Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.matischcn Künstlerin dieser Periode, und wer noch das Glück hatte, sie selbst Es ist charakteristisch, daß die größte Darstellerin der Periode nicht dem Ueber ihr Schaffen sind die wunderbarsten Mythen im Gange. Es ist matischcn Künstlerin dieser Periode, und wer noch das Glück hatte, sie selbst Es ist charakteristisch, daß die größte Darstellerin der Periode nicht dem Ueber ihr Schaffen sind die wunderbarsten Mythen im Gange. Es ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/108973"/> <p xml:id="ID_698" prev="#ID_697"> matischcn Künstlerin dieser Periode, und wer noch das Glück hatte, sie selbst<lb/> damals, als ihre Kräfte schon abnahmen, in einer ihrer Hauptrollen zu sehen,<lb/> wird diesem Ruf freudig beipflichte». Ja noch im vorigen Jahr, wenn sie<lb/> Schubert'sche Lieder sang, vernahm man einen schöne» Nachklang ihrer frü¬<lb/> heren zauberhaften Gewalt.</p><lb/> <p xml:id="ID_699"> Es ist charakteristisch, daß die größte Darstellerin der Periode nicht dem<lb/> eigentlichen Schauspiel, sondern der Oper angehörte: freilich waren Weber,<lb/> Spohr u. f. in. ganz andere Kräfte als Müllner, Houwald und die übrigen.<lb/> In Bezug auf die Stimmmittel gab es manche Sängerinnen, die ihr überlegen<lb/> waren, auch an virtuofeuhafter Ausbildung, obgleich sie in Bezug auf die<lb/> schöne harmonische Herrschaft über ihre ganze Stimmlage allen wenigstens<lb/> ebenbürtig war. Dabei war ihr Aeußeres in ihren guten Jahren von sel¬<lb/> tener Schönheit, von einer unvergleichlichen Ausdrucksfähigkeit. Die Haupt¬<lb/> sache war bei ihr aber doch das geistige Moment. Nicht nur, daß sie mit<lb/> dem tiefsten Verständniß alle Motive ihrer Rollen — und ihre Vielseitig¬<lb/> keit war gradezu unbegreiflich —zur Geltung brachte: sie schöpfte alles, was<lb/> sie gab, aus voller Seele, und darum war der Eindruck überwältigend, un¬<lb/> widerstehlich. Wir wollen hier nur an eine Rolle erinnern, die freilich ihre<lb/> glänzendste war, an Fldelio. Ihre Kunststücke hat man ihr freilich ab¬<lb/> gesehen, man hat sie bis ans das kleinste Detail nachgeahmt: aber was dort<lb/> wie ein gewaltiger Strom aus der Tiefe des Innern quoll, mit ursprüng¬<lb/> licher Schöpferkraft, das sah bei denen die ihr nachahmten, wie ein künstlich<lb/> zubereitetes Pumpwerk aus. So z. B. der Schrei, mit demi sie ihre bis zu<lb/> Tode geängstete Brust befreite, als der Trompetenstoß die Rettung ihres Ge¬<lb/> mahls verkündete. Bei ihr empfand man. es mußte so sein; wer sich vermaß<lb/> ihr darin nachzuahmen, der erinnerte nur daran, daß ein unarticulirter<lb/> Schrei aus dem Nahmen der Melodie und des Rhythmus heraustrat und da¬<lb/> her unkünstlerisch war. So war es auch im Kleinen. Welch furchtbaren Ein¬<lb/> druck machte es z. B., wenn sie im Schubertschen Erlkönig die legten Worte<lb/> sprach anstatt zu singen: wer ihr das nachmachen wollte, würde geradezu Ge¬<lb/> lächter erregen. Das Genie hat eben über Mittel zu verfügen, die das Ta¬<lb/> lent sich strenge versagen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_700" next="#ID_701"> Ueber ihr Schaffen sind die wunderbarsten Mythen im Gange. Es ist<lb/> bekannt, obgleich sie keine Gelegenheit hatte, es auf der Bühne zu zeigen,<lb/> daß ihre Kraft im Komischen und Burlesken ebenso groß war, als im Tra¬<lb/> gischen. Im persönlichen Umgang heiter, ja ausgelassen, hatte sie zuweilen<lb/> auch auf der Bühne Uebermuth genug, in irgend einer eintretenden Pause<lb/> das Komische der Sache hervorzukehren, und bei ihrer grenzenlosen Offenheit<lb/> gingen solche Geschichten zahlreich im Publicum herum. Der Spießbürger<lb/> freute sich dann wohl herzlich darüber, daß sie es so gut verstanden, aufgeregt</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
matischcn Künstlerin dieser Periode, und wer noch das Glück hatte, sie selbst
damals, als ihre Kräfte schon abnahmen, in einer ihrer Hauptrollen zu sehen,
wird diesem Ruf freudig beipflichte». Ja noch im vorigen Jahr, wenn sie
Schubert'sche Lieder sang, vernahm man einen schöne» Nachklang ihrer frü¬
heren zauberhaften Gewalt.
Es ist charakteristisch, daß die größte Darstellerin der Periode nicht dem
eigentlichen Schauspiel, sondern der Oper angehörte: freilich waren Weber,
Spohr u. f. in. ganz andere Kräfte als Müllner, Houwald und die übrigen.
In Bezug auf die Stimmmittel gab es manche Sängerinnen, die ihr überlegen
waren, auch an virtuofeuhafter Ausbildung, obgleich sie in Bezug auf die
schöne harmonische Herrschaft über ihre ganze Stimmlage allen wenigstens
ebenbürtig war. Dabei war ihr Aeußeres in ihren guten Jahren von sel¬
tener Schönheit, von einer unvergleichlichen Ausdrucksfähigkeit. Die Haupt¬
sache war bei ihr aber doch das geistige Moment. Nicht nur, daß sie mit
dem tiefsten Verständniß alle Motive ihrer Rollen — und ihre Vielseitig¬
keit war gradezu unbegreiflich —zur Geltung brachte: sie schöpfte alles, was
sie gab, aus voller Seele, und darum war der Eindruck überwältigend, un¬
widerstehlich. Wir wollen hier nur an eine Rolle erinnern, die freilich ihre
glänzendste war, an Fldelio. Ihre Kunststücke hat man ihr freilich ab¬
gesehen, man hat sie bis ans das kleinste Detail nachgeahmt: aber was dort
wie ein gewaltiger Strom aus der Tiefe des Innern quoll, mit ursprüng¬
licher Schöpferkraft, das sah bei denen die ihr nachahmten, wie ein künstlich
zubereitetes Pumpwerk aus. So z. B. der Schrei, mit demi sie ihre bis zu
Tode geängstete Brust befreite, als der Trompetenstoß die Rettung ihres Ge¬
mahls verkündete. Bei ihr empfand man. es mußte so sein; wer sich vermaß
ihr darin nachzuahmen, der erinnerte nur daran, daß ein unarticulirter
Schrei aus dem Nahmen der Melodie und des Rhythmus heraustrat und da¬
her unkünstlerisch war. So war es auch im Kleinen. Welch furchtbaren Ein¬
druck machte es z. B., wenn sie im Schubertschen Erlkönig die legten Worte
sprach anstatt zu singen: wer ihr das nachmachen wollte, würde geradezu Ge¬
lächter erregen. Das Genie hat eben über Mittel zu verfügen, die das Ta¬
lent sich strenge versagen muß.
Ueber ihr Schaffen sind die wunderbarsten Mythen im Gange. Es ist
bekannt, obgleich sie keine Gelegenheit hatte, es auf der Bühne zu zeigen,
daß ihre Kraft im Komischen und Burlesken ebenso groß war, als im Tra¬
gischen. Im persönlichen Umgang heiter, ja ausgelassen, hatte sie zuweilen
auch auf der Bühne Uebermuth genug, in irgend einer eintretenden Pause
das Komische der Sache hervorzukehren, und bei ihrer grenzenlosen Offenheit
gingen solche Geschichten zahlreich im Publicum herum. Der Spießbürger
freute sich dann wohl herzlich darüber, daß sie es so gut verstanden, aufgeregt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |