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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Versprechen der Aufhebung der Conscription zu erzielen gedachten. Insbeson¬
dere wurde dies Mittel von Oestreich l8i3 angewendet. Zu ganz ähnlichen
Betrachtungen wie die kleine und mühevoll zusammengebrachte Armee zwin¬
gen den unparteiischen Beobachter die sparsamen Anleihen, welche Mittel¬
italien machte. Rechnet man alles zusammen, so kommen etwa 25 Millio¬
nen Franken heraus. Was ist damit anzufangen? Nach den Erfahrungen
der letzten Zeit kostet jetzt die Erhaltung eines Soldaten in Kriegs¬
zeiten im Durchschnitt -- die höhern Gehalte und Equipirungskosten der
Officiere, die Beschaffung der Artillerie und der gemeinsamen Ausrüstung mit¬
gerechnet -- bei der allergrößten Sparsamkeit doch nicht weniger als tausend
Franken, mit 25 Millionen sind also 25000 Mann ungefähr ein Jahr und
50000 Mann ein halbes Jahr zu unterhalten. Noch übler stellt sich das
Verhältniß heraus, wenn es sich um ganz neue Organisationen handelt, bei denen
außerdem auf eine ganz ruhige regelmäßige Verwaltung nicht zu rechnen ist.
Und was soll man nun dazu sagen, daß in den mittelitalienischen Ländern
überall ausposaunt ward, Piemont werde mit Geld und Waffen helfen.
In der That, sollte es nöthig sein, daß das arme Piemont, welches schon
von allen Enden her belastet ist und so zu sagen von Freund und Feind wie
ein Schlauch ausgepreßt wird, noch die mittelitalienischen Länder mit ihren
wenn auch reichen, so doch nicht genügend ausgebeuteten und in verhältnißmäßig
wenigen Händen befindlichen Hülfsquellen unterstützte, so würde die italienische
Bewegung sich von vornherein als eine Seifenblase ohne den geringsten In¬
halt herausstellen. Garibaldi hat für Italien eine Million Feuergewehre ver¬
langt und zu Subscriptionen zu diesem Zwecke aufgefordert, die wirklich in
ganz Italien vor sich gingen und bis zur Mitte des Novembers sich auf et¬
wa sechs Millionen Franken belaufen mochten, eine Summe, die ungefähr zur
Beschaffung von 100,000 gezogenen Gewehren -- etwa einem Zehntel der ver¬
langten Summe, -- hinreichen mag. Wozu aber die Million Gewehre für
Italien, wenn die mittelitalienischen Länder, welche höchstens V? der ganzen
italienischen Bevölkerung enthalten, mit Noth und Mühe darauf rechnen,
46.000 Mann zusammenzubringen, und wenn die Zahl der in Italien in den
Händen der Truppen und in den Zeughäusern vorhandenen Gewehre min¬
destens 400000 beträgt? In Lüttich wurden im September große Bestell¬
ungen von Gewehren gemacht. Die Lütticher Fabriken lehnten sie ab, wie
man sagt, wegen der gestellten kurzen Lieferungsfrist. Wir wissen nicht, ob
dies der wahre Grund gewesen ist; doch wissen wir, daß die Lütticher
Fabriken, wenigstens was Massenleistungen betrifft, die ersten der Welt sind.
Jedenfalls wird sich aus unsern Zusammenstellungen, bei denen wir freilich
nicht auf Details eingegangen sind, die sich aber auf ganz zuverlässige Be¬
richte stützen, das ergeben, daß die Italiener bei ihren militärischen An-


Versprechen der Aufhebung der Conscription zu erzielen gedachten. Insbeson¬
dere wurde dies Mittel von Oestreich l8i3 angewendet. Zu ganz ähnlichen
Betrachtungen wie die kleine und mühevoll zusammengebrachte Armee zwin¬
gen den unparteiischen Beobachter die sparsamen Anleihen, welche Mittel¬
italien machte. Rechnet man alles zusammen, so kommen etwa 25 Millio¬
nen Franken heraus. Was ist damit anzufangen? Nach den Erfahrungen
der letzten Zeit kostet jetzt die Erhaltung eines Soldaten in Kriegs¬
zeiten im Durchschnitt — die höhern Gehalte und Equipirungskosten der
Officiere, die Beschaffung der Artillerie und der gemeinsamen Ausrüstung mit¬
gerechnet — bei der allergrößten Sparsamkeit doch nicht weniger als tausend
Franken, mit 25 Millionen sind also 25000 Mann ungefähr ein Jahr und
50000 Mann ein halbes Jahr zu unterhalten. Noch übler stellt sich das
Verhältniß heraus, wenn es sich um ganz neue Organisationen handelt, bei denen
außerdem auf eine ganz ruhige regelmäßige Verwaltung nicht zu rechnen ist.
Und was soll man nun dazu sagen, daß in den mittelitalienischen Ländern
überall ausposaunt ward, Piemont werde mit Geld und Waffen helfen.
In der That, sollte es nöthig sein, daß das arme Piemont, welches schon
von allen Enden her belastet ist und so zu sagen von Freund und Feind wie
ein Schlauch ausgepreßt wird, noch die mittelitalienischen Länder mit ihren
wenn auch reichen, so doch nicht genügend ausgebeuteten und in verhältnißmäßig
wenigen Händen befindlichen Hülfsquellen unterstützte, so würde die italienische
Bewegung sich von vornherein als eine Seifenblase ohne den geringsten In¬
halt herausstellen. Garibaldi hat für Italien eine Million Feuergewehre ver¬
langt und zu Subscriptionen zu diesem Zwecke aufgefordert, die wirklich in
ganz Italien vor sich gingen und bis zur Mitte des Novembers sich auf et¬
wa sechs Millionen Franken belaufen mochten, eine Summe, die ungefähr zur
Beschaffung von 100,000 gezogenen Gewehren — etwa einem Zehntel der ver¬
langten Summe, — hinreichen mag. Wozu aber die Million Gewehre für
Italien, wenn die mittelitalienischen Länder, welche höchstens V? der ganzen
italienischen Bevölkerung enthalten, mit Noth und Mühe darauf rechnen,
46.000 Mann zusammenzubringen, und wenn die Zahl der in Italien in den
Händen der Truppen und in den Zeughäusern vorhandenen Gewehre min¬
destens 400000 beträgt? In Lüttich wurden im September große Bestell¬
ungen von Gewehren gemacht. Die Lütticher Fabriken lehnten sie ab, wie
man sagt, wegen der gestellten kurzen Lieferungsfrist. Wir wissen nicht, ob
dies der wahre Grund gewesen ist; doch wissen wir, daß die Lütticher
Fabriken, wenigstens was Massenleistungen betrifft, die ersten der Welt sind.
Jedenfalls wird sich aus unsern Zusammenstellungen, bei denen wir freilich
nicht auf Details eingegangen sind, die sich aber auf ganz zuverlässige Be¬
richte stützen, das ergeben, daß die Italiener bei ihren militärischen An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/162>, abgerufen am 23.07.2024.