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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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sehen und warmen Worte Halms eindruckslos verhallt sind, aber wir möchten
glauben, daß sie in einer spätern Sitzung lebhafter gezündet haben würden.

Abgesehn von der hohen Bedeutung seines Inhaltes schlug dieser Vor¬
trag einen Ton an, der durch ein eigenthümliches Zusammentreffen in den
nachfolgenden Verhandlungen nicht wieder verlassen wurde, indem die soge¬
nannte formale Seite der Philologie, welcher das großartige Unternehmen
des lateinischen Thesaurus angehört, an den beiden letzten Versanunlungstage"
den entschiedensten Vorrang behauptete. Einzig der letzte, wegen Mangels
an Zeit nicht zu Ende geführte Vortrag, der überdies die Aufmerksamkeit der
Anwesenden nickt mehr stark fesselte, der A. W. Zumpts aus Berlin, bewegte
sich im Gebiet der Realien des Alterthums. Von den vorangehenden be¬
schäftigten sich zwei, von Schenk! aus Innsbruck und Leopold Schmidt aus
Bonn gleichfalls am letzten Versammlungstage gehalten, mit literar-geschiclst-
liehen Fragen und riefen vcrhältuißmüßig nur kurze Discussionen hervor;
dagegen wurde die ganze Disputirsucht der Mitglieder rege, als am vor¬
letzten Linker aus Wien und Lauge aus Prag Stellen alter Schriftsteller,
jener eine des Tacitus, dieser eine des Sophokles, cmendirt.en und erklärten,
Die lange Ausdehnung dieser Debatten wurde den Hörern durch die gedie¬
gene Klarheit und die classische Form eines Mannes versüßt, der tara"
einen hervorragenden Antheil nahm, Haases aus Breslau, aber imiue^
hin hat sie etwas Auffallendes, denn im Allgemeinen gibt es wol keinen
ungeeigneteren Gegenstand für große Versammlungen als kritisch exegetische
Erörterungen. Durch sie, so wie überhaupt durch das völlige Ueberwiegen de>
einen Seile der philologischen Wissenschaft wurde die Physiognomie der dies¬
maligen 'Verhandlungen bedingt. Hierbei ist nicht etwa an eine Absicht des
Präsidiums zu denken, das mit Ausnahme des dem Halmschen gegeben"'
Vorzuges sich in der Anordnung der Vorträge nach der Reihenfolge der A"'
Meldungen richtete und Discussionen da eintreten ließ, wo sie begehrt wurden,
wol aber wird man vielleicht nicht fehl gehen, wenn man die Erklärung
einem instinctiven Zug oder in einen: stillschweigenden Einverständniß des
zu thätiger Aeußerung gestimmten Theiles der Versammlung sucht, der s>^
vorherrschend aus Fremden und aus nach Oestreich Berufenen bestand. Denkst^
Alterthllmswissenschaft soll in Oestreich immer mehr heimisch gemacht, w''
eigenthümlichen Bildungen dahin verpflanzt, ihre Methode dem Unterricht
Wesen so wie der Pflege der Nationalsprachen und Nntiouallitcraturcn zu Gelo^
gelegt werden; der Förderung und Ermuthigung dieses Gedankens galt da
ganze Unternehmen. Dazu gehört aber vor allem, daß jene strenge, selbst^'
wußte Kritik und Hermeneutik der Schriftsteller, die unsere Seminare einübt
und welche die Gruudlnge aller unserer gefunden Forschungen bildet, auch in"^
halb des Kaiscrstaats als der nothwendige Ausgangspunkt theoretisch u"


sehen und warmen Worte Halms eindruckslos verhallt sind, aber wir möchten
glauben, daß sie in einer spätern Sitzung lebhafter gezündet haben würden.

Abgesehn von der hohen Bedeutung seines Inhaltes schlug dieser Vor¬
trag einen Ton an, der durch ein eigenthümliches Zusammentreffen in den
nachfolgenden Verhandlungen nicht wieder verlassen wurde, indem die soge¬
nannte formale Seite der Philologie, welcher das großartige Unternehmen
des lateinischen Thesaurus angehört, an den beiden letzten Versanunlungstage»
den entschiedensten Vorrang behauptete. Einzig der letzte, wegen Mangels
an Zeit nicht zu Ende geführte Vortrag, der überdies die Aufmerksamkeit der
Anwesenden nickt mehr stark fesselte, der A. W. Zumpts aus Berlin, bewegte
sich im Gebiet der Realien des Alterthums. Von den vorangehenden be¬
schäftigten sich zwei, von Schenk! aus Innsbruck und Leopold Schmidt aus
Bonn gleichfalls am letzten Versammlungstage gehalten, mit literar-geschiclst-
liehen Fragen und riefen vcrhältuißmüßig nur kurze Discussionen hervor;
dagegen wurde die ganze Disputirsucht der Mitglieder rege, als am vor¬
letzten Linker aus Wien und Lauge aus Prag Stellen alter Schriftsteller,
jener eine des Tacitus, dieser eine des Sophokles, cmendirt.en und erklärten,
Die lange Ausdehnung dieser Debatten wurde den Hörern durch die gedie¬
gene Klarheit und die classische Form eines Mannes versüßt, der tara»
einen hervorragenden Antheil nahm, Haases aus Breslau, aber imiue^
hin hat sie etwas Auffallendes, denn im Allgemeinen gibt es wol keinen
ungeeigneteren Gegenstand für große Versammlungen als kritisch exegetische
Erörterungen. Durch sie, so wie überhaupt durch das völlige Ueberwiegen de>
einen Seile der philologischen Wissenschaft wurde die Physiognomie der dies¬
maligen 'Verhandlungen bedingt. Hierbei ist nicht etwa an eine Absicht des
Präsidiums zu denken, das mit Ausnahme des dem Halmschen gegeben"'
Vorzuges sich in der Anordnung der Vorträge nach der Reihenfolge der A»'
Meldungen richtete und Discussionen da eintreten ließ, wo sie begehrt wurden,
wol aber wird man vielleicht nicht fehl gehen, wenn man die Erklärung
einem instinctiven Zug oder in einen: stillschweigenden Einverständniß des
zu thätiger Aeußerung gestimmten Theiles der Versammlung sucht, der s>^
vorherrschend aus Fremden und aus nach Oestreich Berufenen bestand. Denkst^
Alterthllmswissenschaft soll in Oestreich immer mehr heimisch gemacht, w''
eigenthümlichen Bildungen dahin verpflanzt, ihre Methode dem Unterricht
Wesen so wie der Pflege der Nationalsprachen und Nntiouallitcraturcn zu Gelo^
gelegt werden; der Förderung und Ermuthigung dieses Gedankens galt da
ganze Unternehmen. Dazu gehört aber vor allem, daß jene strenge, selbst^'
wußte Kritik und Hermeneutik der Schriftsteller, die unsere Seminare einübt
und welche die Gruudlnge aller unserer gefunden Forschungen bildet, auch in"^
halb des Kaiscrstaats als der nothwendige Ausgangspunkt theoretisch u"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/198>, abgerufen am 24.07.2024.