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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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fühlbar machte, sollte es scheinen, daß zumal in der damaligen Zeit, wo die
schöpferische Kraft in der Kunst fast ganz erloschen war, es das Natürlichste
gewesen wäre, schon vorhandene Gebäude, die jetzt nutzlos gewordenen
heidnischen Göttertempel. zu christlichen Kirchen umzugestalten. Allein
dies ist nur in äußerst seltenen Füllen geschehen. Das bekannteste Beispiel
ist das Pantheon (im Jahr 608 zur christlichen Kirche umgestaltet, und wol
deshalb so vollständig erhalten), allein das Pantheon ist auch als antiker
Teinpelbnu eine durchaus eigenthümliche und von der Regel abweichende Er¬
scheinung. Außerdem sind mir nur der Tempel der Fortuna virilis und der
des Antonin und der Faustina bekannt, welche beide durch ihre Umwandlung
in Kirchen zugleich greulich verunstaltet sind. Denn die Kirche S. Stefano ro-
tondo und S. Teodoro, welche häufig auch für Umgestaltungen antiker TeM'
pel gehalten werden, sino ursprünglich christliche Bauten. Sonst hat man es
immer vorgezogen, selbstständige neue Anlagen zum Zweck der christliche"
Kirchen zu machen. Der Grund hiervon liegt einfach darin, daß die antiken
Tempel als christliche Kirchen unbrauchbar waren. Der alte heidnische Te>n>
pel hatte eigentlich nur den Zweck, dem im Bilde anwesenden Gegenstand
religiöser Verehrung, der Götterstatue, als Obdach und Wohnung zu dienen,
er hatte nicht den Zweck, eine Gemeinde zu gemeinsamer Andacht und Er¬
bauung in sich zu versammeln; daraus erklärt sich ganz leicht manche uns
bei der ersten Beschauung antiker Tempelbauten oft auffallende Erscheinung¬
namentlich die außerordentliche Kleinheit des innern Raumes, der sogenannte"
Cella. wo das Götterbild stand, im Verhältniß zu der dieselbe umgebende"
meistens großartigen Säulenstellung. Einen ganz andern Zweck hatte det
christliche Kirche von Anfang an. Hier war ein Gebäude erforderlich, i"
welchem sich eine im Glauben verbundene Gemeinde zu gemeinsamer Andacht
und Gottesverehrung versammeln konnte. Für diesen Zweck war in de"
Wohnungen der alten Götter kein Runen, und man mußte nach einer ander"
Bauart für die Kirchen suchen. Nun war aber andrerseits die schöpferisch^
Kraft in der Kunst zu Konstantins Zeit bereits so vollständig erloschen, dan
man nicht im Stande war, eine eigenthümliche, aus der Idee des christliche"
Gottesdienstes hervorgegangene Bauart zu erfinden. Man war deshalb
nöthigt, eine andere zu einem ganz fremdartigen Zweck bestimmte Sorte vo"
Gebäuden zum Muster beim ältesten Kirchenbau zu nehmen. Dies sind d"e
Basiliken, die im alten Rom hauptsächlich als Gerichtshallen, zum Theil ana)
als Versammlungsort der Kaufleute und als Börse dienten. Der gebrauch'
liehen Form dieser Basiliken wurden die meisten ältesten Kirchen in Rom u"d
überhaupt in Italien bis gegen die Mitte des 1?. Jahrhunderts nachgebildet-
In Rom hat sich noch eine große Anzahl von den in dieser Form gebaute"
Kirchen erhalten, freilich keine ohne mannigfache spätere Veränderung u"


fühlbar machte, sollte es scheinen, daß zumal in der damaligen Zeit, wo die
schöpferische Kraft in der Kunst fast ganz erloschen war, es das Natürlichste
gewesen wäre, schon vorhandene Gebäude, die jetzt nutzlos gewordenen
heidnischen Göttertempel. zu christlichen Kirchen umzugestalten. Allein
dies ist nur in äußerst seltenen Füllen geschehen. Das bekannteste Beispiel
ist das Pantheon (im Jahr 608 zur christlichen Kirche umgestaltet, und wol
deshalb so vollständig erhalten), allein das Pantheon ist auch als antiker
Teinpelbnu eine durchaus eigenthümliche und von der Regel abweichende Er¬
scheinung. Außerdem sind mir nur der Tempel der Fortuna virilis und der
des Antonin und der Faustina bekannt, welche beide durch ihre Umwandlung
in Kirchen zugleich greulich verunstaltet sind. Denn die Kirche S. Stefano ro-
tondo und S. Teodoro, welche häufig auch für Umgestaltungen antiker TeM'
pel gehalten werden, sino ursprünglich christliche Bauten. Sonst hat man es
immer vorgezogen, selbstständige neue Anlagen zum Zweck der christliche»
Kirchen zu machen. Der Grund hiervon liegt einfach darin, daß die antiken
Tempel als christliche Kirchen unbrauchbar waren. Der alte heidnische Te>n>
pel hatte eigentlich nur den Zweck, dem im Bilde anwesenden Gegenstand
religiöser Verehrung, der Götterstatue, als Obdach und Wohnung zu dienen,
er hatte nicht den Zweck, eine Gemeinde zu gemeinsamer Andacht und Er¬
bauung in sich zu versammeln; daraus erklärt sich ganz leicht manche uns
bei der ersten Beschauung antiker Tempelbauten oft auffallende Erscheinung¬
namentlich die außerordentliche Kleinheit des innern Raumes, der sogenannte»
Cella. wo das Götterbild stand, im Verhältniß zu der dieselbe umgebende»
meistens großartigen Säulenstellung. Einen ganz andern Zweck hatte det
christliche Kirche von Anfang an. Hier war ein Gebäude erforderlich, i»
welchem sich eine im Glauben verbundene Gemeinde zu gemeinsamer Andacht
und Gottesverehrung versammeln konnte. Für diesen Zweck war in de»
Wohnungen der alten Götter kein Runen, und man mußte nach einer ander»
Bauart für die Kirchen suchen. Nun war aber andrerseits die schöpferisch^
Kraft in der Kunst zu Konstantins Zeit bereits so vollständig erloschen, dan
man nicht im Stande war, eine eigenthümliche, aus der Idee des christliche»
Gottesdienstes hervorgegangene Bauart zu erfinden. Man war deshalb
nöthigt, eine andere zu einem ganz fremdartigen Zweck bestimmte Sorte vo»
Gebäuden zum Muster beim ältesten Kirchenbau zu nehmen. Dies sind d«e
Basiliken, die im alten Rom hauptsächlich als Gerichtshallen, zum Theil ana)
als Versammlungsort der Kaufleute und als Börse dienten. Der gebrauch'
liehen Form dieser Basiliken wurden die meisten ältesten Kirchen in Rom u»d
überhaupt in Italien bis gegen die Mitte des 1?. Jahrhunderts nachgebildet-
In Rom hat sich noch eine große Anzahl von den in dieser Form gebaute»
Kirchen erhalten, freilich keine ohne mannigfache spätere Veränderung u»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/228>, abgerufen am 24.07.2024.