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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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die Weiber nackt und bloß, wie sie der liebe Gott geschaffen, nicht anders als
Kühe zu Markte treibt. Denn meiner seligen Frau Mutter Schwester, die
liebe Frau Grete v. T., mußte damals auch hören, daß ihren Sohn der Teufel
ritt, und daß er ein solches wildes Weib mit nach Hause führte. Da hat sie
sich so sehr gegrämt, daß sie es nicht lange mehr gemacht hat. und sie ist
durchaus nicht zu bereden gewesen, daß sie dieses wilde Weib nur einmal
angesehn hätte. -- Aber um wieder auf meinen Sohn Junker Hans Christoph
zu kommen, wenn es sich so mit ihm machte, daß er nicht dahin käme, wo
die Tartaren sind, auch nicht Schildwacht stehen dürfte, so wollte ich wol meine
alte Magd, die ihn ganz aufgezogen und beflohet hat, schon überreden, daß
sie auf ein Jahr mitzöge und Achtung auf ihn hätte, bisweilen den Kopf
wüsche und die Hemden bereinigte, ich wollte ihr auch noch eine halbe Metze
Lein aussäen."

Die Frau v. R. würde wahrscheinlich dieser Einfalt genugsam geantwor¬
tet haben, wäre sie nicht durch den Herrn v. K. zum Tanz aufgeführt worden.
So ließ sie die Alte allein, zu welcher sich der anwesende Junker Vvgelbach
mit einer fingerlangen Tabakspfeife im Munde verfügte und so Unterhaltung
machte: "Wie gehts? wie stehts noch um ein gut Leben, meine liebe Frau
Muhme? Ich merke, sie sieht ihre Freude an ihrem Junker Hans Christoph,
daß er es so lustig mitmachen kann. Hol mich dieser und jener, er ist auch
ein rechtschaffner Kerl, ich wollte wünschen, daß er vor etlichen Tagen dabei
gewesen wäre, als ich mich mit einem Pseffersack von Breslau herum schlug;
er sollte sein Wunder gesehn haben, wie ich den Kerl drillte; er mußte das
Leben von mir erbitten und nachher mir und meinem Secundärem einen
stattlichen Schmaus zum Besten geben, wobei wir uns so lustig machten, daß
der beste Wein in der Stube herumschwamm." Aber die alte Frau von der
B. antwortete darauf: "Es ist euch eine schöne Ehre, daß ihr euch wegen
eines Trunkes Wein mit den Bürgern -so gemein macht. Und vor Allem ihr.
Junker Martin Heinrich, dem der Mund nur immer nach Wein hängt; wenn
ihr nur ein paar Gläser davon erschnappen könnt, trinkt ihr mit allen Leuten
Brüderschaft, sie mögen Bürger oder Edelleute sein. Ja ihr nennt wol gar,
wie ich mir habe sagen lassen, die Pfcffersäcke Oheim und Vetter. Sollte ich
das wissen, so schwöre ich, daß ich euch mein Lebtag nicht Vetter nenne. Sagt
mir, was habt ihr wieder für eine Schmarre auf der Stirn? Ohne Zweifel
habt ihr euch wieder gekatzbalgt und eins bekommen, das ginge noch wol
hin, wenns euch nur die Bürger nicht versetzt hätten."

"Seht ihr mich für einen Narren an," sagte Junker Vogelbach, "daß ich
diese Kerle Oheim oder Vetter nennen sollte, hätte ihnen der Kaiser auch noch
einen so großen Brief gegeben? Bruder geht noch an, so lange sie lustig
Wein hergeben, hernach aber heißt es. laßt den Bärenhäuter gehen."


die Weiber nackt und bloß, wie sie der liebe Gott geschaffen, nicht anders als
Kühe zu Markte treibt. Denn meiner seligen Frau Mutter Schwester, die
liebe Frau Grete v. T., mußte damals auch hören, daß ihren Sohn der Teufel
ritt, und daß er ein solches wildes Weib mit nach Hause führte. Da hat sie
sich so sehr gegrämt, daß sie es nicht lange mehr gemacht hat. und sie ist
durchaus nicht zu bereden gewesen, daß sie dieses wilde Weib nur einmal
angesehn hätte. — Aber um wieder auf meinen Sohn Junker Hans Christoph
zu kommen, wenn es sich so mit ihm machte, daß er nicht dahin käme, wo
die Tartaren sind, auch nicht Schildwacht stehen dürfte, so wollte ich wol meine
alte Magd, die ihn ganz aufgezogen und beflohet hat, schon überreden, daß
sie auf ein Jahr mitzöge und Achtung auf ihn hätte, bisweilen den Kopf
wüsche und die Hemden bereinigte, ich wollte ihr auch noch eine halbe Metze
Lein aussäen."

Die Frau v. R. würde wahrscheinlich dieser Einfalt genugsam geantwor¬
tet haben, wäre sie nicht durch den Herrn v. K. zum Tanz aufgeführt worden.
So ließ sie die Alte allein, zu welcher sich der anwesende Junker Vvgelbach
mit einer fingerlangen Tabakspfeife im Munde verfügte und so Unterhaltung
machte: „Wie gehts? wie stehts noch um ein gut Leben, meine liebe Frau
Muhme? Ich merke, sie sieht ihre Freude an ihrem Junker Hans Christoph,
daß er es so lustig mitmachen kann. Hol mich dieser und jener, er ist auch
ein rechtschaffner Kerl, ich wollte wünschen, daß er vor etlichen Tagen dabei
gewesen wäre, als ich mich mit einem Pseffersack von Breslau herum schlug;
er sollte sein Wunder gesehn haben, wie ich den Kerl drillte; er mußte das
Leben von mir erbitten und nachher mir und meinem Secundärem einen
stattlichen Schmaus zum Besten geben, wobei wir uns so lustig machten, daß
der beste Wein in der Stube herumschwamm." Aber die alte Frau von der
B. antwortete darauf: „Es ist euch eine schöne Ehre, daß ihr euch wegen
eines Trunkes Wein mit den Bürgern -so gemein macht. Und vor Allem ihr.
Junker Martin Heinrich, dem der Mund nur immer nach Wein hängt; wenn
ihr nur ein paar Gläser davon erschnappen könnt, trinkt ihr mit allen Leuten
Brüderschaft, sie mögen Bürger oder Edelleute sein. Ja ihr nennt wol gar,
wie ich mir habe sagen lassen, die Pfcffersäcke Oheim und Vetter. Sollte ich
das wissen, so schwöre ich, daß ich euch mein Lebtag nicht Vetter nenne. Sagt
mir, was habt ihr wieder für eine Schmarre auf der Stirn? Ohne Zweifel
habt ihr euch wieder gekatzbalgt und eins bekommen, das ginge noch wol
hin, wenns euch nur die Bürger nicht versetzt hätten."

„Seht ihr mich für einen Narren an," sagte Junker Vogelbach, „daß ich
diese Kerle Oheim oder Vetter nennen sollte, hätte ihnen der Kaiser auch noch
einen so großen Brief gegeben? Bruder geht noch an, so lange sie lustig
Wein hergeben, hernach aber heißt es. laßt den Bärenhäuter gehen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/36>, abgerufen am 24.07.2024.