Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.stützen sich darin, eben nichts zu thun. Fürst Gortschakof hat dem britischen So weit wir die Verhältnisse übersehen können, scheint uns der Haupt¬ Mit den Mittelstaaten ist jeder Versuch einer Verständigung vollständig Da aber Oestreich sich solcher Staatsmänner nicht erfreut, so bleibt frei¬ stützen sich darin, eben nichts zu thun. Fürst Gortschakof hat dem britischen So weit wir die Verhältnisse übersehen können, scheint uns der Haupt¬ Mit den Mittelstaaten ist jeder Versuch einer Verständigung vollständig Da aber Oestreich sich solcher Staatsmänner nicht erfreut, so bleibt frei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0499" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109221"/> <p xml:id="ID_1440" prev="#ID_1439"> stützen sich darin, eben nichts zu thun. Fürst Gortschakof hat dem britischen<lb/> Bevollmächtigten einigemal sehr zornig angedeutet, er werde sich um gar nichtc-<lb/> kümmern; das ist auch „Politik der freien Hand," aber wenn sich H. v.<lb/> Schleinitz zu sehr darüber freuen sollte, so darf er nicht vergessen, daß diese<lb/> Hand eben so frei ist gegen Preußen, als gegen Jemand anders.</p><lb/> <p xml:id="ID_1441"> So weit wir die Verhältnisse übersehen können, scheint uns der Haupt¬<lb/> fehler der preußischen Politik darin zu liegen, daß sie nicht da angefangen<lb/> hat, wo anzufangen war; nämlich mit Oestreich. Die beiden Anträge Preu¬<lb/> ßens am Bundestag sind vortrefflich und im allgemeinen von der öffentlichen<lb/> Meinung auch- richtig gewürdigt worden, aber genügt es denn für einen<lb/> Ztaat wie Preußen, einen Antrag zu stellen, den man dann ruhig zu den<lb/> Acten legt? Die Korrespondenz zwischen den Herrn v. Schleinitz und v. Beust,<lb/> die doch offenbar für das Publikum bestimmt ist, hat das Eigenthümliche,<lb/> vollkommen resultatlos zu bleiben. Herr v. Schleinitz lehnt die theoretische<lb/> Discussion ab und stellt sich auf den praktischen Standpunkt, aber nicht immer<lb/> ist-der der praktische Mann, der von Praxis spricht; vorläufig ist offenbar<lb/> Herr v. Beust praktischer, denn — es bleibt alles beim Alten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1442"> Mit den Mittelstaaten ist jeder Versuch einer Verständigung vollständig<lb/> zwecklos, solange Preußen sich nicht mit Oestreich geeinigt hat. Ist eine Eini¬<lb/> gung mit Oestreich möglich? — Wir sollten es meinen, denn was Preuße»<lb/> von Oestreich fordern kaun, ist zum großen Theil keine Benachtheiligung Oest¬<lb/> reichs. Es hat nämlich zu fordern, daß Oestreich sich mit ihm vereinigt, um<lb/> am Bundestag durchzusetzen: 1) Annahme der von Preußen vorgeschlagenen<lb/> Kriegsverfassung; 2) was unmittelbar damit zusammenhängt, Uebertragung<lb/> der Befestigungen an der Nord- und Ostsee an Preußen dergestalt, daß der<lb/> Widerspruch der einzelnen Staaten gegen die für nothwendig anerkannten Ver-<lb/> theidigungsmaßrcgeln als ungiltig bezeichnet wird; 3) Ordnung der kurhessischen<lb/> Angelegenheiten nach dem Prinzip, daß der Bundestag sich in die innern An¬<lb/> gelegenheiten der Bundesstaaten nicht weiter einzumischen habe, als zur Auf-<lb/> rechthaltung der Bundcsgcsetze nöthig; 4) Execution gegen Dänemark zur Voll¬<lb/> ziehung der Bnndesbeschlüsse. Mit allen diesen Anforderungen würde Preu¬<lb/> ßen so in den Schranken der Buundesprinzipien bleiben, Oestreich selbst würde<lb/> dadurch so entschieden gewinnen, daß eine Garantie des im höchsten Grad be¬<lb/> drohten venetianischen Besitzes durch den deutschen Bund in den Augen eures<lb/> ruhigen Staatsmannes eine mehr als hinreichende Gegenleistung wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_1443" next="#ID_1444"> Da aber Oestreich sich solcher Staatsmänner nicht erfreut, so bleibt frei¬<lb/> lich der Ausgang der Unterhandlungen zweifelhaft, solange Preußen nicht,<lb/> höflich aber gemessen, darauf aufmerksam macht, daß die Entscheidung sofort<lb/> erfolgen müsse, in dem einen oder in dem andern Sinn. Die Korrespon¬<lb/> denz mit den Mittelstaaten kann immer auf das Gebiet der Theorie überge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0499]
stützen sich darin, eben nichts zu thun. Fürst Gortschakof hat dem britischen
Bevollmächtigten einigemal sehr zornig angedeutet, er werde sich um gar nichtc-
kümmern; das ist auch „Politik der freien Hand," aber wenn sich H. v.
Schleinitz zu sehr darüber freuen sollte, so darf er nicht vergessen, daß diese
Hand eben so frei ist gegen Preußen, als gegen Jemand anders.
So weit wir die Verhältnisse übersehen können, scheint uns der Haupt¬
fehler der preußischen Politik darin zu liegen, daß sie nicht da angefangen
hat, wo anzufangen war; nämlich mit Oestreich. Die beiden Anträge Preu¬
ßens am Bundestag sind vortrefflich und im allgemeinen von der öffentlichen
Meinung auch- richtig gewürdigt worden, aber genügt es denn für einen
Ztaat wie Preußen, einen Antrag zu stellen, den man dann ruhig zu den
Acten legt? Die Korrespondenz zwischen den Herrn v. Schleinitz und v. Beust,
die doch offenbar für das Publikum bestimmt ist, hat das Eigenthümliche,
vollkommen resultatlos zu bleiben. Herr v. Schleinitz lehnt die theoretische
Discussion ab und stellt sich auf den praktischen Standpunkt, aber nicht immer
ist-der der praktische Mann, der von Praxis spricht; vorläufig ist offenbar
Herr v. Beust praktischer, denn — es bleibt alles beim Alten.
Mit den Mittelstaaten ist jeder Versuch einer Verständigung vollständig
zwecklos, solange Preußen sich nicht mit Oestreich geeinigt hat. Ist eine Eini¬
gung mit Oestreich möglich? — Wir sollten es meinen, denn was Preuße»
von Oestreich fordern kaun, ist zum großen Theil keine Benachtheiligung Oest¬
reichs. Es hat nämlich zu fordern, daß Oestreich sich mit ihm vereinigt, um
am Bundestag durchzusetzen: 1) Annahme der von Preußen vorgeschlagenen
Kriegsverfassung; 2) was unmittelbar damit zusammenhängt, Uebertragung
der Befestigungen an der Nord- und Ostsee an Preußen dergestalt, daß der
Widerspruch der einzelnen Staaten gegen die für nothwendig anerkannten Ver-
theidigungsmaßrcgeln als ungiltig bezeichnet wird; 3) Ordnung der kurhessischen
Angelegenheiten nach dem Prinzip, daß der Bundestag sich in die innern An¬
gelegenheiten der Bundesstaaten nicht weiter einzumischen habe, als zur Auf-
rechthaltung der Bundcsgcsetze nöthig; 4) Execution gegen Dänemark zur Voll¬
ziehung der Bnndesbeschlüsse. Mit allen diesen Anforderungen würde Preu¬
ßen so in den Schranken der Buundesprinzipien bleiben, Oestreich selbst würde
dadurch so entschieden gewinnen, daß eine Garantie des im höchsten Grad be¬
drohten venetianischen Besitzes durch den deutschen Bund in den Augen eures
ruhigen Staatsmannes eine mehr als hinreichende Gegenleistung wäre.
Da aber Oestreich sich solcher Staatsmänner nicht erfreut, so bleibt frei¬
lich der Ausgang der Unterhandlungen zweifelhaft, solange Preußen nicht,
höflich aber gemessen, darauf aufmerksam macht, daß die Entscheidung sofort
erfolgen müsse, in dem einen oder in dem andern Sinn. Die Korrespon¬
denz mit den Mittelstaaten kann immer auf das Gebiet der Theorie überge-
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