Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.so nothwendiger ist es, daß man mit Vorschlagen hervortrete, welche bestimmt Der preußische Minister von Stein sagt in einer "Denkschrift über deutsche Es gibt mehrere wichtige Gründe, welche dafür sprechen, daß man bei so nothwendiger ist es, daß man mit Vorschlagen hervortrete, welche bestimmt Der preußische Minister von Stein sagt in einer „Denkschrift über deutsche Es gibt mehrere wichtige Gründe, welche dafür sprechen, daß man bei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110036"/> <p xml:id="ID_649" prev="#ID_648"> so nothwendiger ist es, daß man mit Vorschlagen hervortrete, welche bestimmt<lb/> aussprechen, was man wünscht und beabsichtigt. Wir machen hierzu im Folgen¬<lb/> den einen Versuch.</p><lb/> <p xml:id="ID_650"> Der preußische Minister von Stein sagt in einer „Denkschrift über deutsche<lb/> Verfassungen". S. 24: „Allein dadurch, daß man das Gegenwärtige aus dem<lb/> Vergangenen entwickelt, kann man ihm eine Dauer für die Zukunft geben."<lb/> In eine banale, aber bezeichnende Redeweise übersehe, würde dieser Satz<lb/> lauten: „Bei einer Reform in politischen Angelegenheiten, wenn sie anders<lb/> eine Garantie für ihre Dauer bieten soll, mache man keine große Sprünge,<lb/> sondern knüpfe an das Gegebene. Bestehende an und leite aus ihm, mit Zu¬<lb/> grundelegung des Wünschenswerthcn, die Aenderungen für die Zukunft ab."<lb/> Wir setzen hierbei natürlich stillschweigend als das Wünschenswert!)? dasjenige<lb/> voraus, was dem politischen Standpunkte der Gegenwart gemäß, was das<lb/> Nichtige ist. Für Mecklenburg würde es sich also darum handeln, das Be¬<lb/> stehende mit dem für dasselbe Zeitgemäßen und Nichtigen zu verbinden, selbst<lb/> wenn auch diese Verbindung ein Ganzes geben sollte, welches hinter dem ab¬<lb/> solut Zeitgemäßen und Richtigen um Etwas zurückstände.</p><lb/> <p xml:id="ID_651" next="#ID_652"> Es gibt mehrere wichtige Gründe, welche dafür sprechen, daß man bei<lb/> einer Reform der Verfassungsverhältnisse diesen von uns aufgestellten Vorder¬<lb/> satz nicht außer Acht lasse. Einmal ist das mecklenburgische Volk im All¬<lb/> gemeinen politisch sehr wenig gebildet, weil es bisher nur geringen Antheil<lb/> an staatlichen Verhältnissen nehmen und bethätigen konnte. Sodann ist das<lb/> Bestehende, die gegenwärtige Verfassung, mit allen Fasern sehr tief in das<lb/> ganze Leben des Landes eingewachsen und läßt sich ohne große Zerrüttung<lb/> nicht plötzlich und gewaltsam entfernen. Die mecklenburgische Verfassung<lb/> bildet ein Ganzes, ein zur Zeit seines Entstehens ausgezeichnet Geordnetes;<lb/> sie entstand nach langen Kämpfen und drang deshalb nur um so tiefer ins<lb/> Leben; sie erprobte sich, indem sie Stürme überstand sowol von Seiten der<lb/> Fürsten wie des Volkes; sie umfaßt und berücksichtigt alle Verhältnisse des<lb/> Lebens und alle Classen der Staatsbürger. Sie hat zwar dadurch nicht dem<lb/> Wechsel widerstanden, eine Umgestaltung ist theils wünschenswert!), theils noth¬<lb/> wendig geworden, aber es ist klar, daß letztere dadurch schwieriger geworden ist und<lb/> behutsamer stattfinden muß. Als dritter Grund tritt uns dann noch entgegen, daß<lb/> es bei den höchst eigenthümlichen, fast nur aus den Betrieb des Ackerbaues<lb/> begründeten Verhältnissen unseres Landes, welche mit dem Besitze zugleich<lb/> die politische Machtstellung der Besitzer vereinigen, überhaupt unge¬<lb/> recht sein würde, wenn diese Machtstellung mit einem Male gänzlich oder<lb/> doch in zu hohem Grade unberücksichtigt sollte gelassen werden. In allen<lb/> reinen Ackerbaustaaten verlieh und verleiht der Besitz auch die politische Macht;<lb/> Mecklenburg ist noch ein solcher Ackerbaustaat und muß sich unter jenes Ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
so nothwendiger ist es, daß man mit Vorschlagen hervortrete, welche bestimmt
aussprechen, was man wünscht und beabsichtigt. Wir machen hierzu im Folgen¬
den einen Versuch.
Der preußische Minister von Stein sagt in einer „Denkschrift über deutsche
Verfassungen". S. 24: „Allein dadurch, daß man das Gegenwärtige aus dem
Vergangenen entwickelt, kann man ihm eine Dauer für die Zukunft geben."
In eine banale, aber bezeichnende Redeweise übersehe, würde dieser Satz
lauten: „Bei einer Reform in politischen Angelegenheiten, wenn sie anders
eine Garantie für ihre Dauer bieten soll, mache man keine große Sprünge,
sondern knüpfe an das Gegebene. Bestehende an und leite aus ihm, mit Zu¬
grundelegung des Wünschenswerthcn, die Aenderungen für die Zukunft ab."
Wir setzen hierbei natürlich stillschweigend als das Wünschenswert!)? dasjenige
voraus, was dem politischen Standpunkte der Gegenwart gemäß, was das
Nichtige ist. Für Mecklenburg würde es sich also darum handeln, das Be¬
stehende mit dem für dasselbe Zeitgemäßen und Nichtigen zu verbinden, selbst
wenn auch diese Verbindung ein Ganzes geben sollte, welches hinter dem ab¬
solut Zeitgemäßen und Richtigen um Etwas zurückstände.
Es gibt mehrere wichtige Gründe, welche dafür sprechen, daß man bei
einer Reform der Verfassungsverhältnisse diesen von uns aufgestellten Vorder¬
satz nicht außer Acht lasse. Einmal ist das mecklenburgische Volk im All¬
gemeinen politisch sehr wenig gebildet, weil es bisher nur geringen Antheil
an staatlichen Verhältnissen nehmen und bethätigen konnte. Sodann ist das
Bestehende, die gegenwärtige Verfassung, mit allen Fasern sehr tief in das
ganze Leben des Landes eingewachsen und läßt sich ohne große Zerrüttung
nicht plötzlich und gewaltsam entfernen. Die mecklenburgische Verfassung
bildet ein Ganzes, ein zur Zeit seines Entstehens ausgezeichnet Geordnetes;
sie entstand nach langen Kämpfen und drang deshalb nur um so tiefer ins
Leben; sie erprobte sich, indem sie Stürme überstand sowol von Seiten der
Fürsten wie des Volkes; sie umfaßt und berücksichtigt alle Verhältnisse des
Lebens und alle Classen der Staatsbürger. Sie hat zwar dadurch nicht dem
Wechsel widerstanden, eine Umgestaltung ist theils wünschenswert!), theils noth¬
wendig geworden, aber es ist klar, daß letztere dadurch schwieriger geworden ist und
behutsamer stattfinden muß. Als dritter Grund tritt uns dann noch entgegen, daß
es bei den höchst eigenthümlichen, fast nur aus den Betrieb des Ackerbaues
begründeten Verhältnissen unseres Landes, welche mit dem Besitze zugleich
die politische Machtstellung der Besitzer vereinigen, überhaupt unge¬
recht sein würde, wenn diese Machtstellung mit einem Male gänzlich oder
doch in zu hohem Grade unberücksichtigt sollte gelassen werden. In allen
reinen Ackerbaustaaten verlieh und verleiht der Besitz auch die politische Macht;
Mecklenburg ist noch ein solcher Ackerbaustaat und muß sich unter jenes Ge-
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