Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und macht das persönliche Interesse zur Basis der Gesetzgebung, Wenn der
Westen jetzt nicht ohne Sklaverei angesiedelt werden kann, so möge er lieber
bis auf bessere Zeiten in seinem gegenwärtigen Zustande bleiben. Selbst kein
Südländer wird die Sklaverei und den Sklavenhandel principiell zu verthei¬
digen wagen; mögen sie darum auf die ursprünglichen Sklavenstanten beschränkt
bleiben, und uns ein solcher Beschluß vor den Borwürfen der Zukunft schützen."

Nach einer dreitägigen heftigen Debatte drang der Antrag von Tallmadge
mit 87 gegen 76 Stimmen durch. Doch als die Bill an den Senat kam,
wurde die Bestimmung gegen die fernere Stlaveneinfuhr mit 22 gegen 16 Stim¬
men gestrichen, und die Clausel für die Emancipation der Kinder, sobald sie
25 Jahre alt geworden, erhielt nur sieben Stimmen. Als in dem folgenden
Kongresse die desfallsigen Verhandlungen fortgesetzt wurden, gewann man im
Repräsentantenhause vier nördliche Mitglieder fürs Compromiß und drei, dar¬
unter zwei von Newyork, entfernten sich bei der Abstimmung. Durch dieses
Manöver gelang es mit 90 gegen 87 Stimmen, das Verbot der Sklaverei in
Missouri zu streichen, statt dessen aber wurde dieselbe von allen nördlich vom
36. Breitengrade gelegenen Territorien mit 134 gegen 42 Stimmen ausgeschlossen.
Unter den letztem befanden sich 35 südliche, welche dem Congresse die Befug¬
nis) zur Erlassung eines solchen Gesetzes bestritten, und fünf nördliche, denen
es nicht weit und umfassend genug war. Missouri trat jetzt als unabhängiger
Staat in die Union ein, und im Einklange damit fügte man dem Titel 'der
Missvuribill die Worte bei: "Und Sklavereiverbot in gewissen Territorien."
So passirte die Bill beide Häuser in der Nacht vom 2. auf den 3, März 1820.

Der Süden betrachtete den Eintritt von Missouri als Sklavenstaat in die
Union als einen großen Triumph, und zwar mit vollem Recht. Während
vom Anfang der Union an die freien Staaten den Sklavenstaaten immer
um einen überlegen waren und während bei der Aufnahme von neuen Staa¬
ten immer ein nördlicher und südlicher zugleich aufgenommen wurden, brach
das Missouricompromiß das alte Balancirsystem und stellte die freien Staa¬
ten den Sklavenstaaten durch die Zulassung von Missouri auch der Zahl
nach im Senate gleich. In ihm schlössen der Norden und der Süden einen
Waffenstillstand auf unbestimmte Zeit ab; denn das Mißtrauen, welches sich
früher mehr instinktiv als bewußt ausgesprochen hatte, zeigte sich bei der Aus¬
nahme von Missouri zuerst unverholen und offen. Beide Theile wurden hier
zuerst die schroffe Kluft gewahr, die sie für alle Zeiten von einander trennen
mußte. Das mühsam hergestellte Gleichgewicht wurde durch jeden neu zu
machenden Erwerb wieder in Frage gestellt. Je intensiver sich der Norden
entwickelte, desto extensiver suchte der Süden zu werden, und so ward jedes
Mal, so oft es sich um Ausnahme eines neuen Staates oder um den Erwerb
eines neuen Gebietes handelte, die Sklavenfrage zur Frage des politischen


und macht das persönliche Interesse zur Basis der Gesetzgebung, Wenn der
Westen jetzt nicht ohne Sklaverei angesiedelt werden kann, so möge er lieber
bis auf bessere Zeiten in seinem gegenwärtigen Zustande bleiben. Selbst kein
Südländer wird die Sklaverei und den Sklavenhandel principiell zu verthei¬
digen wagen; mögen sie darum auf die ursprünglichen Sklavenstanten beschränkt
bleiben, und uns ein solcher Beschluß vor den Borwürfen der Zukunft schützen."

Nach einer dreitägigen heftigen Debatte drang der Antrag von Tallmadge
mit 87 gegen 76 Stimmen durch. Doch als die Bill an den Senat kam,
wurde die Bestimmung gegen die fernere Stlaveneinfuhr mit 22 gegen 16 Stim¬
men gestrichen, und die Clausel für die Emancipation der Kinder, sobald sie
25 Jahre alt geworden, erhielt nur sieben Stimmen. Als in dem folgenden
Kongresse die desfallsigen Verhandlungen fortgesetzt wurden, gewann man im
Repräsentantenhause vier nördliche Mitglieder fürs Compromiß und drei, dar¬
unter zwei von Newyork, entfernten sich bei der Abstimmung. Durch dieses
Manöver gelang es mit 90 gegen 87 Stimmen, das Verbot der Sklaverei in
Missouri zu streichen, statt dessen aber wurde dieselbe von allen nördlich vom
36. Breitengrade gelegenen Territorien mit 134 gegen 42 Stimmen ausgeschlossen.
Unter den letztem befanden sich 35 südliche, welche dem Congresse die Befug¬
nis) zur Erlassung eines solchen Gesetzes bestritten, und fünf nördliche, denen
es nicht weit und umfassend genug war. Missouri trat jetzt als unabhängiger
Staat in die Union ein, und im Einklange damit fügte man dem Titel 'der
Missvuribill die Worte bei: „Und Sklavereiverbot in gewissen Territorien."
So passirte die Bill beide Häuser in der Nacht vom 2. auf den 3, März 1820.

Der Süden betrachtete den Eintritt von Missouri als Sklavenstaat in die
Union als einen großen Triumph, und zwar mit vollem Recht. Während
vom Anfang der Union an die freien Staaten den Sklavenstaaten immer
um einen überlegen waren und während bei der Aufnahme von neuen Staa¬
ten immer ein nördlicher und südlicher zugleich aufgenommen wurden, brach
das Missouricompromiß das alte Balancirsystem und stellte die freien Staa¬
ten den Sklavenstaaten durch die Zulassung von Missouri auch der Zahl
nach im Senate gleich. In ihm schlössen der Norden und der Süden einen
Waffenstillstand auf unbestimmte Zeit ab; denn das Mißtrauen, welches sich
früher mehr instinktiv als bewußt ausgesprochen hatte, zeigte sich bei der Aus¬
nahme von Missouri zuerst unverholen und offen. Beide Theile wurden hier
zuerst die schroffe Kluft gewahr, die sie für alle Zeiten von einander trennen
mußte. Das mühsam hergestellte Gleichgewicht wurde durch jeden neu zu
machenden Erwerb wieder in Frage gestellt. Je intensiver sich der Norden
entwickelte, desto extensiver suchte der Süden zu werden, und so ward jedes
Mal, so oft es sich um Ausnahme eines neuen Staates oder um den Erwerb
eines neuen Gebietes handelte, die Sklavenfrage zur Frage des politischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110212"/>
          <p xml:id="ID_1195" prev="#ID_1194"> und macht das persönliche Interesse zur Basis der Gesetzgebung, Wenn der<lb/>
Westen jetzt nicht ohne Sklaverei angesiedelt werden kann, so möge er lieber<lb/>
bis auf bessere Zeiten in seinem gegenwärtigen Zustande bleiben. Selbst kein<lb/>
Südländer wird die Sklaverei und den Sklavenhandel principiell zu verthei¬<lb/>
digen wagen; mögen sie darum auf die ursprünglichen Sklavenstanten beschränkt<lb/>
bleiben, und uns ein solcher Beschluß vor den Borwürfen der Zukunft schützen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1196"> Nach einer dreitägigen heftigen Debatte drang der Antrag von Tallmadge<lb/>
mit 87 gegen 76 Stimmen durch. Doch als die Bill an den Senat kam,<lb/>
wurde die Bestimmung gegen die fernere Stlaveneinfuhr mit 22 gegen 16 Stim¬<lb/>
men gestrichen, und die Clausel für die Emancipation der Kinder, sobald sie<lb/>
25 Jahre alt geworden, erhielt nur sieben Stimmen. Als in dem folgenden<lb/>
Kongresse die desfallsigen Verhandlungen fortgesetzt wurden, gewann man im<lb/>
Repräsentantenhause vier nördliche Mitglieder fürs Compromiß und drei, dar¬<lb/>
unter zwei von Newyork, entfernten sich bei der Abstimmung. Durch dieses<lb/>
Manöver gelang es mit 90 gegen 87 Stimmen, das Verbot der Sklaverei in<lb/>
Missouri zu streichen, statt dessen aber wurde dieselbe von allen nördlich vom<lb/>
36. Breitengrade gelegenen Territorien mit 134 gegen 42 Stimmen ausgeschlossen.<lb/>
Unter den letztem befanden sich 35 südliche, welche dem Congresse die Befug¬<lb/>
nis) zur Erlassung eines solchen Gesetzes bestritten, und fünf nördliche, denen<lb/>
es nicht weit und umfassend genug war. Missouri trat jetzt als unabhängiger<lb/>
Staat in die Union ein, und im Einklange damit fügte man dem Titel 'der<lb/>
Missvuribill die Worte bei: &#x201E;Und Sklavereiverbot in gewissen Territorien."<lb/>
So passirte die Bill beide Häuser in der Nacht vom 2. auf den 3, März 1820.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1197" next="#ID_1198"> Der Süden betrachtete den Eintritt von Missouri als Sklavenstaat in die<lb/>
Union als einen großen Triumph, und zwar mit vollem Recht. Während<lb/>
vom Anfang der Union an die freien Staaten den Sklavenstaaten immer<lb/>
um einen überlegen waren und während bei der Aufnahme von neuen Staa¬<lb/>
ten immer ein nördlicher und südlicher zugleich aufgenommen wurden, brach<lb/>
das Missouricompromiß das alte Balancirsystem und stellte die freien Staa¬<lb/>
ten den Sklavenstaaten durch die Zulassung von Missouri auch der Zahl<lb/>
nach im Senate gleich. In ihm schlössen der Norden und der Süden einen<lb/>
Waffenstillstand auf unbestimmte Zeit ab; denn das Mißtrauen, welches sich<lb/>
früher mehr instinktiv als bewußt ausgesprochen hatte, zeigte sich bei der Aus¬<lb/>
nahme von Missouri zuerst unverholen und offen. Beide Theile wurden hier<lb/>
zuerst die schroffe Kluft gewahr, die sie für alle Zeiten von einander trennen<lb/>
mußte. Das mühsam hergestellte Gleichgewicht wurde durch jeden neu zu<lb/>
machenden Erwerb wieder in Frage gestellt. Je intensiver sich der Norden<lb/>
entwickelte, desto extensiver suchte der Süden zu werden, und so ward jedes<lb/>
Mal, so oft es sich um Ausnahme eines neuen Staates oder um den Erwerb<lb/>
eines neuen Gebietes handelte, die Sklavenfrage zur Frage des politischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0406] und macht das persönliche Interesse zur Basis der Gesetzgebung, Wenn der Westen jetzt nicht ohne Sklaverei angesiedelt werden kann, so möge er lieber bis auf bessere Zeiten in seinem gegenwärtigen Zustande bleiben. Selbst kein Südländer wird die Sklaverei und den Sklavenhandel principiell zu verthei¬ digen wagen; mögen sie darum auf die ursprünglichen Sklavenstanten beschränkt bleiben, und uns ein solcher Beschluß vor den Borwürfen der Zukunft schützen." Nach einer dreitägigen heftigen Debatte drang der Antrag von Tallmadge mit 87 gegen 76 Stimmen durch. Doch als die Bill an den Senat kam, wurde die Bestimmung gegen die fernere Stlaveneinfuhr mit 22 gegen 16 Stim¬ men gestrichen, und die Clausel für die Emancipation der Kinder, sobald sie 25 Jahre alt geworden, erhielt nur sieben Stimmen. Als in dem folgenden Kongresse die desfallsigen Verhandlungen fortgesetzt wurden, gewann man im Repräsentantenhause vier nördliche Mitglieder fürs Compromiß und drei, dar¬ unter zwei von Newyork, entfernten sich bei der Abstimmung. Durch dieses Manöver gelang es mit 90 gegen 87 Stimmen, das Verbot der Sklaverei in Missouri zu streichen, statt dessen aber wurde dieselbe von allen nördlich vom 36. Breitengrade gelegenen Territorien mit 134 gegen 42 Stimmen ausgeschlossen. Unter den letztem befanden sich 35 südliche, welche dem Congresse die Befug¬ nis) zur Erlassung eines solchen Gesetzes bestritten, und fünf nördliche, denen es nicht weit und umfassend genug war. Missouri trat jetzt als unabhängiger Staat in die Union ein, und im Einklange damit fügte man dem Titel 'der Missvuribill die Worte bei: „Und Sklavereiverbot in gewissen Territorien." So passirte die Bill beide Häuser in der Nacht vom 2. auf den 3, März 1820. Der Süden betrachtete den Eintritt von Missouri als Sklavenstaat in die Union als einen großen Triumph, und zwar mit vollem Recht. Während vom Anfang der Union an die freien Staaten den Sklavenstaaten immer um einen überlegen waren und während bei der Aufnahme von neuen Staa¬ ten immer ein nördlicher und südlicher zugleich aufgenommen wurden, brach das Missouricompromiß das alte Balancirsystem und stellte die freien Staa¬ ten den Sklavenstaaten durch die Zulassung von Missouri auch der Zahl nach im Senate gleich. In ihm schlössen der Norden und der Süden einen Waffenstillstand auf unbestimmte Zeit ab; denn das Mißtrauen, welches sich früher mehr instinktiv als bewußt ausgesprochen hatte, zeigte sich bei der Aus¬ nahme von Missouri zuerst unverholen und offen. Beide Theile wurden hier zuerst die schroffe Kluft gewahr, die sie für alle Zeiten von einander trennen mußte. Das mühsam hergestellte Gleichgewicht wurde durch jeden neu zu machenden Erwerb wieder in Frage gestellt. Je intensiver sich der Norden entwickelte, desto extensiver suchte der Süden zu werden, und so ward jedes Mal, so oft es sich um Ausnahme eines neuen Staates oder um den Erwerb eines neuen Gebietes handelte, die Sklavenfrage zur Frage des politischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/406
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/406>, abgerufen am 04.07.2024.