<lb/> raum zu lassen, und ob dieser Staat selbst durch Neapel verstärkt werden würde,<lb/> ist sehr die Frage. Es wäre nicht unmöglich, daß Sardinien, in seinem gegen¬<lb/> wärtigen Besitzstand durch europäische Garantien gesichert, den weitem Ehr¬<lb/> geiz vertagte. — Ferner scheint uns klar, daß auch der große Name Garibaldis<lb/> und der Enthusiasmus ohne Organisation dem organisirten Staat nicht ernst¬<lb/> lich widerstehn können, sobald der letztere sich wirklich entscheidet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1247"> Freilich ist das alles nur eine schwache Hoffnung, da die Leidenschaften<lb/> sich nur schwer der Einsicht fügen. Die andere Seite ist aber folgende.<lb/> Wenn der Conflict nicht verhütet wird, so setzt Sardinien allerdings seine<lb/> ganze Existenz auss Spiel, aber mit Oestreich ist es nicht anders. Läßt sich<lb/> Oestreich zum Angriff verleiten, so setzt es sich der Gefahr einer Koalition<lb/> aus; wartet es aber ruhig ab, bis ganz Italien sich geeinigt hat, läßt es<lb/> vielleicht Jahre 'darüber hingehn. bevor dieses Italien mit seinen militäri¬<lb/> schen Rüstungen so weit fertig ist, um dann den Angriff auf Venedig zu<lb/> unternehmen, so steht es in einer noch schlimmern Lage als heute.</p><lb/> <p xml:id="ID_1248"> Dies sind die wahren Verhältnisse Oestreichs; sie sind von der Art, daß<lb/> wir um unsrer eignen Existenz willen jede zu innige Verflechtung mit seinen<lb/> Interessen vermeiden müssen, und daß wir das Recht und die Pflicht haben,<lb/> sür jeden Beistand, den wir bieten, ernste Zugeständnisse zu fordern. Es gibt<lb/> nur ein Zugeständnis das uns befriedigen kann: daß nämlich Oestreich uns<lb/> keine Schwierigkeit macht, uns in der angegebenen Weise unabhängig zu con-<lb/> stituiren; und diese Ueberzeugung im Volk zu verbreiten, ist die Hauptauf¬<lb/><note type="byline"> 1-</note> gabe des Nationalvereins. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0419]
ist. Sardinien hat außerhalb seines Staats Niemand, auf den es sich stützen kann,
für Frankreich ist es nur ein Werkzeug, England bietet immer nur schwache
Hilfe, und wenn die Revolution nicht blos Neapel, wenn sie auch den Kirchen¬
staat überflutet, so entsteht zwar eine große, unförmliche Masse, aber kein
regierungsfähiger Staat. Der Umfang, den Sardinien, bisher erreicht hat,
ist bedeutend genug, um für mehre Jahre der innern Organisation Spiel¬
raum zu lassen, und ob dieser Staat selbst durch Neapel verstärkt werden würde,
ist sehr die Frage. Es wäre nicht unmöglich, daß Sardinien, in seinem gegen¬
wärtigen Besitzstand durch europäische Garantien gesichert, den weitem Ehr¬
geiz vertagte. — Ferner scheint uns klar, daß auch der große Name Garibaldis
und der Enthusiasmus ohne Organisation dem organisirten Staat nicht ernst¬
lich widerstehn können, sobald der letztere sich wirklich entscheidet.
Freilich ist das alles nur eine schwache Hoffnung, da die Leidenschaften
sich nur schwer der Einsicht fügen. Die andere Seite ist aber folgende.
Wenn der Conflict nicht verhütet wird, so setzt Sardinien allerdings seine
ganze Existenz auss Spiel, aber mit Oestreich ist es nicht anders. Läßt sich
Oestreich zum Angriff verleiten, so setzt es sich der Gefahr einer Koalition
aus; wartet es aber ruhig ab, bis ganz Italien sich geeinigt hat, läßt es
vielleicht Jahre 'darüber hingehn. bevor dieses Italien mit seinen militäri¬
schen Rüstungen so weit fertig ist, um dann den Angriff auf Venedig zu
unternehmen, so steht es in einer noch schlimmern Lage als heute.
Dies sind die wahren Verhältnisse Oestreichs; sie sind von der Art, daß
wir um unsrer eignen Existenz willen jede zu innige Verflechtung mit seinen
Interessen vermeiden müssen, und daß wir das Recht und die Pflicht haben,
sür jeden Beistand, den wir bieten, ernste Zugeständnisse zu fordern. Es gibt
nur ein Zugeständnis das uns befriedigen kann: daß nämlich Oestreich uns
keine Schwierigkeit macht, uns in der angegebenen Weise unabhängig zu con-
stituiren; und diese Ueberzeugung im Volk zu verbreiten, ist die Hauptauf¬
1- gabe des Nationalvereins.
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