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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Dies paßte beides auf Breslau nicht, und so galt denn hier der Grund-
sai^. den nur am allerhäufigsten in der Politik der Fürsten gegenüber den
Städten befolg sehen. Die Städte sind das Element im damaligen Staate,
welches die meisten materiellen Mittel, die meiste Steuerkraft hat'
, diese gilt
ermöglichst auszubeuten; man gebe nam alle möglichen Begünstigungen und
Freilisten, wenn sie eS nur dagegen sich angelegen sein lassen, die stets be¬
dürftigen Seckel der Fürsten nach Kräften gefüllt zu erhalten. Und da nun
das breSlauer Patriciat eben wesentlich ein kaufmännisches war. so war das
Geschäft bald abgeschlossen; der König gab Privilegien für den Handel, die
Stadt gab Geld! Nun hing aber etwas Andres damit eng zusammen.
Damit'die Stadt zahlen konnte. mußte die Gewalt des Rathes möglichst
"hohe und die Wahl desselben möglichst unabhängig gemacht werden
von dem zweifelhaften Schicksal der Wahlurne. Da man die politische
Ansicht, das; ein reger Aufschwung des Handels. wie ihn ausgedehnte
fürstliche Privilegien herbeiführen konnten, dem ganzen Gemeinwesen zu
Gute käme, dem großen Haufen nicht zutrauen konnte, so mußte das
Interesse der or.emburger Herrscher ebenso wie 'das der bresiauer Patnncr
einer Ausbildung der Bersassuug nach der demokratischen Seite hin breet
entgegen sein; 'so sehen wir denn, während der brcslauer Nath durch
mehrfache Gesandtschaften in die innigsten Beziehungen zu Prag noch vor
dem Tode Herzog Heinrichs tritt, zu derselben Zeit (1320) die sechs zünftigen Bei¬
sitzer wieder aus dem Rathe verschwinden, indem zugleich die bisherige Praxis,
den neuen Nath durch den abgehenden wählen zu lassen, im Jahre 1327 ge¬
setzlich sanctionirt wird.

Man darf sich nun nicht wundern, daß diese Vorgänge auf Opposition
stoßen, und dies wird um so erklärlicher, wenn wir bedenken, wie sehr damals
die Finanzwissenschaft in ihrer Kindheit war, so daß man es nicht anders
versteht, als daß, wenn in einem Jahre aus Veranlassung des Landesfürsten
eine bedeutende Mehrausgabe nöthig wurde, diese Summe sofort in ihrem
"anzen Betrage von den Bürgern eingezogen wurde. Daher konnte es damals
vorkommen, daß die Zahl der jährlichen Steuererhebungen von vier bis auf
zehn und der Ausgabcetat um das Doppelte, ja das Dreifache der vorjährigen
Summe stieg, so 'daß die Bürger also in manchen Jahren dreimal so viel
Steuern zahlen mußten als sonst. Daß solche Verhältnisse Unzufriedenheit
hervorriefen, kann kaum befremden, und andrerseits gab es auch unter den
Zünften einige, welche besondere Ursache zur Mißstimmung- hatten; so die
durch die Zulassung ihrer Concurrirten vom Lande gereizten Bäcker und vor
allem die Tuchmacher, denen die patricischen Tuchkaufleute den Verkauf ihrer
Producte nicht gestatten wollten.

Diese letztem waren es nun hauptsächlich, welche im Jahre 1333 einen


Dies paßte beides auf Breslau nicht, und so galt denn hier der Grund-
sai^. den nur am allerhäufigsten in der Politik der Fürsten gegenüber den
Städten befolg sehen. Die Städte sind das Element im damaligen Staate,
welches die meisten materiellen Mittel, die meiste Steuerkraft hat'
, diese gilt
ermöglichst auszubeuten; man gebe nam alle möglichen Begünstigungen und
Freilisten, wenn sie eS nur dagegen sich angelegen sein lassen, die stets be¬
dürftigen Seckel der Fürsten nach Kräften gefüllt zu erhalten. Und da nun
das breSlauer Patriciat eben wesentlich ein kaufmännisches war. so war das
Geschäft bald abgeschlossen; der König gab Privilegien für den Handel, die
Stadt gab Geld! Nun hing aber etwas Andres damit eng zusammen.
Damit'die Stadt zahlen konnte. mußte die Gewalt des Rathes möglichst
"hohe und die Wahl desselben möglichst unabhängig gemacht werden
von dem zweifelhaften Schicksal der Wahlurne. Da man die politische
Ansicht, das; ein reger Aufschwung des Handels. wie ihn ausgedehnte
fürstliche Privilegien herbeiführen konnten, dem ganzen Gemeinwesen zu
Gute käme, dem großen Haufen nicht zutrauen konnte, so mußte das
Interesse der or.emburger Herrscher ebenso wie 'das der bresiauer Patnncr
einer Ausbildung der Bersassuug nach der demokratischen Seite hin breet
entgegen sein; 'so sehen wir denn, während der brcslauer Nath durch
mehrfache Gesandtschaften in die innigsten Beziehungen zu Prag noch vor
dem Tode Herzog Heinrichs tritt, zu derselben Zeit (1320) die sechs zünftigen Bei¬
sitzer wieder aus dem Rathe verschwinden, indem zugleich die bisherige Praxis,
den neuen Nath durch den abgehenden wählen zu lassen, im Jahre 1327 ge¬
setzlich sanctionirt wird.

Man darf sich nun nicht wundern, daß diese Vorgänge auf Opposition
stoßen, und dies wird um so erklärlicher, wenn wir bedenken, wie sehr damals
die Finanzwissenschaft in ihrer Kindheit war, so daß man es nicht anders
versteht, als daß, wenn in einem Jahre aus Veranlassung des Landesfürsten
eine bedeutende Mehrausgabe nöthig wurde, diese Summe sofort in ihrem
«anzen Betrage von den Bürgern eingezogen wurde. Daher konnte es damals
vorkommen, daß die Zahl der jährlichen Steuererhebungen von vier bis auf
zehn und der Ausgabcetat um das Doppelte, ja das Dreifache der vorjährigen
Summe stieg, so 'daß die Bürger also in manchen Jahren dreimal so viel
Steuern zahlen mußten als sonst. Daß solche Verhältnisse Unzufriedenheit
hervorriefen, kann kaum befremden, und andrerseits gab es auch unter den
Zünften einige, welche besondere Ursache zur Mißstimmung- hatten; so die
durch die Zulassung ihrer Concurrirten vom Lande gereizten Bäcker und vor
allem die Tuchmacher, denen die patricischen Tuchkaufleute den Verkauf ihrer
Producte nicht gestatten wollten.

Diese letztem waren es nun hauptsächlich, welche im Jahre 1333 einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/69>, abgerufen am 24.07.2024.