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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Landesherr nicht hier in constitutionellen Formen und nach solchen Grund¬
sätzen und dort als unumschränkter Herr regieren kann; die Abhängigkeit des
absolut regierten von dem constitutionell regierten Lande würde die unausbleib¬
liche Folge sein.

Vor 1848 konnten bei gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung
zwei berathende Versammlungen in den Herzogthümern neben einander vor¬
handen sein: die Gesetzentwürfe wurden beiden vorgelegt, und wenn die Gut¬
achten derselben nicht übereinstimmend ausfielen, so hing es von dem Belieben
des Landesherrn ab, das eine oder das andere oder beide unberücksichtigt zu
lassen. Zwei gesetzgebende und steucrbewilligende, nicht berathende, örtlich
getrennte Versammlungen stehen aber mit Gemeinschaftlichkeit der Gesetzgebung
und Verwaltung im Widerspruch. Die vollständige Wiederherstellung des
frühern Zustandes ist daher durch die Dänen unmöglich gemacht, aber zum
Vortheil der Schleswig-Hvlsteincr: die dänische Verfassung führt mit Noth¬
wendigkeit zu einer Schleswig-holsteinischen. Der Umstand, daß Schleswig
nicht zum deutschen Bunde gehört, steht einer gemeinschaftlichen Staatsver¬
fassung der Herzogthümer nicht entgegen. Derselbe hat Jahrhunderte lang
nie sür ein Hinderniß der gemeinschaftlichen Regierung und des gemeinsamen
Landtags beider Länder gegolten, und es braucht nur auf die Verhältnisse
im preußischen Staat hingewiesen zu werden, dessen bundesfreie Provinzen
mit den zum Bunde gehörigen im vollen und ganzen Sinne das constitutio-
nelle Königreich Preußen bilden.

Es bedarf keiner weitern Erörterung, welche Stellung Deutschland dem
dünischen Patent vom 28. Januar 1852 gegenüber einzunehmen hat. Es wird be¬
hauptet, daß, wenn dieses Patent ehrlich zur Ausführung gebracht wäre, der
Zustand in den Herzogthümern erträglicher sein oder daß, wenn der Bundes¬
tag auf Grund des Patents mit gehöriger Energie gegen Dänemark verführe,
dieses gezwungen werden würde, die Landesrechte von Schleswig-Holstein
wieder in Wirksamkeit treten zu lassen. Diese Behauptungen beruhen auf
Unkunde der Verhältnisse. Der zwischen den beiden deutschen Mächten in
Vertretung des Bundes mit der Krone Dänemark 1851 geführte Notenwechsel
läßt in Verbindung mit dem Patent und der späteren bundestüglichen Ge¬
nehmigung darüber keinen Zweifel, daß die Vertreter der deutschen Nation
in dem völkerrechtlichen Vertrage mit Dänemark zur Ausführung des Berliner
Friedens das Recht Schleswig-Holsteins, soviel an ihnen war, in der That
aufgegeben haben. Aus der bisherige" dänischen Monarchie, welche außer
Lauenburg die personell unirten Länder Dänemark und Schleswig-Holstein
umfaßte, sollte, wie es heißt, "ein wohlgeordnetes Ganze mit gemeinschaft¬
licher Verwaltung und gemeinsamer Verfassung" gebildet werden, also un¬
zweifelhaft ein Staat oder Gesammtstnat mit Provinzialverfasfungen für


Landesherr nicht hier in constitutionellen Formen und nach solchen Grund¬
sätzen und dort als unumschränkter Herr regieren kann; die Abhängigkeit des
absolut regierten von dem constitutionell regierten Lande würde die unausbleib¬
liche Folge sein.

Vor 1848 konnten bei gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung
zwei berathende Versammlungen in den Herzogthümern neben einander vor¬
handen sein: die Gesetzentwürfe wurden beiden vorgelegt, und wenn die Gut¬
achten derselben nicht übereinstimmend ausfielen, so hing es von dem Belieben
des Landesherrn ab, das eine oder das andere oder beide unberücksichtigt zu
lassen. Zwei gesetzgebende und steucrbewilligende, nicht berathende, örtlich
getrennte Versammlungen stehen aber mit Gemeinschaftlichkeit der Gesetzgebung
und Verwaltung im Widerspruch. Die vollständige Wiederherstellung des
frühern Zustandes ist daher durch die Dänen unmöglich gemacht, aber zum
Vortheil der Schleswig-Hvlsteincr: die dänische Verfassung führt mit Noth¬
wendigkeit zu einer Schleswig-holsteinischen. Der Umstand, daß Schleswig
nicht zum deutschen Bunde gehört, steht einer gemeinschaftlichen Staatsver¬
fassung der Herzogthümer nicht entgegen. Derselbe hat Jahrhunderte lang
nie sür ein Hinderniß der gemeinschaftlichen Regierung und des gemeinsamen
Landtags beider Länder gegolten, und es braucht nur auf die Verhältnisse
im preußischen Staat hingewiesen zu werden, dessen bundesfreie Provinzen
mit den zum Bunde gehörigen im vollen und ganzen Sinne das constitutio-
nelle Königreich Preußen bilden.

Es bedarf keiner weitern Erörterung, welche Stellung Deutschland dem
dünischen Patent vom 28. Januar 1852 gegenüber einzunehmen hat. Es wird be¬
hauptet, daß, wenn dieses Patent ehrlich zur Ausführung gebracht wäre, der
Zustand in den Herzogthümern erträglicher sein oder daß, wenn der Bundes¬
tag auf Grund des Patents mit gehöriger Energie gegen Dänemark verführe,
dieses gezwungen werden würde, die Landesrechte von Schleswig-Holstein
wieder in Wirksamkeit treten zu lassen. Diese Behauptungen beruhen auf
Unkunde der Verhältnisse. Der zwischen den beiden deutschen Mächten in
Vertretung des Bundes mit der Krone Dänemark 1851 geführte Notenwechsel
läßt in Verbindung mit dem Patent und der späteren bundestüglichen Ge¬
nehmigung darüber keinen Zweifel, daß die Vertreter der deutschen Nation
in dem völkerrechtlichen Vertrage mit Dänemark zur Ausführung des Berliner
Friedens das Recht Schleswig-Holsteins, soviel an ihnen war, in der That
aufgegeben haben. Aus der bisherige» dänischen Monarchie, welche außer
Lauenburg die personell unirten Länder Dänemark und Schleswig-Holstein
umfaßte, sollte, wie es heißt, „ein wohlgeordnetes Ganze mit gemeinschaft¬
licher Verwaltung und gemeinsamer Verfassung" gebildet werden, also un¬
zweifelhaft ein Staat oder Gesammtstnat mit Provinzialverfasfungen für


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[0235] Landesherr nicht hier in constitutionellen Formen und nach solchen Grund¬ sätzen und dort als unumschränkter Herr regieren kann; die Abhängigkeit des absolut regierten von dem constitutionell regierten Lande würde die unausbleib¬ liche Folge sein. Vor 1848 konnten bei gemeinschaftlicher Gesetzgebung und Verwaltung zwei berathende Versammlungen in den Herzogthümern neben einander vor¬ handen sein: die Gesetzentwürfe wurden beiden vorgelegt, und wenn die Gut¬ achten derselben nicht übereinstimmend ausfielen, so hing es von dem Belieben des Landesherrn ab, das eine oder das andere oder beide unberücksichtigt zu lassen. Zwei gesetzgebende und steucrbewilligende, nicht berathende, örtlich getrennte Versammlungen stehen aber mit Gemeinschaftlichkeit der Gesetzgebung und Verwaltung im Widerspruch. Die vollständige Wiederherstellung des frühern Zustandes ist daher durch die Dänen unmöglich gemacht, aber zum Vortheil der Schleswig-Hvlsteincr: die dänische Verfassung führt mit Noth¬ wendigkeit zu einer Schleswig-holsteinischen. Der Umstand, daß Schleswig nicht zum deutschen Bunde gehört, steht einer gemeinschaftlichen Staatsver¬ fassung der Herzogthümer nicht entgegen. Derselbe hat Jahrhunderte lang nie sür ein Hinderniß der gemeinschaftlichen Regierung und des gemeinsamen Landtags beider Länder gegolten, und es braucht nur auf die Verhältnisse im preußischen Staat hingewiesen zu werden, dessen bundesfreie Provinzen mit den zum Bunde gehörigen im vollen und ganzen Sinne das constitutio- nelle Königreich Preußen bilden. Es bedarf keiner weitern Erörterung, welche Stellung Deutschland dem dünischen Patent vom 28. Januar 1852 gegenüber einzunehmen hat. Es wird be¬ hauptet, daß, wenn dieses Patent ehrlich zur Ausführung gebracht wäre, der Zustand in den Herzogthümern erträglicher sein oder daß, wenn der Bundes¬ tag auf Grund des Patents mit gehöriger Energie gegen Dänemark verführe, dieses gezwungen werden würde, die Landesrechte von Schleswig-Holstein wieder in Wirksamkeit treten zu lassen. Diese Behauptungen beruhen auf Unkunde der Verhältnisse. Der zwischen den beiden deutschen Mächten in Vertretung des Bundes mit der Krone Dänemark 1851 geführte Notenwechsel läßt in Verbindung mit dem Patent und der späteren bundestüglichen Ge¬ nehmigung darüber keinen Zweifel, daß die Vertreter der deutschen Nation in dem völkerrechtlichen Vertrage mit Dänemark zur Ausführung des Berliner Friedens das Recht Schleswig-Holsteins, soviel an ihnen war, in der That aufgegeben haben. Aus der bisherige» dänischen Monarchie, welche außer Lauenburg die personell unirten Länder Dänemark und Schleswig-Holstein umfaßte, sollte, wie es heißt, „ein wohlgeordnetes Ganze mit gemeinschaft¬ licher Verwaltung und gemeinsamer Verfassung" gebildet werden, also un¬ zweifelhaft ein Staat oder Gesammtstnat mit Provinzialverfasfungen für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/235>, abgerufen am 23.07.2024.