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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Es befremdete mich, daß mehre moldauische Offiziere an Bord von
dem Pascha, einem General, dem Chef des Stabs der Armee ihres Ober¬
herrn, nicht die geringste Notiz nahmen, ihn weder grüßten, noch sich ihm
näherten, obgleich er in Uniform, wie sie, und ihnen gewiß bekannt war.
Sie waren fast alle junge, hübsche Leute, und gut geschnürt, aber von nicht
sonderlicher militärischer Haltung, trotz dem ganz und gar französirten Costüm,
welches sich übrigens auch den preußischen Waffcnröcken der Türken gegenüber
nicht zu seinem Bortheil auszeichnete. Allein der preußische Rock macht noch
lange nicht den preußischen Krieger; davon bekamen wir den augenscheinlichen
Beweis, als später zu Jsaktscha mehre türkische Offiziere niederer Grade auf
das Schiff kamen. Confiscirtere Strolche sind mir noch nie begegnet. Der
eine davon, ein hagerer, habichtsnasige>1 Gesell, trug ein roth und gelb ge¬
mustertes baumwollenes Halstuch als Cravate, den krummen Säbel, ein sehr
altes Waffenstück, verkehrt auf der Schulter und daran einen starken Bündel
mit Wäsche auf dem Rücken, in der Hand einen mächtigen Hcnkelkorb mit
Kirschen. Als er die Anwesenheit des Pascha gewahr wurde, setzte er seine
Habseligkeiten ruhig bei Seite, steckte den Säbel an, und bezeigte sofort dem
Vorgesetzten seine Ehrfurcht mit tiefer Verneigung und Handlegung auf die
Brust; dann wandte er sich hurtig um, holte seinen Kirschenkorb, warf im
Gehen die bedeckenden Weinblätter hinweg, und präsentirte dem Pascha
gutmüthig schmunzelnd die Früchte; dieser nahm etwas widerstrebend einige
davon, aber das war nicht genug, der galante Kriegsheld griff mit verdächtig
aussehenden Fingern tief in den Korb und suchte dem Oberen eine reichliche
Gabe aufzunöthigen, die dieser denn auch nicht verweigern mochte; dann
aber kannte die Großmuth des Geschmeichelten keine Grenze mehr, und er
machte mit seinen Kirschen die Runde auf dem ganzen Verdeck -- nur den
>Frauen bot er keine an, wie sich nach türkischer Lebensart von selbst versteht.
Mittlerweile hatte sich sein Begleiter, ebenfalls Offizier und wie der andere
mit mehren langbaumelnden Medaillen decorirt, ein abscheulich plattgedrücktes
Gesicht, das seine Ncgerabstammung nicht verleugnen konnte, in größter Non¬
chalance auf die Planken niedergekauert, gleichsam als wolle er der ganzen
Welt herausfordernd zeigen, daß er ein Paar Schuhe besitze. Und er hatte
ein Paar Schuhe, der Würdige, aber guter Himmel, welche! Niemand in
Deutschland würde sie von einem Kehrichthaufen aufheben, neugierig guckten
die Zehen daraus hervor in die Welt -- denn an den Luxus von Strümpfen
denkt kein echter Türke -- glücklicherweise waren aber Haut und Leder von
einerlei Farbe, daher kein großer Unterschied zu bemerken.

Abgesondert von seinen Kameraden hielt sich ein moldauischer Oberst, ein
hoher, stattlicher Mann, wie es schien starker Dreißiger, mit schwarzem, mäch¬
tigem Schnurrbnrt, dunklen Augen, aber etwas matten, verlebten Zügen.


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Es befremdete mich, daß mehre moldauische Offiziere an Bord von
dem Pascha, einem General, dem Chef des Stabs der Armee ihres Ober¬
herrn, nicht die geringste Notiz nahmen, ihn weder grüßten, noch sich ihm
näherten, obgleich er in Uniform, wie sie, und ihnen gewiß bekannt war.
Sie waren fast alle junge, hübsche Leute, und gut geschnürt, aber von nicht
sonderlicher militärischer Haltung, trotz dem ganz und gar französirten Costüm,
welches sich übrigens auch den preußischen Waffcnröcken der Türken gegenüber
nicht zu seinem Bortheil auszeichnete. Allein der preußische Rock macht noch
lange nicht den preußischen Krieger; davon bekamen wir den augenscheinlichen
Beweis, als später zu Jsaktscha mehre türkische Offiziere niederer Grade auf
das Schiff kamen. Confiscirtere Strolche sind mir noch nie begegnet. Der
eine davon, ein hagerer, habichtsnasige>1 Gesell, trug ein roth und gelb ge¬
mustertes baumwollenes Halstuch als Cravate, den krummen Säbel, ein sehr
altes Waffenstück, verkehrt auf der Schulter und daran einen starken Bündel
mit Wäsche auf dem Rücken, in der Hand einen mächtigen Hcnkelkorb mit
Kirschen. Als er die Anwesenheit des Pascha gewahr wurde, setzte er seine
Habseligkeiten ruhig bei Seite, steckte den Säbel an, und bezeigte sofort dem
Vorgesetzten seine Ehrfurcht mit tiefer Verneigung und Handlegung auf die
Brust; dann wandte er sich hurtig um, holte seinen Kirschenkorb, warf im
Gehen die bedeckenden Weinblätter hinweg, und präsentirte dem Pascha
gutmüthig schmunzelnd die Früchte; dieser nahm etwas widerstrebend einige
davon, aber das war nicht genug, der galante Kriegsheld griff mit verdächtig
aussehenden Fingern tief in den Korb und suchte dem Oberen eine reichliche
Gabe aufzunöthigen, die dieser denn auch nicht verweigern mochte; dann
aber kannte die Großmuth des Geschmeichelten keine Grenze mehr, und er
machte mit seinen Kirschen die Runde auf dem ganzen Verdeck — nur den
>Frauen bot er keine an, wie sich nach türkischer Lebensart von selbst versteht.
Mittlerweile hatte sich sein Begleiter, ebenfalls Offizier und wie der andere
mit mehren langbaumelnden Medaillen decorirt, ein abscheulich plattgedrücktes
Gesicht, das seine Ncgerabstammung nicht verleugnen konnte, in größter Non¬
chalance auf die Planken niedergekauert, gleichsam als wolle er der ganzen
Welt herausfordernd zeigen, daß er ein Paar Schuhe besitze. Und er hatte
ein Paar Schuhe, der Würdige, aber guter Himmel, welche! Niemand in
Deutschland würde sie von einem Kehrichthaufen aufheben, neugierig guckten
die Zehen daraus hervor in die Welt — denn an den Luxus von Strümpfen
denkt kein echter Türke — glücklicherweise waren aber Haut und Leder von
einerlei Farbe, daher kein großer Unterschied zu bemerken.

Abgesondert von seinen Kameraden hielt sich ein moldauischer Oberst, ein
hoher, stattlicher Mann, wie es schien starker Dreißiger, mit schwarzem, mäch¬
tigem Schnurrbnrt, dunklen Augen, aber etwas matten, verlebten Zügen.


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[0501] Es befremdete mich, daß mehre moldauische Offiziere an Bord von dem Pascha, einem General, dem Chef des Stabs der Armee ihres Ober¬ herrn, nicht die geringste Notiz nahmen, ihn weder grüßten, noch sich ihm näherten, obgleich er in Uniform, wie sie, und ihnen gewiß bekannt war. Sie waren fast alle junge, hübsche Leute, und gut geschnürt, aber von nicht sonderlicher militärischer Haltung, trotz dem ganz und gar französirten Costüm, welches sich übrigens auch den preußischen Waffcnröcken der Türken gegenüber nicht zu seinem Bortheil auszeichnete. Allein der preußische Rock macht noch lange nicht den preußischen Krieger; davon bekamen wir den augenscheinlichen Beweis, als später zu Jsaktscha mehre türkische Offiziere niederer Grade auf das Schiff kamen. Confiscirtere Strolche sind mir noch nie begegnet. Der eine davon, ein hagerer, habichtsnasige>1 Gesell, trug ein roth und gelb ge¬ mustertes baumwollenes Halstuch als Cravate, den krummen Säbel, ein sehr altes Waffenstück, verkehrt auf der Schulter und daran einen starken Bündel mit Wäsche auf dem Rücken, in der Hand einen mächtigen Hcnkelkorb mit Kirschen. Als er die Anwesenheit des Pascha gewahr wurde, setzte er seine Habseligkeiten ruhig bei Seite, steckte den Säbel an, und bezeigte sofort dem Vorgesetzten seine Ehrfurcht mit tiefer Verneigung und Handlegung auf die Brust; dann wandte er sich hurtig um, holte seinen Kirschenkorb, warf im Gehen die bedeckenden Weinblätter hinweg, und präsentirte dem Pascha gutmüthig schmunzelnd die Früchte; dieser nahm etwas widerstrebend einige davon, aber das war nicht genug, der galante Kriegsheld griff mit verdächtig aussehenden Fingern tief in den Korb und suchte dem Oberen eine reichliche Gabe aufzunöthigen, die dieser denn auch nicht verweigern mochte; dann aber kannte die Großmuth des Geschmeichelten keine Grenze mehr, und er machte mit seinen Kirschen die Runde auf dem ganzen Verdeck — nur den >Frauen bot er keine an, wie sich nach türkischer Lebensart von selbst versteht. Mittlerweile hatte sich sein Begleiter, ebenfalls Offizier und wie der andere mit mehren langbaumelnden Medaillen decorirt, ein abscheulich plattgedrücktes Gesicht, das seine Ncgerabstammung nicht verleugnen konnte, in größter Non¬ chalance auf die Planken niedergekauert, gleichsam als wolle er der ganzen Welt herausfordernd zeigen, daß er ein Paar Schuhe besitze. Und er hatte ein Paar Schuhe, der Würdige, aber guter Himmel, welche! Niemand in Deutschland würde sie von einem Kehrichthaufen aufheben, neugierig guckten die Zehen daraus hervor in die Welt — denn an den Luxus von Strümpfen denkt kein echter Türke — glücklicherweise waren aber Haut und Leder von einerlei Farbe, daher kein großer Unterschied zu bemerken. Abgesondert von seinen Kameraden hielt sich ein moldauischer Oberst, ein hoher, stattlicher Mann, wie es schien starker Dreißiger, mit schwarzem, mäch¬ tigem Schnurrbnrt, dunklen Augen, aber etwas matten, verlebten Zügen. 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/501>, abgerufen am 24.07.2024.