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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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^ sehr, daß ich selbst ein Serbe sein und euren Glauben annehmen könnte."
^ half nichts: die Bauern wollten keinen Aufklärer, keinen Freund des
^ichtslawischeu, nichtorthodoxen) Auslandes, keinen Doctrinär. Ebenso täuschte
s'es Wutschitsch. Die Bauern wollten auch keinen andern Senator, keinen
^"dern Aristokraten. Sie wollten Milosch. und da dieser nicht zugegen war.
^' wählte man eine provisorische Regierung, um das Land bis zu seiner An-
"uft und seiner Bestätigung durch die Pforte zu verwalten.

Der Senat, das Militär blieb noch einen Tag hindurch schwierig. Letz-
^ ging truppweise über, nachdem es einmal fast zum Kampf zwischen ihm
und den Anhängern der Skupschtina gekommen wäre. Der Senat dagegen
Klärte erst, daß er mit der Absetzung Alexanders einverstanden sei, dann,
aß er diese Erklärung als durch Einschüchterung abgedrungen widerrufe, bald
a"auf wieder, daß ihm dieser Widerruf durch die Bayonette der Soldaten,
welche hartnäckig die Sache des Fürsten festhielten, abgepreßt worden. Endlich
K'ug auch er einzeln zur Partei Milvschs über. Damit war die Revolution
^ Ende, und die Skupschtina konnte sich jetzt andern Geschäften widmen.
le Verhandlungen über Reformen, die sie pflog, sind überaus bezeichnend
>ur den Geist der Versammlung und für die Culturstufe des Volkes, welches
e vertritt. Alles läuft echt bäuerisch auf eine wohlfeile Negierung hinaus.
. Wurden -- allerdings nur in Vorberathungen -- Anträge gestellt auf Ab¬
fassung der Pockenimpfung als einer kostspieligen und zugleich gottlosen Ein-
^chtung. Abschaffung der mit öffentlichen Mitteln gegründeten und erhaltenen
^ankenhäuser, Absetzung der aus der Staatskasse besoldeten Aerzte. Entfernung
°r Gehalt beziehenden Beamten von ihren Stellen und Ersetzung derselbe"
,,^es vom Volke gewählte unentgeltlich dienende Freiwillige, endlich auf Er-
imung eines geeignet großen Credits bei der Staatskasse, um jedem
upschtmar den Dank des Vaterlandes sür seine patriotischen Bemühungen
es Veschcerung eines Wcihnachtsschweinchens ausdrücken zu können.

, Wels die nächste Zukunft bringen wird? Milosch wird zurückkehren und
^ pas weniger als Pascha regieren. Aber Milosch ist ein Mann von fast
ko"/^ fahren, und "des Menschen Leben währet siebzig Jahr, wenns hoch
fol "^zig." Dann wird sein Sohn Michael ihm folgen ober auch nicht
denn noch ist sein Erbrecht von der Pforte nicht restituirt. Milosch
b/I' sich geneigt finden lassen, einen Streit mit der Pforte vom Zaun zu
>n"n ' ^chael vielleicht ebenfalls. Sie werden sich aber dann beeilen
^ 'Isen. Schon jetzt beginnen die durch den Ausgang der Revolution getäuschten
d^'en gegen die Obrenowitsch zu intriguiren. Gegen den Vater suchen sie bei
^ Türken Befürchtungen rege zu machen. Gegen den Sohn wenden sie sich an das
arventhum. Die Gemahlin des letztern ist keine Serbin, nicht griechischen
auvens und obendrein kinderlos. Er selbst ist durch den langen Aufenthalt


^ sehr, daß ich selbst ein Serbe sein und euren Glauben annehmen könnte."
^ half nichts: die Bauern wollten keinen Aufklärer, keinen Freund des
^ichtslawischeu, nichtorthodoxen) Auslandes, keinen Doctrinär. Ebenso täuschte
s'es Wutschitsch. Die Bauern wollten auch keinen andern Senator, keinen
^"dern Aristokraten. Sie wollten Milosch. und da dieser nicht zugegen war.
^' wählte man eine provisorische Regierung, um das Land bis zu seiner An-
"uft und seiner Bestätigung durch die Pforte zu verwalten.

Der Senat, das Militär blieb noch einen Tag hindurch schwierig. Letz-
^ ging truppweise über, nachdem es einmal fast zum Kampf zwischen ihm
und den Anhängern der Skupschtina gekommen wäre. Der Senat dagegen
Klärte erst, daß er mit der Absetzung Alexanders einverstanden sei, dann,
aß er diese Erklärung als durch Einschüchterung abgedrungen widerrufe, bald
a»auf wieder, daß ihm dieser Widerruf durch die Bayonette der Soldaten,
welche hartnäckig die Sache des Fürsten festhielten, abgepreßt worden. Endlich
K'ug auch er einzeln zur Partei Milvschs über. Damit war die Revolution
^ Ende, und die Skupschtina konnte sich jetzt andern Geschäften widmen.
le Verhandlungen über Reformen, die sie pflog, sind überaus bezeichnend
>ur den Geist der Versammlung und für die Culturstufe des Volkes, welches
e vertritt. Alles läuft echt bäuerisch auf eine wohlfeile Negierung hinaus.
. Wurden — allerdings nur in Vorberathungen — Anträge gestellt auf Ab¬
fassung der Pockenimpfung als einer kostspieligen und zugleich gottlosen Ein-
^chtung. Abschaffung der mit öffentlichen Mitteln gegründeten und erhaltenen
^ankenhäuser, Absetzung der aus der Staatskasse besoldeten Aerzte. Entfernung
°r Gehalt beziehenden Beamten von ihren Stellen und Ersetzung derselbe»
,,^es vom Volke gewählte unentgeltlich dienende Freiwillige, endlich auf Er-
imung eines geeignet großen Credits bei der Staatskasse, um jedem
upschtmar den Dank des Vaterlandes sür seine patriotischen Bemühungen
es Veschcerung eines Wcihnachtsschweinchens ausdrücken zu können.

, Wels die nächste Zukunft bringen wird? Milosch wird zurückkehren und
^ pas weniger als Pascha regieren. Aber Milosch ist ein Mann von fast
ko»/^ fahren, und „des Menschen Leben währet siebzig Jahr, wenns hoch
fol "^zig." Dann wird sein Sohn Michael ihm folgen ober auch nicht
denn noch ist sein Erbrecht von der Pforte nicht restituirt. Milosch
b/I' sich geneigt finden lassen, einen Streit mit der Pforte vom Zaun zu
>n"n ' ^chael vielleicht ebenfalls. Sie werden sich aber dann beeilen
^ 'Isen. Schon jetzt beginnen die durch den Ausgang der Revolution getäuschten
d^'en gegen die Obrenowitsch zu intriguiren. Gegen den Vater suchen sie bei
^ Türken Befürchtungen rege zu machen. Gegen den Sohn wenden sie sich an das
arventhum. Die Gemahlin des letztern ist keine Serbin, nicht griechischen
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[0241] ^ sehr, daß ich selbst ein Serbe sein und euren Glauben annehmen könnte." ^ half nichts: die Bauern wollten keinen Aufklärer, keinen Freund des ^ichtslawischeu, nichtorthodoxen) Auslandes, keinen Doctrinär. Ebenso täuschte s'es Wutschitsch. Die Bauern wollten auch keinen andern Senator, keinen ^"dern Aristokraten. Sie wollten Milosch. und da dieser nicht zugegen war. ^' wählte man eine provisorische Regierung, um das Land bis zu seiner An- "uft und seiner Bestätigung durch die Pforte zu verwalten. Der Senat, das Militär blieb noch einen Tag hindurch schwierig. Letz- ^ ging truppweise über, nachdem es einmal fast zum Kampf zwischen ihm und den Anhängern der Skupschtina gekommen wäre. Der Senat dagegen Klärte erst, daß er mit der Absetzung Alexanders einverstanden sei, dann, aß er diese Erklärung als durch Einschüchterung abgedrungen widerrufe, bald a»auf wieder, daß ihm dieser Widerruf durch die Bayonette der Soldaten, welche hartnäckig die Sache des Fürsten festhielten, abgepreßt worden. Endlich K'ug auch er einzeln zur Partei Milvschs über. Damit war die Revolution ^ Ende, und die Skupschtina konnte sich jetzt andern Geschäften widmen. le Verhandlungen über Reformen, die sie pflog, sind überaus bezeichnend >ur den Geist der Versammlung und für die Culturstufe des Volkes, welches e vertritt. Alles läuft echt bäuerisch auf eine wohlfeile Negierung hinaus. . Wurden — allerdings nur in Vorberathungen — Anträge gestellt auf Ab¬ fassung der Pockenimpfung als einer kostspieligen und zugleich gottlosen Ein- ^chtung. Abschaffung der mit öffentlichen Mitteln gegründeten und erhaltenen ^ankenhäuser, Absetzung der aus der Staatskasse besoldeten Aerzte. Entfernung °r Gehalt beziehenden Beamten von ihren Stellen und Ersetzung derselbe» ,,^es vom Volke gewählte unentgeltlich dienende Freiwillige, endlich auf Er- imung eines geeignet großen Credits bei der Staatskasse, um jedem upschtmar den Dank des Vaterlandes sür seine patriotischen Bemühungen es Veschcerung eines Wcihnachtsschweinchens ausdrücken zu können. , Wels die nächste Zukunft bringen wird? Milosch wird zurückkehren und ^ pas weniger als Pascha regieren. Aber Milosch ist ein Mann von fast ko»/^ fahren, und „des Menschen Leben währet siebzig Jahr, wenns hoch fol "^zig." Dann wird sein Sohn Michael ihm folgen ober auch nicht denn noch ist sein Erbrecht von der Pforte nicht restituirt. Milosch b/I' sich geneigt finden lassen, einen Streit mit der Pforte vom Zaun zu >n"n ' ^chael vielleicht ebenfalls. Sie werden sich aber dann beeilen ^ 'Isen. Schon jetzt beginnen die durch den Ausgang der Revolution getäuschten d^'en gegen die Obrenowitsch zu intriguiren. Gegen den Vater suchen sie bei ^ Türken Befürchtungen rege zu machen. Gegen den Sohn wenden sie sich an das arventhum. Die Gemahlin des letztern ist keine Serbin, nicht griechischen auvens und obendrein kinderlos. Er selbst ist durch den langen Aufenthalt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/241>, abgerufen am 24.07.2024.