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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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ringenden Wirren des Jahres neun und vierzig nur matt und trüb leuchtete,
vorbeigegangen zu sehn.

Es wäre ungeschickt und ungerecht, da, wo uns obliegt unsere beiden
größten Dichter zu ehren, sie sich gegenüber zu stellen und abzuwägen, ob und
wo der eine den andern, um Armlänge oder Handbreite, überrage. Im Leben
haben sie zusammengestanden, sich einander erhöhend, ergänzend, erfüllend,
beide die göttliche Gabe vor der Welt entfaltet, die ihnen einwohnte. Nur
das ist nicht zu verkennen, daß wie Goethe Schillern zehn Jahre vorausging
er ihn beinahe noch dreißig Jahre lang überlebte. Gegen Schillers auf kür¬
zere Frist gedrängte, um so gewaltigere und unaufhaltsame Laufbahn, er¬
scheint Goethes Einwirkung ruhiger, dauernder.

Eines großen, der Nachwelt geheiligten Mannes Standbild soll im An¬
gesicht der täglich vorüberwandelndcn Menge, da. wo sich zahllose Schritte be¬
gegnen, auf Plätzen volkreicher Städte errichtet werden. In Berlin, der Königs¬
stadt, wenn sich an ihrem weitesten öffentlichen Raume Schillers Denkmal
erhebt, darf das von Goethe nicht unerhoben bleiben und die Kraft, welche
jenes hervorruft, wird auch diesem nicht fehlen. Das fühlen alle, nicht nur
in Preußen, in ganz Deutschland. Denn vor diesen Dichtern., die beide un¬
serer Sprache ein fernreichendes Gebiet erobert und sie für immer vergeistigt
haben, weicht aller landschaftliche Unterschied zurück. Durch sie sind wir ein
vorangehendes Volk geworden.

Sobald die Kohle" sich decken, die ein würdiges Denkmal erheischt, kön¬
nen die Künstler auserlesen werden und zu schaffen beginnen. Des Prinz-
regenten Gnade hat bereits einen ansehnlichen Beitrag verwilligt, der als
Grundlage aller weiteren muß angesehen werden. Zu diesen aber darf selbst in
unserer Zeit, die mehr als ein Standbild im Auge hat und damit alte Schuld
abträgt, vertrauensvoll aufgefordert werden, weil wir an die Hauptschuld
mahnen. Möge die erwünschte Unterstützung, wie nach langer Dürre erquicken¬
der Regen trieft, mild und freigebig zufließen.

Das Comite zur Errichtung eines Goethe-Denkmals in Berlin.
Der Vorsitzende: Jacob Grimm.
Mitglieder.

Ed. August, Dr., Gymnasialdir. Bloeiner, Ob.-Trib-Rath. A. Boeckti,
Geh. Reg.-Rath und Prof. Albert Borsig, Comm.-Rath. Le Coq. Kauft
manu. Fr. Drute. Prof. Duncker. Comm.-Rath, Ewald. Historien¬
maler. M. Geiß. Fabrikbesitzer. F.W. Gubitz. Prof. Ernst Guhl, Prof.
I. Guttentag. Verlags-Buchhändler. Ed. Grell. Prof. Hermann
Grimm. Hugo Haager. Bildhauer. Herbig. Prof.. Vice-Dir. Hitzig.
Baurath. H. G. Hotho.Prof. V.Hülsen. General-Intendant. v.d.Hute.


ringenden Wirren des Jahres neun und vierzig nur matt und trüb leuchtete,
vorbeigegangen zu sehn.

Es wäre ungeschickt und ungerecht, da, wo uns obliegt unsere beiden
größten Dichter zu ehren, sie sich gegenüber zu stellen und abzuwägen, ob und
wo der eine den andern, um Armlänge oder Handbreite, überrage. Im Leben
haben sie zusammengestanden, sich einander erhöhend, ergänzend, erfüllend,
beide die göttliche Gabe vor der Welt entfaltet, die ihnen einwohnte. Nur
das ist nicht zu verkennen, daß wie Goethe Schillern zehn Jahre vorausging
er ihn beinahe noch dreißig Jahre lang überlebte. Gegen Schillers auf kür¬
zere Frist gedrängte, um so gewaltigere und unaufhaltsame Laufbahn, er¬
scheint Goethes Einwirkung ruhiger, dauernder.

Eines großen, der Nachwelt geheiligten Mannes Standbild soll im An¬
gesicht der täglich vorüberwandelndcn Menge, da. wo sich zahllose Schritte be¬
gegnen, auf Plätzen volkreicher Städte errichtet werden. In Berlin, der Königs¬
stadt, wenn sich an ihrem weitesten öffentlichen Raume Schillers Denkmal
erhebt, darf das von Goethe nicht unerhoben bleiben und die Kraft, welche
jenes hervorruft, wird auch diesem nicht fehlen. Das fühlen alle, nicht nur
in Preußen, in ganz Deutschland. Denn vor diesen Dichtern., die beide un¬
serer Sprache ein fernreichendes Gebiet erobert und sie für immer vergeistigt
haben, weicht aller landschaftliche Unterschied zurück. Durch sie sind wir ein
vorangehendes Volk geworden.

Sobald die Kohle» sich decken, die ein würdiges Denkmal erheischt, kön¬
nen die Künstler auserlesen werden und zu schaffen beginnen. Des Prinz-
regenten Gnade hat bereits einen ansehnlichen Beitrag verwilligt, der als
Grundlage aller weiteren muß angesehen werden. Zu diesen aber darf selbst in
unserer Zeit, die mehr als ein Standbild im Auge hat und damit alte Schuld
abträgt, vertrauensvoll aufgefordert werden, weil wir an die Hauptschuld
mahnen. Möge die erwünschte Unterstützung, wie nach langer Dürre erquicken¬
der Regen trieft, mild und freigebig zufließen.

Das Comite zur Errichtung eines Goethe-Denkmals in Berlin.
Der Vorsitzende: Jacob Grimm.
Mitglieder.

Ed. August, Dr., Gymnasialdir. Bloeiner, Ob.-Trib-Rath. A. Boeckti,
Geh. Reg.-Rath und Prof. Albert Borsig, Comm.-Rath. Le Coq. Kauft
manu. Fr. Drute. Prof. Duncker. Comm.-Rath, Ewald. Historien¬
maler. M. Geiß. Fabrikbesitzer. F.W. Gubitz. Prof. Ernst Guhl, Prof.
I. Guttentag. Verlags-Buchhändler. Ed. Grell. Prof. Hermann
Grimm. Hugo Haager. Bildhauer. Herbig. Prof.. Vice-Dir. Hitzig.
Baurath. H. G. Hotho.Prof. V.Hülsen. General-Intendant. v.d.Hute.


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[0368] ringenden Wirren des Jahres neun und vierzig nur matt und trüb leuchtete, vorbeigegangen zu sehn. Es wäre ungeschickt und ungerecht, da, wo uns obliegt unsere beiden größten Dichter zu ehren, sie sich gegenüber zu stellen und abzuwägen, ob und wo der eine den andern, um Armlänge oder Handbreite, überrage. Im Leben haben sie zusammengestanden, sich einander erhöhend, ergänzend, erfüllend, beide die göttliche Gabe vor der Welt entfaltet, die ihnen einwohnte. Nur das ist nicht zu verkennen, daß wie Goethe Schillern zehn Jahre vorausging er ihn beinahe noch dreißig Jahre lang überlebte. Gegen Schillers auf kür¬ zere Frist gedrängte, um so gewaltigere und unaufhaltsame Laufbahn, er¬ scheint Goethes Einwirkung ruhiger, dauernder. Eines großen, der Nachwelt geheiligten Mannes Standbild soll im An¬ gesicht der täglich vorüberwandelndcn Menge, da. wo sich zahllose Schritte be¬ gegnen, auf Plätzen volkreicher Städte errichtet werden. In Berlin, der Königs¬ stadt, wenn sich an ihrem weitesten öffentlichen Raume Schillers Denkmal erhebt, darf das von Goethe nicht unerhoben bleiben und die Kraft, welche jenes hervorruft, wird auch diesem nicht fehlen. Das fühlen alle, nicht nur in Preußen, in ganz Deutschland. Denn vor diesen Dichtern., die beide un¬ serer Sprache ein fernreichendes Gebiet erobert und sie für immer vergeistigt haben, weicht aller landschaftliche Unterschied zurück. Durch sie sind wir ein vorangehendes Volk geworden. Sobald die Kohle» sich decken, die ein würdiges Denkmal erheischt, kön¬ nen die Künstler auserlesen werden und zu schaffen beginnen. Des Prinz- regenten Gnade hat bereits einen ansehnlichen Beitrag verwilligt, der als Grundlage aller weiteren muß angesehen werden. Zu diesen aber darf selbst in unserer Zeit, die mehr als ein Standbild im Auge hat und damit alte Schuld abträgt, vertrauensvoll aufgefordert werden, weil wir an die Hauptschuld mahnen. Möge die erwünschte Unterstützung, wie nach langer Dürre erquicken¬ der Regen trieft, mild und freigebig zufließen. Das Comite zur Errichtung eines Goethe-Denkmals in Berlin. Der Vorsitzende: Jacob Grimm. Mitglieder. Ed. August, Dr., Gymnasialdir. Bloeiner, Ob.-Trib-Rath. A. Boeckti, Geh. Reg.-Rath und Prof. Albert Borsig, Comm.-Rath. Le Coq. Kauft manu. Fr. Drute. Prof. Duncker. Comm.-Rath, Ewald. Historien¬ maler. M. Geiß. Fabrikbesitzer. F.W. Gubitz. Prof. Ernst Guhl, Prof. I. Guttentag. Verlags-Buchhändler. Ed. Grell. Prof. Hermann Grimm. Hugo Haager. Bildhauer. Herbig. Prof.. Vice-Dir. Hitzig. Baurath. H. G. Hotho.Prof. V.Hülsen. General-Intendant. v.d.Hute.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/368>, abgerufen am 24.07.2024.