Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.deutsche Reden zu hören, und bei Fackelglanz, Gasflammen und Mondschein Die Kapuze ist eine zurückgelegte phrygische Mütze ; die Verschwisterung Gvcnzbottn I, 1"60. 58
deutsche Reden zu hören, und bei Fackelglanz, Gasflammen und Mondschein Die Kapuze ist eine zurückgelegte phrygische Mütze ; die Verschwisterung Gvcnzbottn I, 1»60. 58
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deutsche Reden zu hören, und bei Fackelglanz, Gasflammen und Mondschein
für den deutschen Dichter und sein deutsches Bewußtsein zu schwärmen.
Kurz nachher ließen sich die „katholischen Blätter" über die Ansäßigmachung
der Protestanten in Tirol vernehmen. „Die Regierung will, Gott sei Dank!
die Wahrheit hören, und die Wahrheit aus dem Volke ohne Mittclpersonen
hören", begannen sie, fest überzeugt, daß man das, was sie zur Wahr¬
heit stempeln, stets mit Geduld, Aufmerksamkeit, ja mit einer Art von Zer¬
knirschung hört. Was, fragen sie, wäre die Folge, wenn die Protestanten zum
Grundbesitz in Tirol „wirklich" zugelassen würden? „Mißstimmung, Un¬
wille, Kränkung, Schmerz und Erbitterung, um die gelindesten Ausdrücke zu
gebrauchen, in der ganzen katholischen Bevölkerung gegen die Regierung
selbst, welcher allein die verhaßte Bescherung in jedem Falle, auch wenn die
Vertrauensmänner zustimmten, ganz sicher zugeschrieben würde. Beweis da¬
für ist: die Tiroler haben sich erst dann, aber dann ans Leben und Tod ge¬
gen das bairische Regiment erhoben, als dieses Regiment ihren Glauben,
ihre Priester und Kirchen, ihre religiösen Uebungen angriff, und nicht eher ge¬
ruht, als bis die Frevler aus dem Lande gejagt waren, und der alte tirolische
Adler wieder über Berg und Thal seine schützenden Fittige ausbreitete, u. s.
w. — Werden daher die Protestanten in Tirol zugelassen, auch gegen den
in blutigen Thaten ausgesprochenen Willen der Bevölkerung, so zerreißt man
dadurch eines der festesten Bande, welche das Tiroler-Herz an Oestreich knüpft.
Man kaun es dann mit Gewalt zum Gehorsam zwingen, aber Liebe und
Anhänglichkeit kann man nimmer erzwingen."
Die Kapuze ist eine zurückgelegte phrygische Mütze ; die Verschwisterung
beider bewährte sich schon durch Jahrhunderte, und wird von keinem Kundi¬
gen geleugnet. So dreist von der Brust weg war es aber unter östreichischer
Censur wohl selten einem Journale gestattet die revolutionäre Drohung mit
„blutiger That" gegen die Staatsgewalt auszusprechen, ihr den Kampf „auf
Leben und Tod" arme'unter. Der Redacteur eines mißliebigen Journals
hätte diese Wahrheitsliebe mit ein paar Jahren unfreiwilliger Geistesruhe ge¬
büßt. Die „katholischen Blätter" aber wußten, daß die Regierung derlei
Wahrheiten gerne hört. Die Opposition ist eben nur eine scheinbare, sie lei¬
stet der Negierung einen Dienst, indem sie im Namen des Volkes die Allein¬
herrschaft der Jesuiten fordert. „O wie glücklich," seufzt das Jesuitenblatt,
„die kindlich fromme Seele, die an der Harid der Kirche den sichern Weg
zum Himmel wandelt!"
Gvcnzbottn I, 1»60. 58
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