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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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geschlichteten Kampfes der Wissenschaft spricht die von den ersten und berühm¬
testen Landwirthen vertheidigte und durchgeführte Auffassung der Landwirth¬
schaft als eines Gewerbes, gleich allen übrigen Gewerben für die Grundsteuern,
wenn man einmal die Gewerbesteuer als eine gerechte, begründete directe
Steuer anerkennt, wie es ja aller Orten geschieht. Man bleibt hier fern von
dem im Ganzen unfruchtbaren Streit, ob eine Bodenrenke existire, wie hoch,
wie verschieden sie sei, und findet, wenn man dies Analogon zwischen Ge¬
werbe, Fabrikation und Ackerbau anerkennt, den klaren Beweis für die Richtig¬
keit und Zweckmäßigkeit der Grundsteuer. Daß aber der Betrieb des Acker¬
baues ganz ähnlich wie der Betrieb von Gewerbe und Fabrikation aufzufassen
sei, dafür kämpft Thaer in der Einleitung zu seiner rationellen Landwirthschaft
zum vierten Bande in überzeugender Weise. Es heißt hier: "Man setzt Pro-
duction und Fabrikation gewöhnlich gegenüber und glaubt, daß sie in phy¬
sischer Hinsicht nicht nur, sondern auch in ökonomischer oder gewerblicher der¬
maßen einander gegenüberstanden, daß die Grundsätze, die bei letzterer giltig
sind, bei ersterer durchaus keine Anwendung fänden, und daß folglich der
Producent sowol, als der Staatswirth in Ansehung beider ganz verschiedene
Maximen annehmen müsse.

Verschieden sind sie allerdings, und jede hat ihr Eigenthümliches ; aber
dies Eigenthümliche ist nicht so antipolarisch und nicht auf eine so grelle
Weise verschieden, wie man gewöhnlich angibt. Noch weniger ist der Unter¬
schied in Ansehung der entgegengesetzten Grundsätze begründet, die man nur
zu häufig zum Nachtheil der ersteren angenommen hat.

Schon länger und klarer sind die Regeln ausgebildet und dargestellt, welche
man zum glücklichen Betrieb des Fabrikwesens angenommen und beobachtet
hat. Sie können Fingerzeige für das Productionsgewerbe abgeben, wenn
man aus der Aehnlichkeit des letzteren mit dem ersteren die Anwendung jener
Regeln auf dieses folgert."

Neben die bis dahin angeführten Zweifel wissenschaftlicher Art treten
praktische Hindernisse von größter Bedeutung. -- Es klingt sehr einfach,
wenn Hoffmann sagt, daß die Grundsteuer als eine Steuer von dem Besitz
eines Raumes die sicherste sei, da das Dasein dieses Gegenstandes der Be-
steurung der Kenntniß und Verfügung der Staatsgewalt nicht entzogen wer¬
den könne; indessen ist es eine der schwierigsten Aufgaben, diesen Gegenstand
genau zu bestimmen. Die Bonitirung und Katastrirung der Rheinlande, welche
mit dem Jahre 1837 vollendet war, hat dem Staat vier Millionen Thaler
gekostet; leicht ersichtlich ist. daß eine ähnliche Abschätzung und Vermessung der
östlichen Provinzen einen noch einmal so großen Aufwand erfordern könnte.
Da man über den wahren Flächeninhalt des preußischen Staats bei der durch
die Feldmesserordnung zulässigen Fehlergrenze um dreißig Quadratmeilen nicht


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geschlichteten Kampfes der Wissenschaft spricht die von den ersten und berühm¬
testen Landwirthen vertheidigte und durchgeführte Auffassung der Landwirth¬
schaft als eines Gewerbes, gleich allen übrigen Gewerben für die Grundsteuern,
wenn man einmal die Gewerbesteuer als eine gerechte, begründete directe
Steuer anerkennt, wie es ja aller Orten geschieht. Man bleibt hier fern von
dem im Ganzen unfruchtbaren Streit, ob eine Bodenrenke existire, wie hoch,
wie verschieden sie sei, und findet, wenn man dies Analogon zwischen Ge¬
werbe, Fabrikation und Ackerbau anerkennt, den klaren Beweis für die Richtig¬
keit und Zweckmäßigkeit der Grundsteuer. Daß aber der Betrieb des Acker¬
baues ganz ähnlich wie der Betrieb von Gewerbe und Fabrikation aufzufassen
sei, dafür kämpft Thaer in der Einleitung zu seiner rationellen Landwirthschaft
zum vierten Bande in überzeugender Weise. Es heißt hier: „Man setzt Pro-
duction und Fabrikation gewöhnlich gegenüber und glaubt, daß sie in phy¬
sischer Hinsicht nicht nur, sondern auch in ökonomischer oder gewerblicher der¬
maßen einander gegenüberstanden, daß die Grundsätze, die bei letzterer giltig
sind, bei ersterer durchaus keine Anwendung fänden, und daß folglich der
Producent sowol, als der Staatswirth in Ansehung beider ganz verschiedene
Maximen annehmen müsse.

Verschieden sind sie allerdings, und jede hat ihr Eigenthümliches ; aber
dies Eigenthümliche ist nicht so antipolarisch und nicht auf eine so grelle
Weise verschieden, wie man gewöhnlich angibt. Noch weniger ist der Unter¬
schied in Ansehung der entgegengesetzten Grundsätze begründet, die man nur
zu häufig zum Nachtheil der ersteren angenommen hat.

Schon länger und klarer sind die Regeln ausgebildet und dargestellt, welche
man zum glücklichen Betrieb des Fabrikwesens angenommen und beobachtet
hat. Sie können Fingerzeige für das Productionsgewerbe abgeben, wenn
man aus der Aehnlichkeit des letzteren mit dem ersteren die Anwendung jener
Regeln auf dieses folgert."

Neben die bis dahin angeführten Zweifel wissenschaftlicher Art treten
praktische Hindernisse von größter Bedeutung. — Es klingt sehr einfach,
wenn Hoffmann sagt, daß die Grundsteuer als eine Steuer von dem Besitz
eines Raumes die sicherste sei, da das Dasein dieses Gegenstandes der Be-
steurung der Kenntniß und Verfügung der Staatsgewalt nicht entzogen wer¬
den könne; indessen ist es eine der schwierigsten Aufgaben, diesen Gegenstand
genau zu bestimmen. Die Bonitirung und Katastrirung der Rheinlande, welche
mit dem Jahre 1837 vollendet war, hat dem Staat vier Millionen Thaler
gekostet; leicht ersichtlich ist. daß eine ähnliche Abschätzung und Vermessung der
östlichen Provinzen einen noch einmal so großen Aufwand erfordern könnte.
Da man über den wahren Flächeninhalt des preußischen Staats bei der durch
die Feldmesserordnung zulässigen Fehlergrenze um dreißig Quadratmeilen nicht


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[0421] geschlichteten Kampfes der Wissenschaft spricht die von den ersten und berühm¬ testen Landwirthen vertheidigte und durchgeführte Auffassung der Landwirth¬ schaft als eines Gewerbes, gleich allen übrigen Gewerben für die Grundsteuern, wenn man einmal die Gewerbesteuer als eine gerechte, begründete directe Steuer anerkennt, wie es ja aller Orten geschieht. Man bleibt hier fern von dem im Ganzen unfruchtbaren Streit, ob eine Bodenrenke existire, wie hoch, wie verschieden sie sei, und findet, wenn man dies Analogon zwischen Ge¬ werbe, Fabrikation und Ackerbau anerkennt, den klaren Beweis für die Richtig¬ keit und Zweckmäßigkeit der Grundsteuer. Daß aber der Betrieb des Acker¬ baues ganz ähnlich wie der Betrieb von Gewerbe und Fabrikation aufzufassen sei, dafür kämpft Thaer in der Einleitung zu seiner rationellen Landwirthschaft zum vierten Bande in überzeugender Weise. Es heißt hier: „Man setzt Pro- duction und Fabrikation gewöhnlich gegenüber und glaubt, daß sie in phy¬ sischer Hinsicht nicht nur, sondern auch in ökonomischer oder gewerblicher der¬ maßen einander gegenüberstanden, daß die Grundsätze, die bei letzterer giltig sind, bei ersterer durchaus keine Anwendung fänden, und daß folglich der Producent sowol, als der Staatswirth in Ansehung beider ganz verschiedene Maximen annehmen müsse. Verschieden sind sie allerdings, und jede hat ihr Eigenthümliches ; aber dies Eigenthümliche ist nicht so antipolarisch und nicht auf eine so grelle Weise verschieden, wie man gewöhnlich angibt. Noch weniger ist der Unter¬ schied in Ansehung der entgegengesetzten Grundsätze begründet, die man nur zu häufig zum Nachtheil der ersteren angenommen hat. Schon länger und klarer sind die Regeln ausgebildet und dargestellt, welche man zum glücklichen Betrieb des Fabrikwesens angenommen und beobachtet hat. Sie können Fingerzeige für das Productionsgewerbe abgeben, wenn man aus der Aehnlichkeit des letzteren mit dem ersteren die Anwendung jener Regeln auf dieses folgert." Neben die bis dahin angeführten Zweifel wissenschaftlicher Art treten praktische Hindernisse von größter Bedeutung. — Es klingt sehr einfach, wenn Hoffmann sagt, daß die Grundsteuer als eine Steuer von dem Besitz eines Raumes die sicherste sei, da das Dasein dieses Gegenstandes der Be- steurung der Kenntniß und Verfügung der Staatsgewalt nicht entzogen wer¬ den könne; indessen ist es eine der schwierigsten Aufgaben, diesen Gegenstand genau zu bestimmen. Die Bonitirung und Katastrirung der Rheinlande, welche mit dem Jahre 1837 vollendet war, hat dem Staat vier Millionen Thaler gekostet; leicht ersichtlich ist. daß eine ähnliche Abschätzung und Vermessung der östlichen Provinzen einen noch einmal so großen Aufwand erfordern könnte. Da man über den wahren Flächeninhalt des preußischen Staats bei der durch die Feldmesserordnung zulässigen Fehlergrenze um dreißig Quadratmeilen nicht 52*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/421>, abgerufen am 24.07.2024.