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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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verboten war (der Wirth, bei dem gespielt wurde, konnte wegen vorgekomme¬
ner Ungcbührnisse, selbst wegen Beraubung nicht klagen und ein Gesetz Justi-
nians gestattete sogar, das verlorene Geld zurückzufordern), so waren die Ae-
dilen auch in dieser Beziehung ein Schrecken solcher Verstecke. Daß ferner der
Vertrieb von Giften und schädlichen Mcdiccnnenten, das Bestatter der Leichen
innerhalb der Stadt und überhaupt jeder dem leiblichen Wohle der Bürger
zugefügte Schaden Polizeistrafen unterlag, sei nur der Vollständigkeit wegen
erwähnt. Mehr Interesse gewähren die vergeblichen Anstrengungen, die von
Seiten der Legislation gemacht wurden, um dem Luxus zu steuern. Die Cen¬
soren suchten dem übertriebenen Aufwande durch einzelne Rügen oder allgemeine
Verbote zu wehren, deren Aufrechterhaltung dann dem Geschäftskreise der
Aedilen anheimfiel. Noch 275 v. Chr. wurde ein angesehener Mann aus
dem Senate gestoßen, weil sein Silbergeschirr zehn Pfund wog! Im Jahre
125 zogen die Censoren einen Augur zur Rechenschaft, weil derselbe 300 Thlr.
Miethe für seine Wohnung bezahlte. Von der strengen Censur eines Grac-
chus (169 v. Chr.) erzählt Plutarch, daß, wenn er von einem Gastmahle heim¬
kehrend durch die Straßen ging, die Leute die Lichter auslöschten, um nicht
in den Verdacht später Trinkgesellschaften zu kommen! Was vorzugsweise die
Tafclgenüsse betrifft, so stammte schon aus uralter Zeit das Verbot schuppen-
loser Fische, wodurch man die theuern Seefische fern halten wollte. Ein andres
Gesetz (161 v. Chr.) erlaubte für gewöhnlich nur drei Gäste, beschränkte die
Kosten der Mahlzeit aus 1 Thlr. 20 Sgr. für die Festtage, auf 15 Sgr. für
zehn Tage in jedem Monate und auf 5 Sgr. für die übrigen und verbot für
mehr als ungefähr 13 Sgr. Einkäufe an Lebensmitteln auf dem Markte zu
machen. Ter Genuß gemästeter Hennen und Haselmäuse, Schweineeuter,
Wlldschweinsköpfe und gewisse Weine und Salben waren besonders verpönt
und wurden wahrscheinlich von den Aedilen confiscire. Auch der Dictator
Sulla suchte durch Erneuerung der alten Polizeivorschriften und durch neue
Bestimmungen den breiten Strom der Verschwendung zu hemmen. Er gestattete
für Werkeltage nur drei Pfund geräuchertes Fleisch und ein Pfund Salzsische
und publicirte eine unendliche Liste von Fischen, Saucen, Gerichten, Brühen,
mit den Taxen, so daß Makrobius mit Recht behauptet, er habe dadurch die Lecker-
haftigkeit eher vermehrt als vermindert; überdies gab er den Aermern durch Herab¬
setzung der Preise nur die Gelegenheit, sich die feinen Leckerbissen auch verschaffen
zu können. Am vernünftigsten verfuhr später Tiberius in einer Zeit noch kolossa¬
lerer Ueppigkeit. Er verbot zwar Speisegeräthe aus gediegenem Golde und
seidene Gewänder als Münnertracht; als aber die Aedilen in ihn drangen,
mit noch größerer Schärfe einzugreifen, wies er diese Zumuthung zurück, wol
fühlend, daß eine Reform des sittlichen Lebens nicht von der Polizei ausgehn
könne, und schob denselben die Handhabung der Luxusgesetze wieder zu. Am


verboten war (der Wirth, bei dem gespielt wurde, konnte wegen vorgekomme¬
ner Ungcbührnisse, selbst wegen Beraubung nicht klagen und ein Gesetz Justi-
nians gestattete sogar, das verlorene Geld zurückzufordern), so waren die Ae-
dilen auch in dieser Beziehung ein Schrecken solcher Verstecke. Daß ferner der
Vertrieb von Giften und schädlichen Mcdiccnnenten, das Bestatter der Leichen
innerhalb der Stadt und überhaupt jeder dem leiblichen Wohle der Bürger
zugefügte Schaden Polizeistrafen unterlag, sei nur der Vollständigkeit wegen
erwähnt. Mehr Interesse gewähren die vergeblichen Anstrengungen, die von
Seiten der Legislation gemacht wurden, um dem Luxus zu steuern. Die Cen¬
soren suchten dem übertriebenen Aufwande durch einzelne Rügen oder allgemeine
Verbote zu wehren, deren Aufrechterhaltung dann dem Geschäftskreise der
Aedilen anheimfiel. Noch 275 v. Chr. wurde ein angesehener Mann aus
dem Senate gestoßen, weil sein Silbergeschirr zehn Pfund wog! Im Jahre
125 zogen die Censoren einen Augur zur Rechenschaft, weil derselbe 300 Thlr.
Miethe für seine Wohnung bezahlte. Von der strengen Censur eines Grac-
chus (169 v. Chr.) erzählt Plutarch, daß, wenn er von einem Gastmahle heim¬
kehrend durch die Straßen ging, die Leute die Lichter auslöschten, um nicht
in den Verdacht später Trinkgesellschaften zu kommen! Was vorzugsweise die
Tafclgenüsse betrifft, so stammte schon aus uralter Zeit das Verbot schuppen-
loser Fische, wodurch man die theuern Seefische fern halten wollte. Ein andres
Gesetz (161 v. Chr.) erlaubte für gewöhnlich nur drei Gäste, beschränkte die
Kosten der Mahlzeit aus 1 Thlr. 20 Sgr. für die Festtage, auf 15 Sgr. für
zehn Tage in jedem Monate und auf 5 Sgr. für die übrigen und verbot für
mehr als ungefähr 13 Sgr. Einkäufe an Lebensmitteln auf dem Markte zu
machen. Ter Genuß gemästeter Hennen und Haselmäuse, Schweineeuter,
Wlldschweinsköpfe und gewisse Weine und Salben waren besonders verpönt
und wurden wahrscheinlich von den Aedilen confiscire. Auch der Dictator
Sulla suchte durch Erneuerung der alten Polizeivorschriften und durch neue
Bestimmungen den breiten Strom der Verschwendung zu hemmen. Er gestattete
für Werkeltage nur drei Pfund geräuchertes Fleisch und ein Pfund Salzsische
und publicirte eine unendliche Liste von Fischen, Saucen, Gerichten, Brühen,
mit den Taxen, so daß Makrobius mit Recht behauptet, er habe dadurch die Lecker-
haftigkeit eher vermehrt als vermindert; überdies gab er den Aermern durch Herab¬
setzung der Preise nur die Gelegenheit, sich die feinen Leckerbissen auch verschaffen
zu können. Am vernünftigsten verfuhr später Tiberius in einer Zeit noch kolossa¬
lerer Ueppigkeit. Er verbot zwar Speisegeräthe aus gediegenem Golde und
seidene Gewänder als Münnertracht; als aber die Aedilen in ihn drangen,
mit noch größerer Schärfe einzugreifen, wies er diese Zumuthung zurück, wol
fühlend, daß eine Reform des sittlichen Lebens nicht von der Polizei ausgehn
könne, und schob denselben die Handhabung der Luxusgesetze wieder zu. Am


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/382>, abgerufen am 25.07.2024.