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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Ende 1835 der Pforte zur Bestätigung vorlegte. Die Pforte versagte ihre
Zustimmung, da Oestreich und Nußland es widerrathen, und schickte erst 1836
eine verbesserte Auflage in Form eines Hatischerif zurück. Auch diese Ver¬
fassung war sehr freisinnig, wurde indeß von Milosch so wenig gehalten, als
jene erste von ihm gehalten worden Ware. Er regierte nach Belieben, ve.r"
nachlässigte die Pflicht, die Skupschtina zu berufen und verwandelte noch mehr
Handelszweige als früher in Monopole. Nußland, das ihm stets wohlgewollt,
ließ ihn warnen, den Bogen nicht zu straff zu spannen. Er indeß beachtete
die Warnung nicht, vielleicht weil er sich sehnte, auf dem ersparten und au¬
ßer Landes geschafften goldnen Segen seines bisherigen Regiments ein paar
Jahre auszuruhen.

In letzterem Falle wurde seinem Wunsche Erfüllung. 1839 ging vom
Senat eine Bewegung aus, die ihn zur Abdankung zwang. Wutschitsch, der
1835 das Land verlassen hatte und jetzt zurückgekehrt war. kündigte ihm kurz
und hurtig an. man wolle ihn nicht mehr. Milosch erwiderte ebenso kurz
angebunden, dann werde er gehen, übertrug die Regierung seinem ältesten
Sohne Milan und verfügte sich zu seinen Dukaten nach Wien und später
auf seine Güter in der Walachei.




Von der preußischen Grenze.

Die Abgeordneten haben nun zum größeren Theil einen Mütz in den Fr^
livrer gefunden: die liberale Partei zählt 148 Mitglieder (wir erlauben uns den
verehrten Präsidenten noch immer dazu zu rechnen, obgleich er formell an de"
Sitzungen nicht mehr Theil nimmt), das bisherige protestantische Centrum 41, d"6
neue katholische Centrum 5K, die Polen 17, die reactionäre Partei 39. Wie si^
nun diese Fraktionen zu den bestimmten staatswirthschaftlichen Fragen verhalte"
werden, bei denen es sich mehr um eine concrete Einsicht in die Sache als um eine
allgemeine politische Farbe handelt, kann man noch nicht ermessen. Die Wah^
Prüfungen haben wenigstens ein sehr erfreuliches Resultat gehabt: der Minister des
Innern hat das vielfach angefochtene Verfahren einiger unter den WahlcommissarieN,
die sich wenigstens indirect auf seine Autorität den andern Ministern gegenüber be>
riefen, entschieden gemißbilligt und Abhilfe und Untersuchung versprochen. Die^
Einigkeit innerhalb des Ministeriums, die von unsern Gegnern so häufig angczwcife
wurde, verspricht eine gedeihliche Entwickelung unseres Rechtszustandes.

Mit großer Freude haben wir auch in diesen Vorverhandlungen eine Selin^
begrüßt, die leider seit drei Jahren verstummt war. Wir haben uns von der Zw^'
Mäßigkeit des Platzwechsels, den, wie es heißt, hauptsächlich der Freiherr v. Vi""^
angeregt, nicht überzeugen können, und wir werden vielleicht noch manchmal ^


Ende 1835 der Pforte zur Bestätigung vorlegte. Die Pforte versagte ihre
Zustimmung, da Oestreich und Nußland es widerrathen, und schickte erst 1836
eine verbesserte Auflage in Form eines Hatischerif zurück. Auch diese Ver¬
fassung war sehr freisinnig, wurde indeß von Milosch so wenig gehalten, als
jene erste von ihm gehalten worden Ware. Er regierte nach Belieben, ve.r«
nachlässigte die Pflicht, die Skupschtina zu berufen und verwandelte noch mehr
Handelszweige als früher in Monopole. Nußland, das ihm stets wohlgewollt,
ließ ihn warnen, den Bogen nicht zu straff zu spannen. Er indeß beachtete
die Warnung nicht, vielleicht weil er sich sehnte, auf dem ersparten und au¬
ßer Landes geschafften goldnen Segen seines bisherigen Regiments ein paar
Jahre auszuruhen.

In letzterem Falle wurde seinem Wunsche Erfüllung. 1839 ging vom
Senat eine Bewegung aus, die ihn zur Abdankung zwang. Wutschitsch, der
1835 das Land verlassen hatte und jetzt zurückgekehrt war. kündigte ihm kurz
und hurtig an. man wolle ihn nicht mehr. Milosch erwiderte ebenso kurz
angebunden, dann werde er gehen, übertrug die Regierung seinem ältesten
Sohne Milan und verfügte sich zu seinen Dukaten nach Wien und später
auf seine Güter in der Walachei.




Von der preußischen Grenze.

Die Abgeordneten haben nun zum größeren Theil einen Mütz in den Fr^
livrer gefunden: die liberale Partei zählt 148 Mitglieder (wir erlauben uns den
verehrten Präsidenten noch immer dazu zu rechnen, obgleich er formell an de»
Sitzungen nicht mehr Theil nimmt), das bisherige protestantische Centrum 41, d«6
neue katholische Centrum 5K, die Polen 17, die reactionäre Partei 39. Wie si^
nun diese Fraktionen zu den bestimmten staatswirthschaftlichen Fragen verhalte»
werden, bei denen es sich mehr um eine concrete Einsicht in die Sache als um eine
allgemeine politische Farbe handelt, kann man noch nicht ermessen. Die Wah^
Prüfungen haben wenigstens ein sehr erfreuliches Resultat gehabt: der Minister des
Innern hat das vielfach angefochtene Verfahren einiger unter den WahlcommissarieN,
die sich wenigstens indirect auf seine Autorität den andern Ministern gegenüber be>
riefen, entschieden gemißbilligt und Abhilfe und Untersuchung versprochen. Die^
Einigkeit innerhalb des Ministeriums, die von unsern Gegnern so häufig angczwcife
wurde, verspricht eine gedeihliche Entwickelung unseres Rechtszustandes.

Mit großer Freude haben wir auch in diesen Vorverhandlungen eine Selin^
begrüßt, die leider seit drei Jahren verstummt war. Wir haben uns von der Zw^'
Mäßigkeit des Platzwechsels, den, wie es heißt, hauptsächlich der Freiherr v. Vi"»^
angeregt, nicht überzeugen können, und wir werden vielleicht noch manchmal ^


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[0206] Ende 1835 der Pforte zur Bestätigung vorlegte. Die Pforte versagte ihre Zustimmung, da Oestreich und Nußland es widerrathen, und schickte erst 1836 eine verbesserte Auflage in Form eines Hatischerif zurück. Auch diese Ver¬ fassung war sehr freisinnig, wurde indeß von Milosch so wenig gehalten, als jene erste von ihm gehalten worden Ware. Er regierte nach Belieben, ve.r« nachlässigte die Pflicht, die Skupschtina zu berufen und verwandelte noch mehr Handelszweige als früher in Monopole. Nußland, das ihm stets wohlgewollt, ließ ihn warnen, den Bogen nicht zu straff zu spannen. Er indeß beachtete die Warnung nicht, vielleicht weil er sich sehnte, auf dem ersparten und au¬ ßer Landes geschafften goldnen Segen seines bisherigen Regiments ein paar Jahre auszuruhen. In letzterem Falle wurde seinem Wunsche Erfüllung. 1839 ging vom Senat eine Bewegung aus, die ihn zur Abdankung zwang. Wutschitsch, der 1835 das Land verlassen hatte und jetzt zurückgekehrt war. kündigte ihm kurz und hurtig an. man wolle ihn nicht mehr. Milosch erwiderte ebenso kurz angebunden, dann werde er gehen, übertrug die Regierung seinem ältesten Sohne Milan und verfügte sich zu seinen Dukaten nach Wien und später auf seine Güter in der Walachei. Von der preußischen Grenze. Die Abgeordneten haben nun zum größeren Theil einen Mütz in den Fr^ livrer gefunden: die liberale Partei zählt 148 Mitglieder (wir erlauben uns den verehrten Präsidenten noch immer dazu zu rechnen, obgleich er formell an de» Sitzungen nicht mehr Theil nimmt), das bisherige protestantische Centrum 41, d«6 neue katholische Centrum 5K, die Polen 17, die reactionäre Partei 39. Wie si^ nun diese Fraktionen zu den bestimmten staatswirthschaftlichen Fragen verhalte» werden, bei denen es sich mehr um eine concrete Einsicht in die Sache als um eine allgemeine politische Farbe handelt, kann man noch nicht ermessen. Die Wah^ Prüfungen haben wenigstens ein sehr erfreuliches Resultat gehabt: der Minister des Innern hat das vielfach angefochtene Verfahren einiger unter den WahlcommissarieN, die sich wenigstens indirect auf seine Autorität den andern Ministern gegenüber be> riefen, entschieden gemißbilligt und Abhilfe und Untersuchung versprochen. Die^ Einigkeit innerhalb des Ministeriums, die von unsern Gegnern so häufig angczwcife wurde, verspricht eine gedeihliche Entwickelung unseres Rechtszustandes. Mit großer Freude haben wir auch in diesen Vorverhandlungen eine Selin^ begrüßt, die leider seit drei Jahren verstummt war. Wir haben uns von der Zw^' Mäßigkeit des Platzwechsels, den, wie es heißt, hauptsächlich der Freiherr v. Vi"»^ angeregt, nicht überzeugen können, und wir werden vielleicht noch manchmal ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/206>, abgerufen am 24.07.2024.