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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Landes zur Zeit der Überschwemmungen durchreist, hört man unablässig das
grausenvolle Gebrüll dieser riesigen Eidechsen, eine Musik, der sich oft noch
die furchtbare Stimme des Königstigers beimischt. Elephanten und Nas¬
hörner sind gleichfalls in Menge in der Wildniß anzutreffen, ebenso Rudel
von wilden Büffeln und Schweinen. An den Gewässern schwärmen zahllose
Pelikane, Storche, Kraniche und Reiher, in den Wäldern Pfauen und an¬
dere Prachtvögel. Außerordentlich lästig sind die weißen Ameisen, welche nur
Steine und Metalle unzcrnngt lassen. Auf den Feldern', welche in der trock¬
nen Jahreszeit -- December bis Mai -- künstlich bewässert werden müssen,
baut man Reis, Mais, Zuckerrohr, Indigo, Tabak und Baumwolle. Früher
hatte man auch den Kaffecbau versucht, und die Versuche waren gelungen.
Seit aber die Europäer verjagt worden sind, hat man die Pflanzungen ein¬
gehen lassen. In vielen Provinzen beschäftigt man sich mit der Zucht von
Seidcnwürmem, in einigen auch mit dein Pfefferbau. Die Wälder sind reich
an den kostbarsten Hölzern, die Gebirge Tongtmgs, Ober- und Mittel-
kochinchinas enthalten Gold und Eisen, so wie verschiedene schöne Mar-
morarten.

Im Kaiserthum Aram wird der Handel mit dem Ausland fast nur von
chinesischen Dschontcnsührern betrieben. Diese führen Stoffe, eiserne Geräthe.
grobes Porzellan, eingemachte Früchte und Thee ein, und empfangen dafür
Reis, Fische, getrocknetes Fleisch, Felle, Rhinoceroshörner, Seide, Indigo und
verschiedene Droguen. Sie sind dabei stets im Vortheil; denn ohne eine
Spur von Gewissen und Ehrlichkeit verkaufen sie immer mit zu leichten und
taufen sie nie anders als mit zu schweren Gewichten. Die Landesmünze be¬
steht aus Zink oder Silber, Kupfer wird selten, Gold niemals dazu verwen¬
det. Das letztere Metall dient nur zu Schmucksachen für Frauen und Kinder,
zu Tabaks- und Beteldoscn für die Männer. Der Tag wird von den Ana-
mescn in 12 Stunden, das Jahr in 12 Mondmonate eingetheilt. Statt
unsrer Jahrzehnte und Jahrhunderte haben sie Gruppen von 12 und 60 Jahren.
In der Geschichtschreibung indeß rechnen sie nach den Negierungsjahrcn ihrer
Kaiser. Ihr Zahlensystem ist das Decimalsystem, ihre Sprache die chinesische,
die indeß nur von den Gelehrten rein gesprochen wird. Von Gestalt sind die
Anamiten in der Regel klein und untersetzt, ihre Gesichtszüge tragen den mon-
' gotischen Typus, ihre Hautfarbe spielt stark ins Gelbe. Unförmliche Nundung
und Dicke gilt für Schönheit. Männer und Frauen lassen die Haare wachsen.
Die Kleidung des Volkes ist sehr decent und bei beiden Geschlechtern gleich, nur
daß die Männer eine Art Turban von Krepp tragen, während die Frauen stets
banrhäuptig einhergehen. Im Uebrigen ist zu bemerken, daß die Tracht der
chinesischen ähnlich ist, daß nur alte Leute mit Stutzer sich der Sandalen
oder Babuschen bedienen, und daß man sich vom dreißigsten Jahre an den


Gttnzt'öde" 1. 1859, 48

Landes zur Zeit der Überschwemmungen durchreist, hört man unablässig das
grausenvolle Gebrüll dieser riesigen Eidechsen, eine Musik, der sich oft noch
die furchtbare Stimme des Königstigers beimischt. Elephanten und Nas¬
hörner sind gleichfalls in Menge in der Wildniß anzutreffen, ebenso Rudel
von wilden Büffeln und Schweinen. An den Gewässern schwärmen zahllose
Pelikane, Storche, Kraniche und Reiher, in den Wäldern Pfauen und an¬
dere Prachtvögel. Außerordentlich lästig sind die weißen Ameisen, welche nur
Steine und Metalle unzcrnngt lassen. Auf den Feldern', welche in der trock¬
nen Jahreszeit — December bis Mai — künstlich bewässert werden müssen,
baut man Reis, Mais, Zuckerrohr, Indigo, Tabak und Baumwolle. Früher
hatte man auch den Kaffecbau versucht, und die Versuche waren gelungen.
Seit aber die Europäer verjagt worden sind, hat man die Pflanzungen ein¬
gehen lassen. In vielen Provinzen beschäftigt man sich mit der Zucht von
Seidcnwürmem, in einigen auch mit dein Pfefferbau. Die Wälder sind reich
an den kostbarsten Hölzern, die Gebirge Tongtmgs, Ober- und Mittel-
kochinchinas enthalten Gold und Eisen, so wie verschiedene schöne Mar-
morarten.

Im Kaiserthum Aram wird der Handel mit dem Ausland fast nur von
chinesischen Dschontcnsührern betrieben. Diese führen Stoffe, eiserne Geräthe.
grobes Porzellan, eingemachte Früchte und Thee ein, und empfangen dafür
Reis, Fische, getrocknetes Fleisch, Felle, Rhinoceroshörner, Seide, Indigo und
verschiedene Droguen. Sie sind dabei stets im Vortheil; denn ohne eine
Spur von Gewissen und Ehrlichkeit verkaufen sie immer mit zu leichten und
taufen sie nie anders als mit zu schweren Gewichten. Die Landesmünze be¬
steht aus Zink oder Silber, Kupfer wird selten, Gold niemals dazu verwen¬
det. Das letztere Metall dient nur zu Schmucksachen für Frauen und Kinder,
zu Tabaks- und Beteldoscn für die Männer. Der Tag wird von den Ana-
mescn in 12 Stunden, das Jahr in 12 Mondmonate eingetheilt. Statt
unsrer Jahrzehnte und Jahrhunderte haben sie Gruppen von 12 und 60 Jahren.
In der Geschichtschreibung indeß rechnen sie nach den Negierungsjahrcn ihrer
Kaiser. Ihr Zahlensystem ist das Decimalsystem, ihre Sprache die chinesische,
die indeß nur von den Gelehrten rein gesprochen wird. Von Gestalt sind die
Anamiten in der Regel klein und untersetzt, ihre Gesichtszüge tragen den mon-
' gotischen Typus, ihre Hautfarbe spielt stark ins Gelbe. Unförmliche Nundung
und Dicke gilt für Schönheit. Männer und Frauen lassen die Haare wachsen.
Die Kleidung des Volkes ist sehr decent und bei beiden Geschlechtern gleich, nur
daß die Männer eine Art Turban von Krepp tragen, während die Frauen stets
banrhäuptig einhergehen. Im Uebrigen ist zu bemerken, daß die Tracht der
chinesischen ähnlich ist, daß nur alte Leute mit Stutzer sich der Sandalen
oder Babuschen bedienen, und daß man sich vom dreißigsten Jahre an den


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[0387] Landes zur Zeit der Überschwemmungen durchreist, hört man unablässig das grausenvolle Gebrüll dieser riesigen Eidechsen, eine Musik, der sich oft noch die furchtbare Stimme des Königstigers beimischt. Elephanten und Nas¬ hörner sind gleichfalls in Menge in der Wildniß anzutreffen, ebenso Rudel von wilden Büffeln und Schweinen. An den Gewässern schwärmen zahllose Pelikane, Storche, Kraniche und Reiher, in den Wäldern Pfauen und an¬ dere Prachtvögel. Außerordentlich lästig sind die weißen Ameisen, welche nur Steine und Metalle unzcrnngt lassen. Auf den Feldern', welche in der trock¬ nen Jahreszeit — December bis Mai — künstlich bewässert werden müssen, baut man Reis, Mais, Zuckerrohr, Indigo, Tabak und Baumwolle. Früher hatte man auch den Kaffecbau versucht, und die Versuche waren gelungen. Seit aber die Europäer verjagt worden sind, hat man die Pflanzungen ein¬ gehen lassen. In vielen Provinzen beschäftigt man sich mit der Zucht von Seidcnwürmem, in einigen auch mit dein Pfefferbau. Die Wälder sind reich an den kostbarsten Hölzern, die Gebirge Tongtmgs, Ober- und Mittel- kochinchinas enthalten Gold und Eisen, so wie verschiedene schöne Mar- morarten. Im Kaiserthum Aram wird der Handel mit dem Ausland fast nur von chinesischen Dschontcnsührern betrieben. Diese führen Stoffe, eiserne Geräthe. grobes Porzellan, eingemachte Früchte und Thee ein, und empfangen dafür Reis, Fische, getrocknetes Fleisch, Felle, Rhinoceroshörner, Seide, Indigo und verschiedene Droguen. Sie sind dabei stets im Vortheil; denn ohne eine Spur von Gewissen und Ehrlichkeit verkaufen sie immer mit zu leichten und taufen sie nie anders als mit zu schweren Gewichten. Die Landesmünze be¬ steht aus Zink oder Silber, Kupfer wird selten, Gold niemals dazu verwen¬ det. Das letztere Metall dient nur zu Schmucksachen für Frauen und Kinder, zu Tabaks- und Beteldoscn für die Männer. Der Tag wird von den Ana- mescn in 12 Stunden, das Jahr in 12 Mondmonate eingetheilt. Statt unsrer Jahrzehnte und Jahrhunderte haben sie Gruppen von 12 und 60 Jahren. In der Geschichtschreibung indeß rechnen sie nach den Negierungsjahrcn ihrer Kaiser. Ihr Zahlensystem ist das Decimalsystem, ihre Sprache die chinesische, die indeß nur von den Gelehrten rein gesprochen wird. Von Gestalt sind die Anamiten in der Regel klein und untersetzt, ihre Gesichtszüge tragen den mon- ' gotischen Typus, ihre Hautfarbe spielt stark ins Gelbe. Unförmliche Nundung und Dicke gilt für Schönheit. Männer und Frauen lassen die Haare wachsen. Die Kleidung des Volkes ist sehr decent und bei beiden Geschlechtern gleich, nur daß die Männer eine Art Turban von Krepp tragen, während die Frauen stets banrhäuptig einhergehen. Im Uebrigen ist zu bemerken, daß die Tracht der chinesischen ähnlich ist, daß nur alte Leute mit Stutzer sich der Sandalen oder Babuschen bedienen, und daß man sich vom dreißigsten Jahre an den Gttnzt'öde» 1. 1859, 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/387>, abgerufen am 24.07.2024.