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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Cyrill hatte unterdessen nach langem Zaudern doch den griechischen Kle¬
rus um Rath und Beistand behufs des Grundankauss angesprochen. Von
demselben aber wurde das eben veröffentlichte Verbot benutzt, um jede Be¬
theiligung an desfallsigen Schritten abzulehnen. Bei der allgemeinen Corrup-
tion der türkischen Beamtenwelt ist, wie sich leicht begreift, ein solches Verbot
kein unüberwindliches Hinderniß, und kurze Zeit darauf gelang es den Grie¬
chen, einen eclatanten Ausnahmefall für sich durchzusehen. Für Cyrill konnte
danach über die Gesinnungen seiner Confessionsvcrwandten kein Zweifel mehr
bleiben: es bemächtigte sich seiner eine große Niedergeschlagenheit, welche die
Griechen noch zu vermehren suchten, indem sie die Thüre aus seiner Wohnung
in den Klostergarten vermauern ließen, wo er seine Erholungsgänge zu ma¬
chen pflegte. Vielleicht hofften sie, daß der Unmuth den jungen Mann zu
übereilter Aufgabe des schwierigen Postens bewegen werde. Da aber hatten
sie sich verrechnet. Seine geschmeidige, weibliche Natur half ihm jeden schrof¬
fen Anstoß zu vermeiden und die Widerwärtigkeiten mit einem Anstand zu er¬
tragen, welcher ihm die Bewunderung aller Nahestehenden erwarb. Es ist
zu bedauern, daß jugendliche Unerfahrenheit bei dem Wunsche, die ihm in
Petersburg gestellte Aufgabe bald zu lösen, ihn in die Hände eines italienischen
Schwindlers trieb, dem man fälschlich eine genaue Localkenntniß zuschrieb.
Dieser Measch, welcher, wie man später erfuhr, als gemeiner Verbrecher sein
Vaterland verlassen hatte, sich aber in Jerusalem für einen politischen Flücht¬
ling ausgab, wußte ihn lange Zeit mit immer illusorischen, aber nichts desto-
weniger viel Geld kostender Hoffnungen hinzuhalten. Dem Rufe seiner
Weisheit konnte eine solche Verbindung nur nachtheilig sein, doch blieb im
Uebrigen seine Ehrenhaftigkeit unangetastet.

Als in Petersburg die geistliche Mission von Jerusalem in den höchsten
Zirkeln Tagesgespräch war, hatten sich mehrere junge Männer aus angesehe¬
nen Familien zur Uebernahme des Konsulates gemeldet, dessen Errichtung durch
das zu begründende Bisthum geboten schien. Einige derselben hatten von
vorn herein auf jede Remuneration verzichtet, indem sie eine Ehre darin setz¬
ten, grade an besagter Stelle ihrer Religion und ihrem Staate umsonst ihre
Dienste zu widmen. Die Regierung, damals noch in der Besorgniß befangen,
welche ihr früher die Errichtung eines Konsulats in der heiligen Stadt hatte
unthunlich erscheinen lassen, daß nämlich aus dem Bestehen einer jedem Pil¬
ger zugänglichen russischen Civilbehörde in Jerusalem unendliche
Mishelligkeiten mit dem griechischen Klerus entspringen müßten, wies jene
Anerbietungen zurück in der Hoffnung, Palästina noch ferner als Anhängsel
des Jurisdictionsbezirks von Beirut behandeln zu können. Das Nachtheilige
einer solchen Organisation wurde dein Bischöfe bald fühlbar; die türkischen
Behörden betrachteten ihn einfach als Privatmann und Ausländer, zu welchem


Cyrill hatte unterdessen nach langem Zaudern doch den griechischen Kle¬
rus um Rath und Beistand behufs des Grundankauss angesprochen. Von
demselben aber wurde das eben veröffentlichte Verbot benutzt, um jede Be¬
theiligung an desfallsigen Schritten abzulehnen. Bei der allgemeinen Corrup-
tion der türkischen Beamtenwelt ist, wie sich leicht begreift, ein solches Verbot
kein unüberwindliches Hinderniß, und kurze Zeit darauf gelang es den Grie¬
chen, einen eclatanten Ausnahmefall für sich durchzusehen. Für Cyrill konnte
danach über die Gesinnungen seiner Confessionsvcrwandten kein Zweifel mehr
bleiben: es bemächtigte sich seiner eine große Niedergeschlagenheit, welche die
Griechen noch zu vermehren suchten, indem sie die Thüre aus seiner Wohnung
in den Klostergarten vermauern ließen, wo er seine Erholungsgänge zu ma¬
chen pflegte. Vielleicht hofften sie, daß der Unmuth den jungen Mann zu
übereilter Aufgabe des schwierigen Postens bewegen werde. Da aber hatten
sie sich verrechnet. Seine geschmeidige, weibliche Natur half ihm jeden schrof¬
fen Anstoß zu vermeiden und die Widerwärtigkeiten mit einem Anstand zu er¬
tragen, welcher ihm die Bewunderung aller Nahestehenden erwarb. Es ist
zu bedauern, daß jugendliche Unerfahrenheit bei dem Wunsche, die ihm in
Petersburg gestellte Aufgabe bald zu lösen, ihn in die Hände eines italienischen
Schwindlers trieb, dem man fälschlich eine genaue Localkenntniß zuschrieb.
Dieser Measch, welcher, wie man später erfuhr, als gemeiner Verbrecher sein
Vaterland verlassen hatte, sich aber in Jerusalem für einen politischen Flücht¬
ling ausgab, wußte ihn lange Zeit mit immer illusorischen, aber nichts desto-
weniger viel Geld kostender Hoffnungen hinzuhalten. Dem Rufe seiner
Weisheit konnte eine solche Verbindung nur nachtheilig sein, doch blieb im
Uebrigen seine Ehrenhaftigkeit unangetastet.

Als in Petersburg die geistliche Mission von Jerusalem in den höchsten
Zirkeln Tagesgespräch war, hatten sich mehrere junge Männer aus angesehe¬
nen Familien zur Uebernahme des Konsulates gemeldet, dessen Errichtung durch
das zu begründende Bisthum geboten schien. Einige derselben hatten von
vorn herein auf jede Remuneration verzichtet, indem sie eine Ehre darin setz¬
ten, grade an besagter Stelle ihrer Religion und ihrem Staate umsonst ihre
Dienste zu widmen. Die Regierung, damals noch in der Besorgniß befangen,
welche ihr früher die Errichtung eines Konsulats in der heiligen Stadt hatte
unthunlich erscheinen lassen, daß nämlich aus dem Bestehen einer jedem Pil¬
ger zugänglichen russischen Civilbehörde in Jerusalem unendliche
Mishelligkeiten mit dem griechischen Klerus entspringen müßten, wies jene
Anerbietungen zurück in der Hoffnung, Palästina noch ferner als Anhängsel
des Jurisdictionsbezirks von Beirut behandeln zu können. Das Nachtheilige
einer solchen Organisation wurde dein Bischöfe bald fühlbar; die türkischen
Behörden betrachteten ihn einfach als Privatmann und Ausländer, zu welchem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/265>, abgerufen am 24.07.2024.