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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Dieß möchte die älteste Form dieser Sage sein. Andere Erzählungen
stehen auf dem Boden des Christenthums: es war eine Verletzung des Ge¬
bots der Sonntagsheiligung, welches den Mann in den Mond brachte. Im
vordem Schwarzwald, bei Kato und Liebenzell heißt es, daß der Verwünschte
einst am Sonntag Besenreiser schnitt.^ Als er heimging, begegnete nun
im Walde der liebe Gott, stellte ihn über seine Untuchlicht'eit zur Rede und
sagte ihm zugleich, daß er ihn dafür bestrafen müsse. Indeß solle er wählen
dürfen, ob er in den Mond oder in die Sonne verwünscht sein wolle. Da¬
rauf versetzte er: "Wenn es sein muß, will ich lieber im'Mond erfrieren, als
in der Sonne verbrennen," und so ist er mit seinem Bündel Besenreiser auf
dem Rücken in den Mond gekommen. Damit das "Besenmännle" aber nicht
erfriere, hat ihm der liebe Gott sein Bündel angezündet, und das brennt jetzt
fort und wird nimmer erlöschen. In einer noch moderneren Fassung der
Sage hat der Mann am Sonntag Holz gestohlen, statt des lieben Gottes
stellt ihn sein Pfarrer zur Rede, er leugnet und verwünscht sich selbst in,den
Mond, wenn er es gethan, und sein Fluch geht in Erfüllung. In Grau-
bündten ferner erzählt man die Sache folgendermaßen: Einen Senner bat
eine arme Frau um ein wenig Milch, er aber wies sie mit Scheltworten ab.
Da verwünschte sie ihn für seine Unbarmherzigkeit an den kältesten Ort,
worauf er in den Mond kam, in dem er noch immer mit seinem Milcheimer
zu sehen ist.

So die süddeutschen Sagen vom Mann im Mond. Aehnlich die nord¬
deutschen. Hier ist. der Mann in der Mark deshalb in den Mond gesetzt,
weil er am Sonntag fiel? mit Errichtung eines Dornenzauns beschäftigt hat,
im Paderbornschen, weil er am Ostertag Leuten, die zur Kirche wollten, das
Hecken (Feldthor) sperrte, in der Gegend von Woeste, weil er am Sonntag
nahete. zu Hener in Westfalen, weil er am Ostermorgen "im Glauben, un¬
ser Herr Christus wäre nun todt," Holz stahl, zu Vorhop in Westfalen, weil
er am Gründonnerstag Besen band, u. s. w. Im Holsteinischen heißt es:
In der Zeit, da noch das Wünschen half, stahl einmal ein Mann am Weih¬
nachtsabend Kohl aus dem Garten seines Nachbars. Eben wollte er mit
der vollen Hucke davon gehen, als die Leute seiner gewahr wurden und ihn
in den Mond verwünschten, wo man ihn noch jetzt mit seiner Kohlhucke sieht.
An jedem Weihnachtsabend kehrt er sich einmal um. Dieselbe Sage hört
man im Havelland, nur ist es hier der heilige Christ, der, "aus seinem weißen
Schimmel vorüberreitend", den Dieb ertappt und bestraft. Aus Sitt ist der Ver¬
bannte ein Schasdieb gewesen, der mit seinem Kohlbüschel die Schafe der
Nachbarn an sich lockte. Im Siegenschen war er ein junger Mensch, der des
Nachts zu seinem Mädchen ins Fenster steigen wollte und, da ihm der Mond
zu hell dazu schien, ihn mit einer Dornwelle zu verfinstern versuchte, wobei


Dieß möchte die älteste Form dieser Sage sein. Andere Erzählungen
stehen auf dem Boden des Christenthums: es war eine Verletzung des Ge¬
bots der Sonntagsheiligung, welches den Mann in den Mond brachte. Im
vordem Schwarzwald, bei Kato und Liebenzell heißt es, daß der Verwünschte
einst am Sonntag Besenreiser schnitt.^ Als er heimging, begegnete nun
im Walde der liebe Gott, stellte ihn über seine Untuchlicht'eit zur Rede und
sagte ihm zugleich, daß er ihn dafür bestrafen müsse. Indeß solle er wählen
dürfen, ob er in den Mond oder in die Sonne verwünscht sein wolle. Da¬
rauf versetzte er: „Wenn es sein muß, will ich lieber im'Mond erfrieren, als
in der Sonne verbrennen," und so ist er mit seinem Bündel Besenreiser auf
dem Rücken in den Mond gekommen. Damit das „Besenmännle" aber nicht
erfriere, hat ihm der liebe Gott sein Bündel angezündet, und das brennt jetzt
fort und wird nimmer erlöschen. In einer noch moderneren Fassung der
Sage hat der Mann am Sonntag Holz gestohlen, statt des lieben Gottes
stellt ihn sein Pfarrer zur Rede, er leugnet und verwünscht sich selbst in,den
Mond, wenn er es gethan, und sein Fluch geht in Erfüllung. In Grau-
bündten ferner erzählt man die Sache folgendermaßen: Einen Senner bat
eine arme Frau um ein wenig Milch, er aber wies sie mit Scheltworten ab.
Da verwünschte sie ihn für seine Unbarmherzigkeit an den kältesten Ort,
worauf er in den Mond kam, in dem er noch immer mit seinem Milcheimer
zu sehen ist.

So die süddeutschen Sagen vom Mann im Mond. Aehnlich die nord¬
deutschen. Hier ist. der Mann in der Mark deshalb in den Mond gesetzt,
weil er am Sonntag fiel? mit Errichtung eines Dornenzauns beschäftigt hat,
im Paderbornschen, weil er am Ostertag Leuten, die zur Kirche wollten, das
Hecken (Feldthor) sperrte, in der Gegend von Woeste, weil er am Sonntag
nahete. zu Hener in Westfalen, weil er am Ostermorgen „im Glauben, un¬
ser Herr Christus wäre nun todt," Holz stahl, zu Vorhop in Westfalen, weil
er am Gründonnerstag Besen band, u. s. w. Im Holsteinischen heißt es:
In der Zeit, da noch das Wünschen half, stahl einmal ein Mann am Weih¬
nachtsabend Kohl aus dem Garten seines Nachbars. Eben wollte er mit
der vollen Hucke davon gehen, als die Leute seiner gewahr wurden und ihn
in den Mond verwünschten, wo man ihn noch jetzt mit seiner Kohlhucke sieht.
An jedem Weihnachtsabend kehrt er sich einmal um. Dieselbe Sage hört
man im Havelland, nur ist es hier der heilige Christ, der, „aus seinem weißen
Schimmel vorüberreitend", den Dieb ertappt und bestraft. Aus Sitt ist der Ver¬
bannte ein Schasdieb gewesen, der mit seinem Kohlbüschel die Schafe der
Nachbarn an sich lockte. Im Siegenschen war er ein junger Mensch, der des
Nachts zu seinem Mädchen ins Fenster steigen wollte und, da ihm der Mond
zu hell dazu schien, ihn mit einer Dornwelle zu verfinstern versuchte, wobei


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[0506] Dieß möchte die älteste Form dieser Sage sein. Andere Erzählungen stehen auf dem Boden des Christenthums: es war eine Verletzung des Ge¬ bots der Sonntagsheiligung, welches den Mann in den Mond brachte. Im vordem Schwarzwald, bei Kato und Liebenzell heißt es, daß der Verwünschte einst am Sonntag Besenreiser schnitt.^ Als er heimging, begegnete nun im Walde der liebe Gott, stellte ihn über seine Untuchlicht'eit zur Rede und sagte ihm zugleich, daß er ihn dafür bestrafen müsse. Indeß solle er wählen dürfen, ob er in den Mond oder in die Sonne verwünscht sein wolle. Da¬ rauf versetzte er: „Wenn es sein muß, will ich lieber im'Mond erfrieren, als in der Sonne verbrennen," und so ist er mit seinem Bündel Besenreiser auf dem Rücken in den Mond gekommen. Damit das „Besenmännle" aber nicht erfriere, hat ihm der liebe Gott sein Bündel angezündet, und das brennt jetzt fort und wird nimmer erlöschen. In einer noch moderneren Fassung der Sage hat der Mann am Sonntag Holz gestohlen, statt des lieben Gottes stellt ihn sein Pfarrer zur Rede, er leugnet und verwünscht sich selbst in,den Mond, wenn er es gethan, und sein Fluch geht in Erfüllung. In Grau- bündten ferner erzählt man die Sache folgendermaßen: Einen Senner bat eine arme Frau um ein wenig Milch, er aber wies sie mit Scheltworten ab. Da verwünschte sie ihn für seine Unbarmherzigkeit an den kältesten Ort, worauf er in den Mond kam, in dem er noch immer mit seinem Milcheimer zu sehen ist. So die süddeutschen Sagen vom Mann im Mond. Aehnlich die nord¬ deutschen. Hier ist. der Mann in der Mark deshalb in den Mond gesetzt, weil er am Sonntag fiel? mit Errichtung eines Dornenzauns beschäftigt hat, im Paderbornschen, weil er am Ostertag Leuten, die zur Kirche wollten, das Hecken (Feldthor) sperrte, in der Gegend von Woeste, weil er am Sonntag nahete. zu Hener in Westfalen, weil er am Ostermorgen „im Glauben, un¬ ser Herr Christus wäre nun todt," Holz stahl, zu Vorhop in Westfalen, weil er am Gründonnerstag Besen band, u. s. w. Im Holsteinischen heißt es: In der Zeit, da noch das Wünschen half, stahl einmal ein Mann am Weih¬ nachtsabend Kohl aus dem Garten seines Nachbars. Eben wollte er mit der vollen Hucke davon gehen, als die Leute seiner gewahr wurden und ihn in den Mond verwünschten, wo man ihn noch jetzt mit seiner Kohlhucke sieht. An jedem Weihnachtsabend kehrt er sich einmal um. Dieselbe Sage hört man im Havelland, nur ist es hier der heilige Christ, der, „aus seinem weißen Schimmel vorüberreitend", den Dieb ertappt und bestraft. Aus Sitt ist der Ver¬ bannte ein Schasdieb gewesen, der mit seinem Kohlbüschel die Schafe der Nachbarn an sich lockte. Im Siegenschen war er ein junger Mensch, der des Nachts zu seinem Mädchen ins Fenster steigen wollte und, da ihm der Mond zu hell dazu schien, ihn mit einer Dornwelle zu verfinstern versuchte, wobei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/506>, abgerufen am 23.07.2024.