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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Rath geschwebt hatte, fortan kein sichrer Schirm mehr sein würde, und so
w>e in Böhmen die ersten Unruhen abbrachen, regte sich auch in Breswu
wieder der Geist der Zwietracht. Zwar suchte der Rath der Unzufriedenheit
unen Darum entgegenzusehen, indem er >3L!> die aus den Zünften gewählten
Geschworenen zu einer Art von Tribunat, einer eigentlichen Schutzobrigkeit der
Bürgerschaft bestellend, diese letztere eidlich sich verpflichten ließ, ihre Beschwer¬
de" nur auf diesem gesetzlichen Wege vorzudringen, während nam als letzte
Instanz immer die Appellation an den König offen stehen sollte; aber es gab
doch Elemente in der Stadt, welche sich durch solche Vereinbarung nicht bin¬
den ließen. DaS war einmal der große Haufen, das niedere Volk, dem es
natürlich vollständig gleichgiltig war, ob die verhältnißmäßig kleine Zahl von
"nnftberechtigten Handwerksmeistern Vertretung im Rath fanden oder nicht,
dem aber die unter Wenzel noch gestiegene Steuerlast hinreichenden Grund zur
Unzufriedenheit bot. und welches, wie überall, leicht zu entflammen und auf¬
zustacheln war. Dann aber gab es doch auch, wir wir schon sahen, zwer
Zünste, welche ganz speciellen Grund zur Mißstimmung zu haben glaubten,
"ut zu diese" trat jetzt auch die große Zunft der Fleischer, durch den 1387
an ni"em Tage der'Woche zugelassenen freien Fleischmarkt gereizt, doppelt
gefährlich sowol durch ihre große Anzahl (an einem einzige" Tage werden
1381 77 Schlächter als Bürger eingeschrieben), als auch dnrch ihre im ganzen
Mittelnlter gefürchtete Wildheit und Gewaltthätigkeit; endlich herrschte auch
in der Neustadt wie in den Vorstädten große Unzufriedenheit, indem die dor¬
ten Einwohner sich den altstädter Bürgern gegenüber sehr im Nachtheile
glaubten.

Diese Verbindung brachte 1390 den ersten Aufstand zu Wege. In dem¬
selben Jahre, wo auch in Böhmen sich die Unzufriedenheit gegen Wenzel znerst
Luft machte, begannen auch in Breslau die Kämpfe, die nnn fast dreißig
Jahre fortdauern sollten. Man setzte tumultuarisch den Nach ab und einen
neuen ein. Wie es dieser Härte anfangen sollen, um den widersprechenden
Forderungen der Aufrührer gerecht z" werden, ist nicht nbzuseh"; während der
gemeine Mann über zu hohe Steuern klagte, revolutionirten Bäcker und
Fleischer blos deshalb, weil sie ihr Brot und Fleisch nicht so theuer verkaufen
durften als sie es wünschten. Man verglich sich wol wieder, führte die alte
Nathöwnhl wieder ein. nur daß von jetzt an statt der alten acht Rathsmit-
glieder deren elf oder zwölf erscheinen, wovon drei aus den Zünften gewählt wer¬
den, aber 1494 erneuert sich die Empörung wieder, und Wenzel, der schon dnrch
Gesandte zu vermitteln versucht hat, erläßt nnn ein Decret, durch welches er
wenigstens die neustädter Bürger, die Vorstüdter und das angesehene Gewerbe
der Tuchmacher durch Concessionen zu gewinnen sucht; freilich den Brot- und
Tieischmartt konnte er nicht wol aufheben.


Rath geschwebt hatte, fortan kein sichrer Schirm mehr sein würde, und so
w>e in Böhmen die ersten Unruhen abbrachen, regte sich auch in Breswu
wieder der Geist der Zwietracht. Zwar suchte der Rath der Unzufriedenheit
unen Darum entgegenzusehen, indem er >3L!> die aus den Zünften gewählten
Geschworenen zu einer Art von Tribunat, einer eigentlichen Schutzobrigkeit der
Bürgerschaft bestellend, diese letztere eidlich sich verpflichten ließ, ihre Beschwer¬
de» nur auf diesem gesetzlichen Wege vorzudringen, während nam als letzte
Instanz immer die Appellation an den König offen stehen sollte; aber es gab
doch Elemente in der Stadt, welche sich durch solche Vereinbarung nicht bin¬
den ließen. DaS war einmal der große Haufen, das niedere Volk, dem es
natürlich vollständig gleichgiltig war, ob die verhältnißmäßig kleine Zahl von
»nnftberechtigten Handwerksmeistern Vertretung im Rath fanden oder nicht,
dem aber die unter Wenzel noch gestiegene Steuerlast hinreichenden Grund zur
Unzufriedenheit bot. und welches, wie überall, leicht zu entflammen und auf¬
zustacheln war. Dann aber gab es doch auch, wir wir schon sahen, zwer
Zünste, welche ganz speciellen Grund zur Mißstimmung zu haben glaubten,
"ut zu diese» trat jetzt auch die große Zunft der Fleischer, durch den 1387
an ni»em Tage der'Woche zugelassenen freien Fleischmarkt gereizt, doppelt
gefährlich sowol durch ihre große Anzahl (an einem einzige» Tage werden
1381 77 Schlächter als Bürger eingeschrieben), als auch dnrch ihre im ganzen
Mittelnlter gefürchtete Wildheit und Gewaltthätigkeit; endlich herrschte auch
in der Neustadt wie in den Vorstädten große Unzufriedenheit, indem die dor¬
ten Einwohner sich den altstädter Bürgern gegenüber sehr im Nachtheile
glaubten.

Diese Verbindung brachte 1390 den ersten Aufstand zu Wege. In dem¬
selben Jahre, wo auch in Böhmen sich die Unzufriedenheit gegen Wenzel znerst
Luft machte, begannen auch in Breslau die Kämpfe, die nnn fast dreißig
Jahre fortdauern sollten. Man setzte tumultuarisch den Nach ab und einen
neuen ein. Wie es dieser Härte anfangen sollen, um den widersprechenden
Forderungen der Aufrührer gerecht z» werden, ist nicht nbzuseh»; während der
gemeine Mann über zu hohe Steuern klagte, revolutionirten Bäcker und
Fleischer blos deshalb, weil sie ihr Brot und Fleisch nicht so theuer verkaufen
durften als sie es wünschten. Man verglich sich wol wieder, führte die alte
Nathöwnhl wieder ein. nur daß von jetzt an statt der alten acht Rathsmit-
glieder deren elf oder zwölf erscheinen, wovon drei aus den Zünften gewählt wer¬
den, aber 1494 erneuert sich die Empörung wieder, und Wenzel, der schon dnrch
Gesandte zu vermitteln versucht hat, erläßt nnn ein Decret, durch welches er
wenigstens die neustädter Bürger, die Vorstüdter und das angesehene Gewerbe
der Tuchmacher durch Concessionen zu gewinnen sucht; freilich den Brot- und
Tieischmartt konnte er nicht wol aufheben.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/73>, abgerufen am 24.07.2024.