Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sich nun die nördlichen und die südlichen Staaten ziemlich die Wage halten
und ähnlich getheilt sind wie die Bevölkerung im Großen, so ist es nicht un¬
möglich, daß wenn keiner der Candidaten bei der Volkswahl die absolute
Majorität erhält, auch der Ausweg der Wahl durch das Haus der Repräsen¬
tanten keine Entscheidung herbeiführt. Kann das Haus vom zweiten Mittwoch
des Februar bis zum vierten März keine definitive Ernennung herbeiführen,
so sind sämmtliche Präsidcntschaftscandidatcn beseitigt und der Senat wählt
dann von den zwei Kandidaten für die Vicepräsidentschaft, welche die meisten
Stimmen haben, einen zum Präsidenten. Jede Partei stellt nämlich zugleich
mit ihrem Candidaten für die Präsidentschaft einen für die Vicepräsident¬
schaft auf, so stehen Breckenridge Johnson, Douglas Löwe. Lincoln Bamlin.
und Bell Everett zur Seite. Von diesen ist nur der letztere ein Mann von
politischer Bedeutung, er hat verschiedne diplomatische Posten mit Auszcichmmg
bekleidet, ist ein bedeutender Redner und seine Kenntniß des Alterthums hat
ihm den Beinamen Classical Everett verschafft. Aber er hat keinen hervor¬
ragenden Antheil an den Parteikämpfen genommen und sein politischer Muth
hat bis jetzt noch keine Proben bestanden. Kommt nun die Wahl an den
Senat, so wird derselbe, da die Demokraten in ihm die Majorität haben,
natürlich einen der beiden demokratischen Vicepräsidentschaftscandidaten wählen,
wenn Johnson oder Löwe unter denselben sein sollten, welche die meisten Stimmen
erhalten. Der Senat wird aber im entgegengesetzten Falle Everett immerhin
Bamlin vorziehn, weil er ihm principiell weniger entgegentreten würde, obwol
er ein alter Whig aus Websters Schule ist.

Man sieht danach, wie ungewiß alle Aussichten und Berechnungen sind,
wenn, auch Lincolns Wahl noch das wahrscheinlichste Resultat bleibt. Bis¬
her hat der Kampf noch nicht ernstlich begonnen, die Parteien suchen erst ihre
Stellungen einzunehmen, und dies ist nicht leicht, wo jede drei Gegner hat.
Nach diesem vorsichtigen Tasten und Sondiren wird aber wahrscheinlich ein
heftiger Streit ausbrechen, der bis zur Entscheidung der Wahl fortdauern wird,
und die nächsten Monate werden zu den bewegtesten gehören, welche die Union
in neuerer Zeit durchlebt.

Wir glauben aber deshalb noch nicht, daß das Bestehen des Bundes¬
staates gefährdet ist, der Süden wird sich nicht trennen, wenn Lincoln gewählt
wird, so oft er auch damit drohen mag. Der Kampf zwischen Norden und
Süden wird fortdauern bis zum unzweifelhaften Siege des Nordens. Erst
nach demselben wird die Frage einer möglichen Spaltung ernstlich hervor¬
treten, je nachdem der Norden seinen Sieg benutzt. Wenn er versucht die
Sklaverei abzuschaffen, so wird der Süden sich trennen, sieht er die Unmög¬
lichkeit ein abolitionistische Theorien durchzuführen, so kann die Sklaverei ge¬
mildert und begrenzt werden.




sich nun die nördlichen und die südlichen Staaten ziemlich die Wage halten
und ähnlich getheilt sind wie die Bevölkerung im Großen, so ist es nicht un¬
möglich, daß wenn keiner der Candidaten bei der Volkswahl die absolute
Majorität erhält, auch der Ausweg der Wahl durch das Haus der Repräsen¬
tanten keine Entscheidung herbeiführt. Kann das Haus vom zweiten Mittwoch
des Februar bis zum vierten März keine definitive Ernennung herbeiführen,
so sind sämmtliche Präsidcntschaftscandidatcn beseitigt und der Senat wählt
dann von den zwei Kandidaten für die Vicepräsidentschaft, welche die meisten
Stimmen haben, einen zum Präsidenten. Jede Partei stellt nämlich zugleich
mit ihrem Candidaten für die Präsidentschaft einen für die Vicepräsident¬
schaft auf, so stehen Breckenridge Johnson, Douglas Löwe. Lincoln Bamlin.
und Bell Everett zur Seite. Von diesen ist nur der letztere ein Mann von
politischer Bedeutung, er hat verschiedne diplomatische Posten mit Auszcichmmg
bekleidet, ist ein bedeutender Redner und seine Kenntniß des Alterthums hat
ihm den Beinamen Classical Everett verschafft. Aber er hat keinen hervor¬
ragenden Antheil an den Parteikämpfen genommen und sein politischer Muth
hat bis jetzt noch keine Proben bestanden. Kommt nun die Wahl an den
Senat, so wird derselbe, da die Demokraten in ihm die Majorität haben,
natürlich einen der beiden demokratischen Vicepräsidentschaftscandidaten wählen,
wenn Johnson oder Löwe unter denselben sein sollten, welche die meisten Stimmen
erhalten. Der Senat wird aber im entgegengesetzten Falle Everett immerhin
Bamlin vorziehn, weil er ihm principiell weniger entgegentreten würde, obwol
er ein alter Whig aus Websters Schule ist.

Man sieht danach, wie ungewiß alle Aussichten und Berechnungen sind,
wenn, auch Lincolns Wahl noch das wahrscheinlichste Resultat bleibt. Bis¬
her hat der Kampf noch nicht ernstlich begonnen, die Parteien suchen erst ihre
Stellungen einzunehmen, und dies ist nicht leicht, wo jede drei Gegner hat.
Nach diesem vorsichtigen Tasten und Sondiren wird aber wahrscheinlich ein
heftiger Streit ausbrechen, der bis zur Entscheidung der Wahl fortdauern wird,
und die nächsten Monate werden zu den bewegtesten gehören, welche die Union
in neuerer Zeit durchlebt.

Wir glauben aber deshalb noch nicht, daß das Bestehen des Bundes¬
staates gefährdet ist, der Süden wird sich nicht trennen, wenn Lincoln gewählt
wird, so oft er auch damit drohen mag. Der Kampf zwischen Norden und
Süden wird fortdauern bis zum unzweifelhaften Siege des Nordens. Erst
nach demselben wird die Frage einer möglichen Spaltung ernstlich hervor¬
treten, je nachdem der Norden seinen Sieg benutzt. Wenn er versucht die
Sklaverei abzuschaffen, so wird der Süden sich trennen, sieht er die Unmög¬
lichkeit ein abolitionistische Theorien durchzuführen, so kann die Sklaverei ge¬
mildert und begrenzt werden.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110156"/>
          <p xml:id="ID_1024" prev="#ID_1023"> sich nun die nördlichen und die südlichen Staaten ziemlich die Wage halten<lb/>
und ähnlich getheilt sind wie die Bevölkerung im Großen, so ist es nicht un¬<lb/>
möglich, daß wenn keiner der Candidaten bei der Volkswahl die absolute<lb/>
Majorität erhält, auch der Ausweg der Wahl durch das Haus der Repräsen¬<lb/>
tanten keine Entscheidung herbeiführt. Kann das Haus vom zweiten Mittwoch<lb/>
des Februar bis zum vierten März keine definitive Ernennung herbeiführen,<lb/>
so sind sämmtliche Präsidcntschaftscandidatcn beseitigt und der Senat wählt<lb/>
dann von den zwei Kandidaten für die Vicepräsidentschaft, welche die meisten<lb/>
Stimmen haben, einen zum Präsidenten. Jede Partei stellt nämlich zugleich<lb/>
mit ihrem Candidaten für die Präsidentschaft einen für die Vicepräsident¬<lb/>
schaft auf, so stehen Breckenridge Johnson, Douglas Löwe. Lincoln Bamlin.<lb/>
und Bell Everett zur Seite. Von diesen ist nur der letztere ein Mann von<lb/>
politischer Bedeutung, er hat verschiedne diplomatische Posten mit Auszcichmmg<lb/>
bekleidet, ist ein bedeutender Redner und seine Kenntniß des Alterthums hat<lb/>
ihm den Beinamen Classical Everett verschafft. Aber er hat keinen hervor¬<lb/>
ragenden Antheil an den Parteikämpfen genommen und sein politischer Muth<lb/>
hat bis jetzt noch keine Proben bestanden. Kommt nun die Wahl an den<lb/>
Senat, so wird derselbe, da die Demokraten in ihm die Majorität haben,<lb/>
natürlich einen der beiden demokratischen Vicepräsidentschaftscandidaten wählen,<lb/>
wenn Johnson oder Löwe unter denselben sein sollten, welche die meisten Stimmen<lb/>
erhalten. Der Senat wird aber im entgegengesetzten Falle Everett immerhin<lb/>
Bamlin vorziehn, weil er ihm principiell weniger entgegentreten würde, obwol<lb/>
er ein alter Whig aus Websters Schule ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1025"> Man sieht danach, wie ungewiß alle Aussichten und Berechnungen sind,<lb/>
wenn, auch Lincolns Wahl noch das wahrscheinlichste Resultat bleibt. Bis¬<lb/>
her hat der Kampf noch nicht ernstlich begonnen, die Parteien suchen erst ihre<lb/>
Stellungen einzunehmen, und dies ist nicht leicht, wo jede drei Gegner hat.<lb/>
Nach diesem vorsichtigen Tasten und Sondiren wird aber wahrscheinlich ein<lb/>
heftiger Streit ausbrechen, der bis zur Entscheidung der Wahl fortdauern wird,<lb/>
und die nächsten Monate werden zu den bewegtesten gehören, welche die Union<lb/>
in neuerer Zeit durchlebt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1026"> Wir glauben aber deshalb noch nicht, daß das Bestehen des Bundes¬<lb/>
staates gefährdet ist, der Süden wird sich nicht trennen, wenn Lincoln gewählt<lb/>
wird, so oft er auch damit drohen mag. Der Kampf zwischen Norden und<lb/>
Süden wird fortdauern bis zum unzweifelhaften Siege des Nordens. Erst<lb/>
nach demselben wird die Frage einer möglichen Spaltung ernstlich hervor¬<lb/>
treten, je nachdem der Norden seinen Sieg benutzt. Wenn er versucht die<lb/>
Sklaverei abzuschaffen, so wird der Süden sich trennen, sieht er die Unmög¬<lb/>
lichkeit ein abolitionistische Theorien durchzuführen, so kann die Sklaverei ge¬<lb/>
mildert und begrenzt werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0350] sich nun die nördlichen und die südlichen Staaten ziemlich die Wage halten und ähnlich getheilt sind wie die Bevölkerung im Großen, so ist es nicht un¬ möglich, daß wenn keiner der Candidaten bei der Volkswahl die absolute Majorität erhält, auch der Ausweg der Wahl durch das Haus der Repräsen¬ tanten keine Entscheidung herbeiführt. Kann das Haus vom zweiten Mittwoch des Februar bis zum vierten März keine definitive Ernennung herbeiführen, so sind sämmtliche Präsidcntschaftscandidatcn beseitigt und der Senat wählt dann von den zwei Kandidaten für die Vicepräsidentschaft, welche die meisten Stimmen haben, einen zum Präsidenten. Jede Partei stellt nämlich zugleich mit ihrem Candidaten für die Präsidentschaft einen für die Vicepräsident¬ schaft auf, so stehen Breckenridge Johnson, Douglas Löwe. Lincoln Bamlin. und Bell Everett zur Seite. Von diesen ist nur der letztere ein Mann von politischer Bedeutung, er hat verschiedne diplomatische Posten mit Auszcichmmg bekleidet, ist ein bedeutender Redner und seine Kenntniß des Alterthums hat ihm den Beinamen Classical Everett verschafft. Aber er hat keinen hervor¬ ragenden Antheil an den Parteikämpfen genommen und sein politischer Muth hat bis jetzt noch keine Proben bestanden. Kommt nun die Wahl an den Senat, so wird derselbe, da die Demokraten in ihm die Majorität haben, natürlich einen der beiden demokratischen Vicepräsidentschaftscandidaten wählen, wenn Johnson oder Löwe unter denselben sein sollten, welche die meisten Stimmen erhalten. Der Senat wird aber im entgegengesetzten Falle Everett immerhin Bamlin vorziehn, weil er ihm principiell weniger entgegentreten würde, obwol er ein alter Whig aus Websters Schule ist. Man sieht danach, wie ungewiß alle Aussichten und Berechnungen sind, wenn, auch Lincolns Wahl noch das wahrscheinlichste Resultat bleibt. Bis¬ her hat der Kampf noch nicht ernstlich begonnen, die Parteien suchen erst ihre Stellungen einzunehmen, und dies ist nicht leicht, wo jede drei Gegner hat. Nach diesem vorsichtigen Tasten und Sondiren wird aber wahrscheinlich ein heftiger Streit ausbrechen, der bis zur Entscheidung der Wahl fortdauern wird, und die nächsten Monate werden zu den bewegtesten gehören, welche die Union in neuerer Zeit durchlebt. Wir glauben aber deshalb noch nicht, daß das Bestehen des Bundes¬ staates gefährdet ist, der Süden wird sich nicht trennen, wenn Lincoln gewählt wird, so oft er auch damit drohen mag. Der Kampf zwischen Norden und Süden wird fortdauern bis zum unzweifelhaften Siege des Nordens. Erst nach demselben wird die Frage einer möglichen Spaltung ernstlich hervor¬ treten, je nachdem der Norden seinen Sieg benutzt. Wenn er versucht die Sklaverei abzuschaffen, so wird der Süden sich trennen, sieht er die Unmög¬ lichkeit ein abolitionistische Theorien durchzuführen, so kann die Sklaverei ge¬ mildert und begrenzt werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/350
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/350>, abgerufen am 05.07.2024.