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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Theil des Neutralismen Savoyens. welcher seine Thäler nach dein Genfer See
öffnet, vielleicht noch mehr. Es ist anzunehmen, daß der Bundesrat!) sich
kräftig gegen ein solches Danaergeschenk sträuben wird. Wie hoch die Schweiz
die Territorialcrwerbung berühmter Gletscher und Felszacken und die Aufnahme
von 100,000 oder mehr Savoyarden in die Eidgenossenschaft anschlagen wird,
wissen wir nicht, das aber darf man behaupten, daß jeder solche Gebietszuwachs
dein Bundesrat!) als unwesentlicher Vortheil erscheinen wird gegenüber dem
Schicksal, auch gegen Süden Frankreich zum Grenznachbar zu erhalten, und
Genf und das Gebiet des Lemar von zwei Seiten wie mit eiserner Zange
durch Frankreich festgehalten zu sehen.

Daß der Bundesrath für dringende Pflicht hielt, solchem Andringen Frank¬
reichs zu widerstehen, ist auch aus der neuen Staatsschrift desselben über das
Dappenthal zu erkennen. Auch aus diesem sorgfältigen und lichtvollen Bericht
sei hier ein Auszug mitgetheilt.

Seit Jahrhunderten ist das Dappenthal, eine der Oeffnungen im Wall
des Juragebirgcs, ein streitiges Territorium zwischen der besitzenden Eidgenossen¬
schaft (Waadt) und dem begehrenden Frankreich. Durch Napoleon den Ersten
im Jahr 1805 zu Frankreich decretirt, wurde es durch die Bertrüge von 1815
wieder Schweizcrgebiet. Aber schon 1815 erhob Frankreich lebhaften Einspruch,
zumeist im Interesse einer von den Landstraßen, welche durch das Thal läuft,
der Straße, welche durch Frankreich gebaut worden war und erhalten wurde.
Die alliirten Mächte, ermüdet durch die unablässigen Klagen und Querelen
der französischen Agenten, empfahlen auch damals der Schweiz zu billiger Ver¬
ständigung über die Ansprüche Frankreichs die Hand zu bieten. Seitdem
haben die Unterhandlungen keinen Abschluß genommen, die Unsicherheit und die
Grenzcollisioncn haben nicht aufgehört. Auch hier ist es die militärische Seite
der Streitfrage, welche den Hintergrund der beiderseitigen Bestrebungen bildet.

Das Dappenthal liegt in seiner mittleren Erhebung 41.97 Fuß über dem
Meere; es bildet das Becken von drei Gebirgsstücken, die es umgeben, näm¬
lich der DÜle. die südöstlich des Thales liegt, deren Gipfel sich 559? Fuß
über das Meer erhebt, und der ganzen schweizerischen Grenze entlang die
höchste Spitze des Jumgcbirges bildet; ihr Kamm ist nur von der Seite des
Dappenthales zugänglich; dann des Berges des Tuffes, welcher die westliche
Begrenzung des Thalgrundes bildet und 4830 Fuß hoch ist; endlich des Ber¬
ges Arzier, der ein Vorgebirge des 5200 Fuß hohen Noirmont ist. -- Un¬
gefähr in der Mitte dieser drei Gebirgsstöcke liegt ein Hügel, zum westlichen
Abhänge der Dole gehörend, welcher die alte und die neue französische Straße
von Gex nach les Nousses beherrscht. Ueber den Kamm dieses Hügels soll
uach den neuern Vorschlägen Frankreichs eine Theilungsiinic des Thales sich
ziehen.


Theil des Neutralismen Savoyens. welcher seine Thäler nach dein Genfer See
öffnet, vielleicht noch mehr. Es ist anzunehmen, daß der Bundesrat!) sich
kräftig gegen ein solches Danaergeschenk sträuben wird. Wie hoch die Schweiz
die Territorialcrwerbung berühmter Gletscher und Felszacken und die Aufnahme
von 100,000 oder mehr Savoyarden in die Eidgenossenschaft anschlagen wird,
wissen wir nicht, das aber darf man behaupten, daß jeder solche Gebietszuwachs
dein Bundesrat!) als unwesentlicher Vortheil erscheinen wird gegenüber dem
Schicksal, auch gegen Süden Frankreich zum Grenznachbar zu erhalten, und
Genf und das Gebiet des Lemar von zwei Seiten wie mit eiserner Zange
durch Frankreich festgehalten zu sehen.

Daß der Bundesrath für dringende Pflicht hielt, solchem Andringen Frank¬
reichs zu widerstehen, ist auch aus der neuen Staatsschrift desselben über das
Dappenthal zu erkennen. Auch aus diesem sorgfältigen und lichtvollen Bericht
sei hier ein Auszug mitgetheilt.

Seit Jahrhunderten ist das Dappenthal, eine der Oeffnungen im Wall
des Juragebirgcs, ein streitiges Territorium zwischen der besitzenden Eidgenossen¬
schaft (Waadt) und dem begehrenden Frankreich. Durch Napoleon den Ersten
im Jahr 1805 zu Frankreich decretirt, wurde es durch die Bertrüge von 1815
wieder Schweizcrgebiet. Aber schon 1815 erhob Frankreich lebhaften Einspruch,
zumeist im Interesse einer von den Landstraßen, welche durch das Thal läuft,
der Straße, welche durch Frankreich gebaut worden war und erhalten wurde.
Die alliirten Mächte, ermüdet durch die unablässigen Klagen und Querelen
der französischen Agenten, empfahlen auch damals der Schweiz zu billiger Ver¬
ständigung über die Ansprüche Frankreichs die Hand zu bieten. Seitdem
haben die Unterhandlungen keinen Abschluß genommen, die Unsicherheit und die
Grenzcollisioncn haben nicht aufgehört. Auch hier ist es die militärische Seite
der Streitfrage, welche den Hintergrund der beiderseitigen Bestrebungen bildet.

Das Dappenthal liegt in seiner mittleren Erhebung 41.97 Fuß über dem
Meere; es bildet das Becken von drei Gebirgsstücken, die es umgeben, näm¬
lich der DÜle. die südöstlich des Thales liegt, deren Gipfel sich 559? Fuß
über das Meer erhebt, und der ganzen schweizerischen Grenze entlang die
höchste Spitze des Jumgcbirges bildet; ihr Kamm ist nur von der Seite des
Dappenthales zugänglich; dann des Berges des Tuffes, welcher die westliche
Begrenzung des Thalgrundes bildet und 4830 Fuß hoch ist; endlich des Ber¬
ges Arzier, der ein Vorgebirge des 5200 Fuß hohen Noirmont ist. — Un¬
gefähr in der Mitte dieser drei Gebirgsstöcke liegt ein Hügel, zum westlichen
Abhänge der Dole gehörend, welcher die alte und die neue französische Straße
von Gex nach les Nousses beherrscht. Ueber den Kamm dieses Hügels soll
uach den neuern Vorschlägen Frankreichs eine Theilungsiinic des Thales sich
ziehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/176>, abgerufen am 23.07.2024.