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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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kommt es um so weniger an, da die Details der Militärordnung schwerlich
der Controle des Landtags anheimgegeben werden können. Der neue Ent¬
wurf vergrößert also nicht blos die Staatsausgaben in einer Weise, die selbst
den entschlossensten Ministeriellen in Schrecken gehest hat; er vermindert nicht
blos die productive Thätigkeit, d. h, die Stcuerkraft des Volks in einer eben
so unerhörten Weise, sondern er macht auf eine Reihe von Jahren, vom
19 -- 27 Jahr, den Staatsbürger zum Soldaten; d. h. wie die Sachen jetzt
stehn, er unterwirft den Bürgerstand dem Juukerthum. Denn es ist
auch nicht die leiseste Andeutung gegeben, daß die bisherige Feudalverfassung
des Heeres geändert, daß das adlige Element des Ofsizicrstandes dnrch ein
bürgerliches ergänzt werden soll. Im Gegentheil fällt das weg, was bisher
noch einigen Ersatz gab, das Institut der Landwehr-Offiziere, da factisch die
Landwehr aufhört; denn was von nun an Landwehr heißt, ist die ehemalige
Landwehr zweiten Aufgebots, die in Friedenszeiten gar nicht in Betracht
kommt.

Freilich werden zur Ergänzung dieses Gesetzes andere in Aussicht gestellt,
die das bürgerliche Element dem adeligen gegenüber heben sollen, namentlich
eine neue Kreisordnung. Aber die Sache steht so, daß diese Gesetze (wahr¬
scheinlich auch die neue Grundsteuerumlage) das Herrenhaus verwerfen, das
Militärgesetz dagegen annehmen wird. Da nun Graf Schwerin erklärt hat,
die Kreistage bestehn zu Recht, so würde es auch in dieser Hinsicht beim alten
bleiben, und wir hätten dann das seltsame Schauspiel erlebt, daß unter einer
liberalen Negierung das Junkerthum viel größere Fortschritte gemacht Hütte
als unter der Reaction. Wenn aber das Haus der Abgeordneten einmal die
zur neuen Militärordnung nothwendigen Ausgaben anerkannt hat, so wird
es auch die erforderlichen Steuern bewilligen müssen, gleichviel wo diese her¬
kommen.

Ein solcher Gesetzentwurf kann nur in Zeiten der höchsten Noth oder
eines gewaltigen Aufschwungs angenommen werden: die erste ist nicht vor¬
handen, den' letzten hat die Negierung nicht zu erregen gewußt. Noch^ rst es
nicht zu spät dazu; aber es ist die allerhöchste Zeit, und wenn wir der festen
Ueberzeugung sind, daß Preußens Volk, um seinem Beruf zu genügen, sich
sedem Opfer, auch dem schwerste" unterziehen muß und wird, so kann ihm
doch nicht zugemuthet werden dies Opfer zu bringen, wenn es nicht weiß
wozu.

Man darf die Phrase "Vertrauen zum gegenwärtigen Ministerium" nicht
auf die Spitze treiben. Das Ministerium hat vortreffliche Absichten, und seine
Richtung im Allgemeinen, auch in der auswärtigen Politik, wird vom Volk
gebilligt. Aber es hat in der Ausführung dieser Politik bisher nicht viel
Geschick gezeigt, und es hat in keinem einzigen Moment verstanden, das Volk


kommt es um so weniger an, da die Details der Militärordnung schwerlich
der Controle des Landtags anheimgegeben werden können. Der neue Ent¬
wurf vergrößert also nicht blos die Staatsausgaben in einer Weise, die selbst
den entschlossensten Ministeriellen in Schrecken gehest hat; er vermindert nicht
blos die productive Thätigkeit, d. h, die Stcuerkraft des Volks in einer eben
so unerhörten Weise, sondern er macht auf eine Reihe von Jahren, vom
19 — 27 Jahr, den Staatsbürger zum Soldaten; d. h. wie die Sachen jetzt
stehn, er unterwirft den Bürgerstand dem Juukerthum. Denn es ist
auch nicht die leiseste Andeutung gegeben, daß die bisherige Feudalverfassung
des Heeres geändert, daß das adlige Element des Ofsizicrstandes dnrch ein
bürgerliches ergänzt werden soll. Im Gegentheil fällt das weg, was bisher
noch einigen Ersatz gab, das Institut der Landwehr-Offiziere, da factisch die
Landwehr aufhört; denn was von nun an Landwehr heißt, ist die ehemalige
Landwehr zweiten Aufgebots, die in Friedenszeiten gar nicht in Betracht
kommt.

Freilich werden zur Ergänzung dieses Gesetzes andere in Aussicht gestellt,
die das bürgerliche Element dem adeligen gegenüber heben sollen, namentlich
eine neue Kreisordnung. Aber die Sache steht so, daß diese Gesetze (wahr¬
scheinlich auch die neue Grundsteuerumlage) das Herrenhaus verwerfen, das
Militärgesetz dagegen annehmen wird. Da nun Graf Schwerin erklärt hat,
die Kreistage bestehn zu Recht, so würde es auch in dieser Hinsicht beim alten
bleiben, und wir hätten dann das seltsame Schauspiel erlebt, daß unter einer
liberalen Negierung das Junkerthum viel größere Fortschritte gemacht Hütte
als unter der Reaction. Wenn aber das Haus der Abgeordneten einmal die
zur neuen Militärordnung nothwendigen Ausgaben anerkannt hat, so wird
es auch die erforderlichen Steuern bewilligen müssen, gleichviel wo diese her¬
kommen.

Ein solcher Gesetzentwurf kann nur in Zeiten der höchsten Noth oder
eines gewaltigen Aufschwungs angenommen werden: die erste ist nicht vor¬
handen, den' letzten hat die Negierung nicht zu erregen gewußt. Noch^ rst es
nicht zu spät dazu; aber es ist die allerhöchste Zeit, und wenn wir der festen
Ueberzeugung sind, daß Preußens Volk, um seinem Beruf zu genügen, sich
sedem Opfer, auch dem schwerste» unterziehen muß und wird, so kann ihm
doch nicht zugemuthet werden dies Opfer zu bringen, wenn es nicht weiß
wozu.

Man darf die Phrase „Vertrauen zum gegenwärtigen Ministerium" nicht
auf die Spitze treiben. Das Ministerium hat vortreffliche Absichten, und seine
Richtung im Allgemeinen, auch in der auswärtigen Politik, wird vom Volk
gebilligt. Aber es hat in der Ausführung dieser Politik bisher nicht viel
Geschick gezeigt, und es hat in keinem einzigen Moment verstanden, das Volk


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[0379] kommt es um so weniger an, da die Details der Militärordnung schwerlich der Controle des Landtags anheimgegeben werden können. Der neue Ent¬ wurf vergrößert also nicht blos die Staatsausgaben in einer Weise, die selbst den entschlossensten Ministeriellen in Schrecken gehest hat; er vermindert nicht blos die productive Thätigkeit, d. h, die Stcuerkraft des Volks in einer eben so unerhörten Weise, sondern er macht auf eine Reihe von Jahren, vom 19 — 27 Jahr, den Staatsbürger zum Soldaten; d. h. wie die Sachen jetzt stehn, er unterwirft den Bürgerstand dem Juukerthum. Denn es ist auch nicht die leiseste Andeutung gegeben, daß die bisherige Feudalverfassung des Heeres geändert, daß das adlige Element des Ofsizicrstandes dnrch ein bürgerliches ergänzt werden soll. Im Gegentheil fällt das weg, was bisher noch einigen Ersatz gab, das Institut der Landwehr-Offiziere, da factisch die Landwehr aufhört; denn was von nun an Landwehr heißt, ist die ehemalige Landwehr zweiten Aufgebots, die in Friedenszeiten gar nicht in Betracht kommt. Freilich werden zur Ergänzung dieses Gesetzes andere in Aussicht gestellt, die das bürgerliche Element dem adeligen gegenüber heben sollen, namentlich eine neue Kreisordnung. Aber die Sache steht so, daß diese Gesetze (wahr¬ scheinlich auch die neue Grundsteuerumlage) das Herrenhaus verwerfen, das Militärgesetz dagegen annehmen wird. Da nun Graf Schwerin erklärt hat, die Kreistage bestehn zu Recht, so würde es auch in dieser Hinsicht beim alten bleiben, und wir hätten dann das seltsame Schauspiel erlebt, daß unter einer liberalen Negierung das Junkerthum viel größere Fortschritte gemacht Hütte als unter der Reaction. Wenn aber das Haus der Abgeordneten einmal die zur neuen Militärordnung nothwendigen Ausgaben anerkannt hat, so wird es auch die erforderlichen Steuern bewilligen müssen, gleichviel wo diese her¬ kommen. Ein solcher Gesetzentwurf kann nur in Zeiten der höchsten Noth oder eines gewaltigen Aufschwungs angenommen werden: die erste ist nicht vor¬ handen, den' letzten hat die Negierung nicht zu erregen gewußt. Noch^ rst es nicht zu spät dazu; aber es ist die allerhöchste Zeit, und wenn wir der festen Ueberzeugung sind, daß Preußens Volk, um seinem Beruf zu genügen, sich sedem Opfer, auch dem schwerste» unterziehen muß und wird, so kann ihm doch nicht zugemuthet werden dies Opfer zu bringen, wenn es nicht weiß wozu. Man darf die Phrase „Vertrauen zum gegenwärtigen Ministerium" nicht auf die Spitze treiben. Das Ministerium hat vortreffliche Absichten, und seine Richtung im Allgemeinen, auch in der auswärtigen Politik, wird vom Volk gebilligt. Aber es hat in der Ausführung dieser Politik bisher nicht viel Geschick gezeigt, und es hat in keinem einzigen Moment verstanden, das Volk

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/379>, abgerufen am 23.07.2024.