Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schafft, bewog die Kochinchinesen, den König von Tongking. welches damals
ein Königreich für sich bildete, zur Vertreibung des aufgedrungenen Fürsten
herbeizurufen; derselbe kam und eroberte den ganzen Norden von Kochinchina.
Dagegen erhob sich wieder ein Steuereinnehmer Namens Rhat, welcher sich mit
mehren Räuberbanden vereinigte und es durch glückliche Gefechte dahin brachte,
daß die Tongkinesen die von ihnen besetzten Provinzen Kochinchinas räumten,
worauf er sich nach Süden wandte, angeblich, um nach Verjagung der Frem¬
den dem legitimen Thronerben, d. h. dem ältesten Sohne des im Kerker ge¬
storbenen Prinzen, zu seinem Rechte zu verhelfen. Seine Anhänger nannten
sich Taisong. Der Kaiser Han Wüong mußte vor ihnen das Feld räumen,
und bei dieser Gelegenheit entflohen ihm die beiden Söhne seines verstorbenen
ältern Bruders. Der jüngere derselben kehrte indeß bald wieder zu seinem
Oheim zurück, während der ältere in das Lager der Taisong gelangte, deren
Führer, Rhat -- jetzt selbst nach dem Throne strebend -- ihm seine Tochter
vermählte und ihn als Deckmantel für seine ehrgeizigen Pläne bei sich behielt.
Nach einigen Jahren gelang es dem Prinzen, diesem Verhältniß, welches sich
allmälig zu einer Art Gefangenschaft gestaltet hatte, zu entfliehen. Er kehrte
ebenfalls zu seinem Oheim zurück, der durch eine Partei unter den Mandarinen
genöthigt wurde, ihm die Krone abzutreten, bald nachher aber, von einer
andern Partei unterstützt, im östlichen Theil von Niederkochinchina wieder
als Herrscher aufzutreten versuchte. Die Taisong griffen ihn hier an, nahmen
ihn gefangen und tödteten ihn. Sein Neffe, jetzt rechtmäßiger Kaiser,
wurde von Rhat, der nunmehr offen als Prätendent auftrat, mit den Waffen
genöthigt, .sich ihm zu ergeben, und der Rebellenhäuptling wußte es so ein¬
zurichten, daß der arme Fürst ebenfalls bald das Zeitliche gesegnete.

Jetzt war von der ganzen kaiserlichen Familie nur noch der zweite Neffe
Han Wüongs übrig, welcher, als der letztere in die Hände der Taisong siel,
sich zu retten gewußt hatte und eine Zeit lang im Hause des französischen
Missionärs Pignaux. Bischofs von Abram, verborgen blieb. Als die Taisong
sich zurückzogen, verließ dieser Prinz, welcher damals den Namen Nguyen Aus
führte, später aber nach chinesischer Sitte die Benennung seiner Regierungs-
pcriode sah'la Long annahm, seinen Zufluchtsort, sammelte einige Soldaten
um sich, sah sich bald durch andere Anhänger der legitimen Dynastie verstärkt,
machte sich mit deren Hilft in kurzer Zeit zum Herrn von ganz Niederkochin¬
china und ließ sich 1779 zum Kaiser ausrufen. Rhat seinerseits wurde von
den Taisong zum Kaiser erwählt, wobei er den Namen Thal Duk annahm.
Nach verschiedenen Kriegen zwischen den beiden Gegnern wurde der Erbe der
alten Herrscher von dem Rebellenkaiser aus Südkochinchina vertrieben. Er
floh nach Siam, kehrte 1784 mit einer siamesischen Armee zurück, wurde aber¬
mals geschlagen und flüchtete wieder nach Siam, wo er mit dem Bischof von


schafft, bewog die Kochinchinesen, den König von Tongking. welches damals
ein Königreich für sich bildete, zur Vertreibung des aufgedrungenen Fürsten
herbeizurufen; derselbe kam und eroberte den ganzen Norden von Kochinchina.
Dagegen erhob sich wieder ein Steuereinnehmer Namens Rhat, welcher sich mit
mehren Räuberbanden vereinigte und es durch glückliche Gefechte dahin brachte,
daß die Tongkinesen die von ihnen besetzten Provinzen Kochinchinas räumten,
worauf er sich nach Süden wandte, angeblich, um nach Verjagung der Frem¬
den dem legitimen Thronerben, d. h. dem ältesten Sohne des im Kerker ge¬
storbenen Prinzen, zu seinem Rechte zu verhelfen. Seine Anhänger nannten
sich Taisong. Der Kaiser Han Wüong mußte vor ihnen das Feld räumen,
und bei dieser Gelegenheit entflohen ihm die beiden Söhne seines verstorbenen
ältern Bruders. Der jüngere derselben kehrte indeß bald wieder zu seinem
Oheim zurück, während der ältere in das Lager der Taisong gelangte, deren
Führer, Rhat — jetzt selbst nach dem Throne strebend — ihm seine Tochter
vermählte und ihn als Deckmantel für seine ehrgeizigen Pläne bei sich behielt.
Nach einigen Jahren gelang es dem Prinzen, diesem Verhältniß, welches sich
allmälig zu einer Art Gefangenschaft gestaltet hatte, zu entfliehen. Er kehrte
ebenfalls zu seinem Oheim zurück, der durch eine Partei unter den Mandarinen
genöthigt wurde, ihm die Krone abzutreten, bald nachher aber, von einer
andern Partei unterstützt, im östlichen Theil von Niederkochinchina wieder
als Herrscher aufzutreten versuchte. Die Taisong griffen ihn hier an, nahmen
ihn gefangen und tödteten ihn. Sein Neffe, jetzt rechtmäßiger Kaiser,
wurde von Rhat, der nunmehr offen als Prätendent auftrat, mit den Waffen
genöthigt, .sich ihm zu ergeben, und der Rebellenhäuptling wußte es so ein¬
zurichten, daß der arme Fürst ebenfalls bald das Zeitliche gesegnete.

Jetzt war von der ganzen kaiserlichen Familie nur noch der zweite Neffe
Han Wüongs übrig, welcher, als der letztere in die Hände der Taisong siel,
sich zu retten gewußt hatte und eine Zeit lang im Hause des französischen
Missionärs Pignaux. Bischofs von Abram, verborgen blieb. Als die Taisong
sich zurückzogen, verließ dieser Prinz, welcher damals den Namen Nguyen Aus
führte, später aber nach chinesischer Sitte die Benennung seiner Regierungs-
pcriode sah'la Long annahm, seinen Zufluchtsort, sammelte einige Soldaten
um sich, sah sich bald durch andere Anhänger der legitimen Dynastie verstärkt,
machte sich mit deren Hilft in kurzer Zeit zum Herrn von ganz Niederkochin¬
china und ließ sich 1779 zum Kaiser ausrufen. Rhat seinerseits wurde von
den Taisong zum Kaiser erwählt, wobei er den Namen Thal Duk annahm.
Nach verschiedenen Kriegen zwischen den beiden Gegnern wurde der Erbe der
alten Herrscher von dem Rebellenkaiser aus Südkochinchina vertrieben. Er
floh nach Siam, kehrte 1784 mit einer siamesischen Armee zurück, wurde aber¬
mals geschlagen und flüchtete wieder nach Siam, wo er mit dem Bischof von


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0374" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187326"/>
          <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> schafft, bewog die Kochinchinesen, den König von Tongking. welches damals<lb/>
ein Königreich für sich bildete, zur Vertreibung des aufgedrungenen Fürsten<lb/>
herbeizurufen; derselbe kam und eroberte den ganzen Norden von Kochinchina.<lb/>
Dagegen erhob sich wieder ein Steuereinnehmer Namens Rhat, welcher sich mit<lb/>
mehren Räuberbanden vereinigte und es durch glückliche Gefechte dahin brachte,<lb/>
daß die Tongkinesen die von ihnen besetzten Provinzen Kochinchinas räumten,<lb/>
worauf er sich nach Süden wandte, angeblich, um nach Verjagung der Frem¬<lb/>
den dem legitimen Thronerben, d. h. dem ältesten Sohne des im Kerker ge¬<lb/>
storbenen Prinzen, zu seinem Rechte zu verhelfen. Seine Anhänger nannten<lb/>
sich Taisong. Der Kaiser Han Wüong mußte vor ihnen das Feld räumen,<lb/>
und bei dieser Gelegenheit entflohen ihm die beiden Söhne seines verstorbenen<lb/>
ältern Bruders. Der jüngere derselben kehrte indeß bald wieder zu seinem<lb/>
Oheim zurück, während der ältere in das Lager der Taisong gelangte, deren<lb/>
Führer, Rhat &#x2014; jetzt selbst nach dem Throne strebend &#x2014; ihm seine Tochter<lb/>
vermählte und ihn als Deckmantel für seine ehrgeizigen Pläne bei sich behielt.<lb/>
Nach einigen Jahren gelang es dem Prinzen, diesem Verhältniß, welches sich<lb/>
allmälig zu einer Art Gefangenschaft gestaltet hatte, zu entfliehen. Er kehrte<lb/>
ebenfalls zu seinem Oheim zurück, der durch eine Partei unter den Mandarinen<lb/>
genöthigt wurde, ihm die Krone abzutreten, bald nachher aber, von einer<lb/>
andern Partei unterstützt, im östlichen Theil von Niederkochinchina wieder<lb/>
als Herrscher aufzutreten versuchte. Die Taisong griffen ihn hier an, nahmen<lb/>
ihn gefangen und tödteten ihn. Sein Neffe, jetzt rechtmäßiger Kaiser,<lb/>
wurde von Rhat, der nunmehr offen als Prätendent auftrat, mit den Waffen<lb/>
genöthigt, .sich ihm zu ergeben, und der Rebellenhäuptling wußte es so ein¬<lb/>
zurichten, daß der arme Fürst ebenfalls bald das Zeitliche gesegnete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1046" next="#ID_1047"> Jetzt war von der ganzen kaiserlichen Familie nur noch der zweite Neffe<lb/>
Han Wüongs übrig, welcher, als der letztere in die Hände der Taisong siel,<lb/>
sich zu retten gewußt hatte und eine Zeit lang im Hause des französischen<lb/>
Missionärs Pignaux. Bischofs von Abram, verborgen blieb. Als die Taisong<lb/>
sich zurückzogen, verließ dieser Prinz, welcher damals den Namen Nguyen Aus<lb/>
führte, später aber nach chinesischer Sitte die Benennung seiner Regierungs-<lb/>
pcriode sah'la Long annahm, seinen Zufluchtsort, sammelte einige Soldaten<lb/>
um sich, sah sich bald durch andere Anhänger der legitimen Dynastie verstärkt,<lb/>
machte sich mit deren Hilft in kurzer Zeit zum Herrn von ganz Niederkochin¬<lb/>
china und ließ sich 1779 zum Kaiser ausrufen. Rhat seinerseits wurde von<lb/>
den Taisong zum Kaiser erwählt, wobei er den Namen Thal Duk annahm.<lb/>
Nach verschiedenen Kriegen zwischen den beiden Gegnern wurde der Erbe der<lb/>
alten Herrscher von dem Rebellenkaiser aus Südkochinchina vertrieben. Er<lb/>
floh nach Siam, kehrte 1784 mit einer siamesischen Armee zurück, wurde aber¬<lb/>
mals geschlagen und flüchtete wieder nach Siam, wo er mit dem Bischof von</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0374] schafft, bewog die Kochinchinesen, den König von Tongking. welches damals ein Königreich für sich bildete, zur Vertreibung des aufgedrungenen Fürsten herbeizurufen; derselbe kam und eroberte den ganzen Norden von Kochinchina. Dagegen erhob sich wieder ein Steuereinnehmer Namens Rhat, welcher sich mit mehren Räuberbanden vereinigte und es durch glückliche Gefechte dahin brachte, daß die Tongkinesen die von ihnen besetzten Provinzen Kochinchinas räumten, worauf er sich nach Süden wandte, angeblich, um nach Verjagung der Frem¬ den dem legitimen Thronerben, d. h. dem ältesten Sohne des im Kerker ge¬ storbenen Prinzen, zu seinem Rechte zu verhelfen. Seine Anhänger nannten sich Taisong. Der Kaiser Han Wüong mußte vor ihnen das Feld räumen, und bei dieser Gelegenheit entflohen ihm die beiden Söhne seines verstorbenen ältern Bruders. Der jüngere derselben kehrte indeß bald wieder zu seinem Oheim zurück, während der ältere in das Lager der Taisong gelangte, deren Führer, Rhat — jetzt selbst nach dem Throne strebend — ihm seine Tochter vermählte und ihn als Deckmantel für seine ehrgeizigen Pläne bei sich behielt. Nach einigen Jahren gelang es dem Prinzen, diesem Verhältniß, welches sich allmälig zu einer Art Gefangenschaft gestaltet hatte, zu entfliehen. Er kehrte ebenfalls zu seinem Oheim zurück, der durch eine Partei unter den Mandarinen genöthigt wurde, ihm die Krone abzutreten, bald nachher aber, von einer andern Partei unterstützt, im östlichen Theil von Niederkochinchina wieder als Herrscher aufzutreten versuchte. Die Taisong griffen ihn hier an, nahmen ihn gefangen und tödteten ihn. Sein Neffe, jetzt rechtmäßiger Kaiser, wurde von Rhat, der nunmehr offen als Prätendent auftrat, mit den Waffen genöthigt, .sich ihm zu ergeben, und der Rebellenhäuptling wußte es so ein¬ zurichten, daß der arme Fürst ebenfalls bald das Zeitliche gesegnete. Jetzt war von der ganzen kaiserlichen Familie nur noch der zweite Neffe Han Wüongs übrig, welcher, als der letztere in die Hände der Taisong siel, sich zu retten gewußt hatte und eine Zeit lang im Hause des französischen Missionärs Pignaux. Bischofs von Abram, verborgen blieb. Als die Taisong sich zurückzogen, verließ dieser Prinz, welcher damals den Namen Nguyen Aus führte, später aber nach chinesischer Sitte die Benennung seiner Regierungs- pcriode sah'la Long annahm, seinen Zufluchtsort, sammelte einige Soldaten um sich, sah sich bald durch andere Anhänger der legitimen Dynastie verstärkt, machte sich mit deren Hilft in kurzer Zeit zum Herrn von ganz Niederkochin¬ china und ließ sich 1779 zum Kaiser ausrufen. Rhat seinerseits wurde von den Taisong zum Kaiser erwählt, wobei er den Namen Thal Duk annahm. Nach verschiedenen Kriegen zwischen den beiden Gegnern wurde der Erbe der alten Herrscher von dem Rebellenkaiser aus Südkochinchina vertrieben. Er floh nach Siam, kehrte 1784 mit einer siamesischen Armee zurück, wurde aber¬ mals geschlagen und flüchtete wieder nach Siam, wo er mit dem Bischof von

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/374
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/374>, abgerufen am 24.07.2024.