Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.Bilder uns der Geschichte des Pietismus. i. I, I. Moser. Gewöhnlich macht man sich von einem Pietisten ein einseitiges Bild. Ein rüstiger alter Herr, breitschultrig und wohlbeleibt, mit hochrothem Es ist der alte Moser, den wir meinen: der Gelehrte, welcher das deutsche Nreuzl'vier III. 1S60, 2 t
Bilder uns der Geschichte des Pietismus. i. I, I. Moser. Gewöhnlich macht man sich von einem Pietisten ein einseitiges Bild. Ein rüstiger alter Herr, breitschultrig und wohlbeleibt, mit hochrothem Es ist der alte Moser, den wir meinen: der Gelehrte, welcher das deutsche Nreuzl'vier III. 1S60, 2 t
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Bilder uns der Geschichte des Pietismus.
i.
I, I. Moser.
Gewöhnlich macht man sich von einem Pietisten ein einseitiges Bild.
Man stellt sich einen hagern blassen Träumer vor, abgezehrt durch ewiges
Gebet, die Augen unablässig zum Himmel gerichtet und den Sachen dieser
Erde entfremdet; durch Seufzer und Thränen weich geworden, etwas hektisch
und mit dem Tode beschäftigt. Solche Figuren kommen allerdings vor. aber
der Pietismus zeigt sich auch in andern Metamorphosen, und eine derselben,
die zu den interessantesten gehört ist der Gegenstand dieser Blätter.
Ein rüstiger alter Herr, breitschultrig und wohlbeleibt, mit hochrothem
Gesicht und festem klaren Auge, in allen Geschäften des praktischen Lebens be¬
wandert und von einer Rührigkeit, die keinen Augenblick Muße erträgt; ein
alter Herr, der in seinem siebzigsten Jahr ohne Beihilfe der Hände einen Tisch
zwischen die Zähne nimmt und auf demselben der Gesellschaft Kaffee prnsentirt;
ein streitfertiger alter Herr, der gegen Groß und Klein gewohnt ist laut und
vernehmlich zu reden, in einer Periode, wo in dem lieben deutschen Vaterland
die Herrschaft einer brutalen Gewalt in die Gemüther des Bürgerstandes jene
berühmte Hundedemuth eingeführt hatte, von der wir heute kaum noch eine
Vorstellung haben; ein alter Herr, dem sogar der Humor nicht fremd ist und
der trotz aller Strenge seiner Grundsätze doch das Sprichwort versteht: Leben
und leben lassen.
Es ist der alte Moser, den wir meinen: der Gelehrte, welcher das deutsche
Staatsrecht dem Volk zugänglich gemacht hat und der zuerst unter den deut¬
schen Rechtslehrern den Muth besaß, auf jede Gefahr hin der Gewalt gegen¬
über auszurufen: du thust Unrecht! Moser hat seine Lebensbeschreibung mehr¬
fach aufgesetzt und hier wie anderwärts seine religiösen Stimmungen beschrieben.
Wir suchen aus seinen fragmentarischen Notizen, so viel als möglich mit
seinen eigenen Worten, das Bild einer bestimmten Phase des Pietismus zu-
Nreuzl'vier III. 1S60, 2 t
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