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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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proviantirung des spanischen Heeres verpachtet und am Licitationstermine
fanden sich drei Gesellschaften im ganzen 21 Mann stark, welche alles Nöthige
herbeischafften, ohne natürlich die Gefahr des Transportes zu übernehmen.
Die Organisation einer römischen Pachtgesellschaft war ungefähr folgende.
Ein Disponent übernahm das Bieten bei der Licitation, schloß im Namen
der Uebrigen den Contract mit den Censor ab und leistete mit seinem Besitze
Bürgschaft oder stellte Bürgen. Er war als> der eigentliche Entrepreneur und
übernahm die Gefahr des Geschäftes. Die Leitung der Geschäfte dagegen
hatte ein jährlich wechselnder Director (eng-gistsr), der in Rom zu bleiben
pflegte, das Rechnungswesen besorgte und das Archiv mit allen Urkunden und
Korrespondenzen in Verwahrung hatte. Man weiß sogar, daß diese Vorsteher
nach'Ablauf ihres Jahres sich von ihrer Generalrechnung, die nach den mo¬
natlichen Berichten aus der Provinz zusammengestellt war, eine Kopie zu
nehmen pflegten. In der betreffenden Provinz führte ein Stellvertreter, Vice-
director, die Aufsicht und unter diesem stand das größtentheils aus Frei¬
gelassenen und Sklaven zusammengesetzte Personal der Subalternen, je nach der
Art der Pacht geordnet und vertheilt. Die Gesellschaft unterhielt ihre eigenen
Briefboten, die auch oft von den höheren Beamten der Provinzen benutzt our-
>den. Uebrigens benannte man auch die Gesellschaften nach ihrer Pachtung
die "Zehntner. Zöllner" u. s. w. Die Pächter des Zehntens, von Cicero
"Die Senatoren unter den Generalpächtern genannt", kauften dem Staate den
Zehnten in denjenigen Ländern ab, wo man Grund und Boden den früheren
Eigenthümern gegen eine Naturalabgabe gelassen hatte. In manchen Provinzen
wurden diese Abgaben, welche von Getreide den Zehnten, von Wein, Oel und
Gartenfrüchten den Fünften betrugen, zu Geld geschlagen und von den Com¬
munen direct an den Staat abgeliefert. In Asien und einem Theile Siciliens
aber hausten noch die Pächter, welche gewöhnlich nicht den wirklichen Ertrag der
Ernten abwarteten, sondern nach der Aussaat und den Dnrchschnittsernten
eines Jeden schon vorher die Liefernngsvertrngc abzuschließen pflegten. Wie
hart und ungerecht diese Klasse ihre Steuerpflichtigen drücken konnten, wenn
sie sich mit den Statthaltern gut zu stellen wußten, lehrt das Beispiel des
berüchtigten Verres. der in Sicilien das Gesetz gab, daß der Ackerbauer
dem Zehntner soviel Zehnten zu entrichten habe, als dieser von ihm verlangen
würde, daß der Ackerbauer dem Zehntncr wohin der letztere wolle, das per¬
sönliche Erscheinen Hör Gericht versprechen müsse und daß Niemand das Ge¬
treide von der Tenne nehmen sollte, bis er mit dem Zehntpachter abgeschlossen
habe! Mit dem Eintritte der Kaiserzeit hörten diese Verhältnisse auf, weil
die kaiserlichen Beamten mit der Einnahme der Grundsteuer beauftragt wur¬
den. -- Was die Domänen betrifft, so wurden sür den Staat nach Erober¬
ung eines Landes gewöhnlich nur die Domänen der abgesetzten Könige ein-


proviantirung des spanischen Heeres verpachtet und am Licitationstermine
fanden sich drei Gesellschaften im ganzen 21 Mann stark, welche alles Nöthige
herbeischafften, ohne natürlich die Gefahr des Transportes zu übernehmen.
Die Organisation einer römischen Pachtgesellschaft war ungefähr folgende.
Ein Disponent übernahm das Bieten bei der Licitation, schloß im Namen
der Uebrigen den Contract mit den Censor ab und leistete mit seinem Besitze
Bürgschaft oder stellte Bürgen. Er war als> der eigentliche Entrepreneur und
übernahm die Gefahr des Geschäftes. Die Leitung der Geschäfte dagegen
hatte ein jährlich wechselnder Director (eng-gistsr), der in Rom zu bleiben
pflegte, das Rechnungswesen besorgte und das Archiv mit allen Urkunden und
Korrespondenzen in Verwahrung hatte. Man weiß sogar, daß diese Vorsteher
nach'Ablauf ihres Jahres sich von ihrer Generalrechnung, die nach den mo¬
natlichen Berichten aus der Provinz zusammengestellt war, eine Kopie zu
nehmen pflegten. In der betreffenden Provinz führte ein Stellvertreter, Vice-
director, die Aufsicht und unter diesem stand das größtentheils aus Frei¬
gelassenen und Sklaven zusammengesetzte Personal der Subalternen, je nach der
Art der Pacht geordnet und vertheilt. Die Gesellschaft unterhielt ihre eigenen
Briefboten, die auch oft von den höheren Beamten der Provinzen benutzt our-
>den. Uebrigens benannte man auch die Gesellschaften nach ihrer Pachtung
die „Zehntner. Zöllner" u. s. w. Die Pächter des Zehntens, von Cicero
„Die Senatoren unter den Generalpächtern genannt", kauften dem Staate den
Zehnten in denjenigen Ländern ab, wo man Grund und Boden den früheren
Eigenthümern gegen eine Naturalabgabe gelassen hatte. In manchen Provinzen
wurden diese Abgaben, welche von Getreide den Zehnten, von Wein, Oel und
Gartenfrüchten den Fünften betrugen, zu Geld geschlagen und von den Com¬
munen direct an den Staat abgeliefert. In Asien und einem Theile Siciliens
aber hausten noch die Pächter, welche gewöhnlich nicht den wirklichen Ertrag der
Ernten abwarteten, sondern nach der Aussaat und den Dnrchschnittsernten
eines Jeden schon vorher die Liefernngsvertrngc abzuschließen pflegten. Wie
hart und ungerecht diese Klasse ihre Steuerpflichtigen drücken konnten, wenn
sie sich mit den Statthaltern gut zu stellen wußten, lehrt das Beispiel des
berüchtigten Verres. der in Sicilien das Gesetz gab, daß der Ackerbauer
dem Zehntner soviel Zehnten zu entrichten habe, als dieser von ihm verlangen
würde, daß der Ackerbauer dem Zehntncr wohin der letztere wolle, das per¬
sönliche Erscheinen Hör Gericht versprechen müsse und daß Niemand das Ge¬
treide von der Tenne nehmen sollte, bis er mit dem Zehntpachter abgeschlossen
habe! Mit dem Eintritte der Kaiserzeit hörten diese Verhältnisse auf, weil
die kaiserlichen Beamten mit der Einnahme der Grundsteuer beauftragt wur¬
den. — Was die Domänen betrifft, so wurden sür den Staat nach Erober¬
ung eines Landes gewöhnlich nur die Domänen der abgesetzten Könige ein-


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[0404] proviantirung des spanischen Heeres verpachtet und am Licitationstermine fanden sich drei Gesellschaften im ganzen 21 Mann stark, welche alles Nöthige herbeischafften, ohne natürlich die Gefahr des Transportes zu übernehmen. Die Organisation einer römischen Pachtgesellschaft war ungefähr folgende. Ein Disponent übernahm das Bieten bei der Licitation, schloß im Namen der Uebrigen den Contract mit den Censor ab und leistete mit seinem Besitze Bürgschaft oder stellte Bürgen. Er war als> der eigentliche Entrepreneur und übernahm die Gefahr des Geschäftes. Die Leitung der Geschäfte dagegen hatte ein jährlich wechselnder Director (eng-gistsr), der in Rom zu bleiben pflegte, das Rechnungswesen besorgte und das Archiv mit allen Urkunden und Korrespondenzen in Verwahrung hatte. Man weiß sogar, daß diese Vorsteher nach'Ablauf ihres Jahres sich von ihrer Generalrechnung, die nach den mo¬ natlichen Berichten aus der Provinz zusammengestellt war, eine Kopie zu nehmen pflegten. In der betreffenden Provinz führte ein Stellvertreter, Vice- director, die Aufsicht und unter diesem stand das größtentheils aus Frei¬ gelassenen und Sklaven zusammengesetzte Personal der Subalternen, je nach der Art der Pacht geordnet und vertheilt. Die Gesellschaft unterhielt ihre eigenen Briefboten, die auch oft von den höheren Beamten der Provinzen benutzt our- >den. Uebrigens benannte man auch die Gesellschaften nach ihrer Pachtung die „Zehntner. Zöllner" u. s. w. Die Pächter des Zehntens, von Cicero „Die Senatoren unter den Generalpächtern genannt", kauften dem Staate den Zehnten in denjenigen Ländern ab, wo man Grund und Boden den früheren Eigenthümern gegen eine Naturalabgabe gelassen hatte. In manchen Provinzen wurden diese Abgaben, welche von Getreide den Zehnten, von Wein, Oel und Gartenfrüchten den Fünften betrugen, zu Geld geschlagen und von den Com¬ munen direct an den Staat abgeliefert. In Asien und einem Theile Siciliens aber hausten noch die Pächter, welche gewöhnlich nicht den wirklichen Ertrag der Ernten abwarteten, sondern nach der Aussaat und den Dnrchschnittsernten eines Jeden schon vorher die Liefernngsvertrngc abzuschließen pflegten. Wie hart und ungerecht diese Klasse ihre Steuerpflichtigen drücken konnten, wenn sie sich mit den Statthaltern gut zu stellen wußten, lehrt das Beispiel des berüchtigten Verres. der in Sicilien das Gesetz gab, daß der Ackerbauer dem Zehntner soviel Zehnten zu entrichten habe, als dieser von ihm verlangen würde, daß der Ackerbauer dem Zehntncr wohin der letztere wolle, das per¬ sönliche Erscheinen Hör Gericht versprechen müsse und daß Niemand das Ge¬ treide von der Tenne nehmen sollte, bis er mit dem Zehntpachter abgeschlossen habe! Mit dem Eintritte der Kaiserzeit hörten diese Verhältnisse auf, weil die kaiserlichen Beamten mit der Einnahme der Grundsteuer beauftragt wur¬ den. — Was die Domänen betrifft, so wurden sür den Staat nach Erober¬ ung eines Landes gewöhnlich nur die Domänen der abgesetzten Könige ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/404>, abgerufen am 23.07.2024.