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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Rechtsverdrehers Regulus. Dieser kam zu einer reichen Frau ans Krankenlager.
"Er setzte sich nahe zu ihr, fragte sie. an welchem Tage, zu welcher Stunde sie
geboren sei; als er das gehört hatte, nahm er eine ernste Miene an, faltete
die Augenbrauen, bewegte die Lippen, spreizte die Finger und rechnete
nur, damit die Arme recht lange in Erwartung schwebte. Du stehst, sprach
er hierauf, in einem Stufenjahre; aber du wirst davon kommen. Und iB
die Probe auf sein Exempel zu machen, läuft er schnell zu einem Eingeweide'
beschauer und erhält natürlich dieselbe Antwort. Die leichtgläubige KraB
verlangt ihr Testament und setzt dem Regulus aus Dankbarkeit ein Legat aus-
als sie aber immer kränker wurde, verwünschte sie sterbend den meineidige"
Betrüger."

Auch der in der Schule Neronischer Genußsucht verdorbene Otho ließ
sich ganz von Astrologen beherrschen und als einmal die Prophezeihung
Ptolemäus eingetroffen war, daß er den Kaiser Nero überleben werde,
schenkte er leicht der weiteren Versicherung Glauben: daß er selbst ^
Kaiserwürde bestimmt sei und lebte sich iso in diesen fatalistischen Wal)"
hinein, daß er sogar die Ermordung Gathas beschleunigte, weil es die Seer"'
tenter so haben wollten! Sein Nachfolger Vitellius, früher in allem de'"
Orakel der Sterne gehorsam, haßte als Kaiser die Mathematiker tödtlich u>^
ließ jeden, der sich verrieth, ohne Untersuchung hinrichten. Er hatte nämliä)
ein Edict publicirt. in welchem er ihnen geboten hatte, bis zum ersten Octobc>'
Italien zu verlassen; am nächsten Morgen las man an allen Straßenecken.
"Glück und Heil! Die Chaldäer sagen hiermit an. daß Vitellius Germania^
bis zum ersten October nicht mehr czistiren wird." Auch unter Vespcisia"
blieb dies Verbannungsdecret gegen die Unverschämter in Kraft; der Kerl^
aber selbst war, wie Tacitus sagt, nicht frei von diesem Aberglauben u>'d
hatte stets den Astrologen Seleukus als Berather in seiner Nähe. Ihm peril"
die Zuversicht auf seine Nativität solches Selbstvertrauen, daß er einst de>"
Senate, der einiger Verschwörungen wegen besorgt geworden war. persiche^'
entweder würden seine Söhne ihm nachfolgen oder niemand. Titus
selbst Eingeweihter der Kunst und stellte nach Sueton anderen das Horoskop
Der Haß Domitians. der die Chaldäer ebenfalls vertrieb, hatte, wie a" '
ursprünglich bei Vitellius, seinen Grund .darin, daß ihm dieselben Una"'
genehmes in Beziehung auf seinen Tod prophezeiht hatten. Die Erzähln^
Suetons vom Märtyrertode des Astrologen Ascletario klingt wahrhal
legendenartig. Derselbe hatte das nahe Ende Domitians vorhergesagt u"
wiederholte seine Prophezeihung muthig vor dem Tyrannen. Auf die Fe"^
welches Ende denn er selbst haben werde, antwortete er: "Ich werde in ku'
zen von Hunden zerrissen werden." Obgleich nun der Kaiser sogleich befa^den Ascletario zu todten und sorgfältig zu verbrennen, ging die VoraU


Rechtsverdrehers Regulus. Dieser kam zu einer reichen Frau ans Krankenlager.
„Er setzte sich nahe zu ihr, fragte sie. an welchem Tage, zu welcher Stunde sie
geboren sei; als er das gehört hatte, nahm er eine ernste Miene an, faltete
die Augenbrauen, bewegte die Lippen, spreizte die Finger und rechnete
nur, damit die Arme recht lange in Erwartung schwebte. Du stehst, sprach
er hierauf, in einem Stufenjahre; aber du wirst davon kommen. Und iB
die Probe auf sein Exempel zu machen, läuft er schnell zu einem Eingeweide'
beschauer und erhält natürlich dieselbe Antwort. Die leichtgläubige KraB
verlangt ihr Testament und setzt dem Regulus aus Dankbarkeit ein Legat aus-
als sie aber immer kränker wurde, verwünschte sie sterbend den meineidige"
Betrüger."

Auch der in der Schule Neronischer Genußsucht verdorbene Otho ließ
sich ganz von Astrologen beherrschen und als einmal die Prophezeihung
Ptolemäus eingetroffen war, daß er den Kaiser Nero überleben werde,
schenkte er leicht der weiteren Versicherung Glauben: daß er selbst ^
Kaiserwürde bestimmt sei und lebte sich iso in diesen fatalistischen Wal)"
hinein, daß er sogar die Ermordung Gathas beschleunigte, weil es die Seer"'
tenter so haben wollten! Sein Nachfolger Vitellius, früher in allem de'"
Orakel der Sterne gehorsam, haßte als Kaiser die Mathematiker tödtlich u>^
ließ jeden, der sich verrieth, ohne Untersuchung hinrichten. Er hatte nämliä)
ein Edict publicirt. in welchem er ihnen geboten hatte, bis zum ersten Octobc>'
Italien zu verlassen; am nächsten Morgen las man an allen Straßenecken.
„Glück und Heil! Die Chaldäer sagen hiermit an. daß Vitellius Germania^
bis zum ersten October nicht mehr czistiren wird." Auch unter Vespcisia"
blieb dies Verbannungsdecret gegen die Unverschämter in Kraft; der Kerl^
aber selbst war, wie Tacitus sagt, nicht frei von diesem Aberglauben u>'d
hatte stets den Astrologen Seleukus als Berather in seiner Nähe. Ihm peril»
die Zuversicht auf seine Nativität solches Selbstvertrauen, daß er einst de>"
Senate, der einiger Verschwörungen wegen besorgt geworden war. persiche^'
entweder würden seine Söhne ihm nachfolgen oder niemand. Titus
selbst Eingeweihter der Kunst und stellte nach Sueton anderen das Horoskop
Der Haß Domitians. der die Chaldäer ebenfalls vertrieb, hatte, wie a» '
ursprünglich bei Vitellius, seinen Grund .darin, daß ihm dieselben Una"'
genehmes in Beziehung auf seinen Tod prophezeiht hatten. Die Erzähln^
Suetons vom Märtyrertode des Astrologen Ascletario klingt wahrhal
legendenartig. Derselbe hatte das nahe Ende Domitians vorhergesagt u»
wiederholte seine Prophezeihung muthig vor dem Tyrannen. Auf die Fe"^
welches Ende denn er selbst haben werde, antwortete er: „Ich werde in ku'
zen von Hunden zerrissen werden." Obgleich nun der Kaiser sogleich befa^den Ascletario zu todten und sorgfältig zu verbrennen, ging die VoraU


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/320>, abgerufen am 24.07.2024.