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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Kems Tius zog seinem Oheim Thal Duk, welcher nach jenem Seesieg von
Ngnyen Aus in seiner Hauptstadt belagert wurde, zu Hilfe, benutzte aber-
diese Gelegenheit, den alten Nebellenkönig zur Abdankung zu nöthigen, wor¬
auf dieser im Jahre 1793 vor Verdruß starb. Dessen Sohn versuchte sich
die väterliche Krone wicderzucrobern, wurde indeß geschlagen, gefangen und
von seinem Vetter genöthigt, sich selbst den Tod zu geben, so daß jetzt nur
noch ein Kronprätendent, Kaub Tius, der Sohn des jüngsten der Taisong-
könige, dem legitimen Kaiser Nguyen Aus gegenüberstand. Der Krieg
zwischen diesen beiden währte noch geraume Zeit. Nguyen Aus, von dem
Bischof von Abram klug berathen und von seinen französischen Mandarinen unter¬
stützt, machte bald raschere und ausgedehntere Fortschritte. Auf die Fregatte
Oliviers folgten andere Schiffe, und als er deren eine genügende Anzahl be¬
saß, war seine Marine der seines Gegners bei jedem Treffen überlegen.
Wiederholt verbrannte er die Flotte der Tcnsong. Ebenso verbesserte sich seine
Landmacht mit jedem Jahr, bald hatte er mehre auf europäische Art geschulte
und bewaffnete Regimenter, und obwol sein Heer noch immer an Stärke hinter
dem des Nebellenkönigs zurückstand, blieb es doch fast bei jedem Zusammen¬
stoß mit dessen Truppen siegreich. Olivier erbaute aus Vefehl des Kaisers in
der Provinz Rha Trang ein zweites Fort. Dasselbe wurde 1794 von den
Taisong angegriffen, aber die Besatzung schlug den Sturm mit wenig An¬
strengung zurück; einige gutgezielte Kartätschenlagen aus den Feldstücken, mit
denen die Walle armirt waren, reichten hin, die stürmenden zu zerstreuen.
Die Feldkanonen riefen unter ihnen, die nur Festungsgeschütze auf plumpen
Klötzen kannten, große Verwunderung hervor. "Man kann," sagten sie. "dieser
Kriegsmaschine nicht widerstehen, sie lenken sie wie ein Pferd mit dem Zaum,
und sie laust mit dem Heer überall hin." 1799 ergab sich die Hauptstadt der
Provinz Kul Rhön der Armee, mit welcher Nguyen Audh Sohn, der Kron¬
prinz Kaub, sie belagerte. Dieser junge Fürst erlag 1801 einem Scharlach-
sieber. Er war von dem Bischof von Abram erzogen. Der fromme Herr
scheint aber sein Augenmerk entweder nicht so sehr auf die Seele, als auf die
politische Bedeutung seines Zöglings gerichtet, oder mit seinen Bemühungen
um erstere keinen rechten Erfolg erzielt zu haben. Der Prinz starb theils weil
er durch allerlei Ausschweifungen geschwächt war, theils weil er sich durch
Zauber heilen lassen wollte. Indeß glückte es zuletzt noch, die Seele sür den
christlich-katholischen Himmel zu erHaschen. Auf seinen Wunsch wurde er vor
seiner letzten Stunde von einem eifrigen Christen noch rasch getauft. Er hinter¬
ließ einige Söhne von einer Beischläferin, die, von ihrem Großvater vom
Throne fern gehalten und von allen spätern Herrschern mit Argwohn betrach¬
tet, von den Franzosen vielleicht noch einmal benutzt werden können, eine
ihnen ergebene Dynastie auf den Thron von Aram zu bringen.


Kems Tius zog seinem Oheim Thal Duk, welcher nach jenem Seesieg von
Ngnyen Aus in seiner Hauptstadt belagert wurde, zu Hilfe, benutzte aber-
diese Gelegenheit, den alten Nebellenkönig zur Abdankung zu nöthigen, wor¬
auf dieser im Jahre 1793 vor Verdruß starb. Dessen Sohn versuchte sich
die väterliche Krone wicderzucrobern, wurde indeß geschlagen, gefangen und
von seinem Vetter genöthigt, sich selbst den Tod zu geben, so daß jetzt nur
noch ein Kronprätendent, Kaub Tius, der Sohn des jüngsten der Taisong-
könige, dem legitimen Kaiser Nguyen Aus gegenüberstand. Der Krieg
zwischen diesen beiden währte noch geraume Zeit. Nguyen Aus, von dem
Bischof von Abram klug berathen und von seinen französischen Mandarinen unter¬
stützt, machte bald raschere und ausgedehntere Fortschritte. Auf die Fregatte
Oliviers folgten andere Schiffe, und als er deren eine genügende Anzahl be¬
saß, war seine Marine der seines Gegners bei jedem Treffen überlegen.
Wiederholt verbrannte er die Flotte der Tcnsong. Ebenso verbesserte sich seine
Landmacht mit jedem Jahr, bald hatte er mehre auf europäische Art geschulte
und bewaffnete Regimenter, und obwol sein Heer noch immer an Stärke hinter
dem des Nebellenkönigs zurückstand, blieb es doch fast bei jedem Zusammen¬
stoß mit dessen Truppen siegreich. Olivier erbaute aus Vefehl des Kaisers in
der Provinz Rha Trang ein zweites Fort. Dasselbe wurde 1794 von den
Taisong angegriffen, aber die Besatzung schlug den Sturm mit wenig An¬
strengung zurück; einige gutgezielte Kartätschenlagen aus den Feldstücken, mit
denen die Walle armirt waren, reichten hin, die stürmenden zu zerstreuen.
Die Feldkanonen riefen unter ihnen, die nur Festungsgeschütze auf plumpen
Klötzen kannten, große Verwunderung hervor. „Man kann," sagten sie. „dieser
Kriegsmaschine nicht widerstehen, sie lenken sie wie ein Pferd mit dem Zaum,
und sie laust mit dem Heer überall hin." 1799 ergab sich die Hauptstadt der
Provinz Kul Rhön der Armee, mit welcher Nguyen Audh Sohn, der Kron¬
prinz Kaub, sie belagerte. Dieser junge Fürst erlag 1801 einem Scharlach-
sieber. Er war von dem Bischof von Abram erzogen. Der fromme Herr
scheint aber sein Augenmerk entweder nicht so sehr auf die Seele, als auf die
politische Bedeutung seines Zöglings gerichtet, oder mit seinen Bemühungen
um erstere keinen rechten Erfolg erzielt zu haben. Der Prinz starb theils weil
er durch allerlei Ausschweifungen geschwächt war, theils weil er sich durch
Zauber heilen lassen wollte. Indeß glückte es zuletzt noch, die Seele sür den
christlich-katholischen Himmel zu erHaschen. Auf seinen Wunsch wurde er vor
seiner letzten Stunde von einem eifrigen Christen noch rasch getauft. Er hinter¬
ließ einige Söhne von einer Beischläferin, die, von ihrem Großvater vom
Throne fern gehalten und von allen spätern Herrschern mit Argwohn betrach¬
tet, von den Franzosen vielleicht noch einmal benutzt werden können, eine
ihnen ergebene Dynastie auf den Thron von Aram zu bringen.


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[0378] Kems Tius zog seinem Oheim Thal Duk, welcher nach jenem Seesieg von Ngnyen Aus in seiner Hauptstadt belagert wurde, zu Hilfe, benutzte aber- diese Gelegenheit, den alten Nebellenkönig zur Abdankung zu nöthigen, wor¬ auf dieser im Jahre 1793 vor Verdruß starb. Dessen Sohn versuchte sich die väterliche Krone wicderzucrobern, wurde indeß geschlagen, gefangen und von seinem Vetter genöthigt, sich selbst den Tod zu geben, so daß jetzt nur noch ein Kronprätendent, Kaub Tius, der Sohn des jüngsten der Taisong- könige, dem legitimen Kaiser Nguyen Aus gegenüberstand. Der Krieg zwischen diesen beiden währte noch geraume Zeit. Nguyen Aus, von dem Bischof von Abram klug berathen und von seinen französischen Mandarinen unter¬ stützt, machte bald raschere und ausgedehntere Fortschritte. Auf die Fregatte Oliviers folgten andere Schiffe, und als er deren eine genügende Anzahl be¬ saß, war seine Marine der seines Gegners bei jedem Treffen überlegen. Wiederholt verbrannte er die Flotte der Tcnsong. Ebenso verbesserte sich seine Landmacht mit jedem Jahr, bald hatte er mehre auf europäische Art geschulte und bewaffnete Regimenter, und obwol sein Heer noch immer an Stärke hinter dem des Nebellenkönigs zurückstand, blieb es doch fast bei jedem Zusammen¬ stoß mit dessen Truppen siegreich. Olivier erbaute aus Vefehl des Kaisers in der Provinz Rha Trang ein zweites Fort. Dasselbe wurde 1794 von den Taisong angegriffen, aber die Besatzung schlug den Sturm mit wenig An¬ strengung zurück; einige gutgezielte Kartätschenlagen aus den Feldstücken, mit denen die Walle armirt waren, reichten hin, die stürmenden zu zerstreuen. Die Feldkanonen riefen unter ihnen, die nur Festungsgeschütze auf plumpen Klötzen kannten, große Verwunderung hervor. „Man kann," sagten sie. „dieser Kriegsmaschine nicht widerstehen, sie lenken sie wie ein Pferd mit dem Zaum, und sie laust mit dem Heer überall hin." 1799 ergab sich die Hauptstadt der Provinz Kul Rhön der Armee, mit welcher Nguyen Audh Sohn, der Kron¬ prinz Kaub, sie belagerte. Dieser junge Fürst erlag 1801 einem Scharlach- sieber. Er war von dem Bischof von Abram erzogen. Der fromme Herr scheint aber sein Augenmerk entweder nicht so sehr auf die Seele, als auf die politische Bedeutung seines Zöglings gerichtet, oder mit seinen Bemühungen um erstere keinen rechten Erfolg erzielt zu haben. Der Prinz starb theils weil er durch allerlei Ausschweifungen geschwächt war, theils weil er sich durch Zauber heilen lassen wollte. Indeß glückte es zuletzt noch, die Seele sür den christlich-katholischen Himmel zu erHaschen. Auf seinen Wunsch wurde er vor seiner letzten Stunde von einem eifrigen Christen noch rasch getauft. Er hinter¬ ließ einige Söhne von einer Beischläferin, die, von ihrem Großvater vom Throne fern gehalten und von allen spätern Herrschern mit Argwohn betrach¬ tet, von den Franzosen vielleicht noch einmal benutzt werden können, eine ihnen ergebene Dynastie auf den Thron von Aram zu bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/378>, abgerufen am 24.07.2024.