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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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gerichteten menschlichen Dasein begegnen. In dem lautesten, kaum endenden
Beifall äußerten sich die Empfindungen aller.

Aus der großen Zahl der übrigen Trinksprüche heben wir noch einen heraus,
der als charakteristisch für das, was die Versammlung bewegte, besonders leb¬
hafte Beistimmung fand: es ist der Halms aus München auf die philologischen
Seminare Oestreichs. Nachdem er an das Große erinnert hatte, das die Se¬
minare der verschiedenen deutschen Universitäten gewirkt haben, wandte ersieh
zu den kürzlich in Oestreich begründeten ähnlichen Anstalten und wünschte
ihnen frisches, blühendes Gedeihen. Auch hier waltete der Grundgedanke'-
Einbürgerung der Lebensformen der Wissenschaft, die in Deutschland sich be¬
währt haben, in dem Kaiserstaat.

Wir würden von der geselligen Seite der Versammlung nur ein unvoll¬
ständiges'Bild geben, wollten wir nicht mit einem Worte der beiden andern
Zusammenkünste im Sophienbadsale gedenken, wo man auch am Tage der
Eröffnung und am Tage des Schlusses der Verhandlungen gemeinschaftlich zu
Mittag aß. Hier, wo jeder für sein Geld war und die Mitglieder sich nur
unter sich bewegten, sielen alle Rücksichten des officiellen Festes fort; und doch,
welch ein Unterschied zwischen beiden Tagen! Während am ersten ein ziemlich
steifer Ton die sich vielfach fremde Gesellschaft auseinanderhielt -- saßen ewa)
deutsche Schulmänner und Professoren unter unbekannten Oestreichern von theil'
weise geistlichem Stande und theilweise slawischer Abstammung, -- herrscht
am letzten volle Ungezwungenheit und gemüthliche Wärme, ein deutliches
Zeichen, daß man durch die Versammlung einander näher geführt worden
war. In der Reihe der Toaste, die in raschem Wechsel aufeinander folgten-
wurde Schleswig-Holsteins nicht vergessen; ein Schulmann aus Siebenbürgen
sprach den Wunsch aus, es möge auch in seinem Lande, das standhaft >">
äußersten Osten deutsche Gesittung aufrecht halte, einmal eine Philologen'
versammlnng tagen; und allseitig trennte man sich mit Ausdrücken der Ge'
sinnungsgemeinschast und der Hoffnung auf künftiges Wiedersehen.

Was die wissenschastlichen Debatten der Versammlung betrifft, so
die dafür verfügbare Zeit, die Vormittage des ersten, dritten und vierten
geh bis gegen die vierte Stunde, zu ziemlich gleichen Theilen für die Se^
tionsarbeiten und für die allgemeinen Sitzungen bestimmt. Ueber die B^'
Handlungen der orientalischen Section wird man es uns wol erlassen, new"
zu berichten; aber auch die der pädagogischen enthielten nichts, was sie
denen anderer Jahre unterschied, da alle speciell das östreichische Gymnap"
Wesen angehende Fragen ausgeschlossen blieben, ein Umstand, der ihnen
nöthigen neutralen Charakter wahrte. Dagegen verdient das Hanptsächu^
der allgemeinen Sitzungen um so mehr eine Erwähnung, als doch auch dal
die Tendenz des ganzen Unternehmens erkennbar war. Sie wurden in de^


gerichteten menschlichen Dasein begegnen. In dem lautesten, kaum endenden
Beifall äußerten sich die Empfindungen aller.

Aus der großen Zahl der übrigen Trinksprüche heben wir noch einen heraus,
der als charakteristisch für das, was die Versammlung bewegte, besonders leb¬
hafte Beistimmung fand: es ist der Halms aus München auf die philologischen
Seminare Oestreichs. Nachdem er an das Große erinnert hatte, das die Se¬
minare der verschiedenen deutschen Universitäten gewirkt haben, wandte ersieh
zu den kürzlich in Oestreich begründeten ähnlichen Anstalten und wünschte
ihnen frisches, blühendes Gedeihen. Auch hier waltete der Grundgedanke'-
Einbürgerung der Lebensformen der Wissenschaft, die in Deutschland sich be¬
währt haben, in dem Kaiserstaat.

Wir würden von der geselligen Seite der Versammlung nur ein unvoll¬
ständiges'Bild geben, wollten wir nicht mit einem Worte der beiden andern
Zusammenkünste im Sophienbadsale gedenken, wo man auch am Tage der
Eröffnung und am Tage des Schlusses der Verhandlungen gemeinschaftlich zu
Mittag aß. Hier, wo jeder für sein Geld war und die Mitglieder sich nur
unter sich bewegten, sielen alle Rücksichten des officiellen Festes fort; und doch,
welch ein Unterschied zwischen beiden Tagen! Während am ersten ein ziemlich
steifer Ton die sich vielfach fremde Gesellschaft auseinanderhielt — saßen ewa)
deutsche Schulmänner und Professoren unter unbekannten Oestreichern von theil'
weise geistlichem Stande und theilweise slawischer Abstammung, — herrscht
am letzten volle Ungezwungenheit und gemüthliche Wärme, ein deutliches
Zeichen, daß man durch die Versammlung einander näher geführt worden
war. In der Reihe der Toaste, die in raschem Wechsel aufeinander folgten-
wurde Schleswig-Holsteins nicht vergessen; ein Schulmann aus Siebenbürgen
sprach den Wunsch aus, es möge auch in seinem Lande, das standhaft >»>
äußersten Osten deutsche Gesittung aufrecht halte, einmal eine Philologen'
versammlnng tagen; und allseitig trennte man sich mit Ausdrücken der Ge'
sinnungsgemeinschast und der Hoffnung auf künftiges Wiedersehen.

Was die wissenschastlichen Debatten der Versammlung betrifft, so
die dafür verfügbare Zeit, die Vormittage des ersten, dritten und vierten
geh bis gegen die vierte Stunde, zu ziemlich gleichen Theilen für die Se^
tionsarbeiten und für die allgemeinen Sitzungen bestimmt. Ueber die B^'
Handlungen der orientalischen Section wird man es uns wol erlassen, new"
zu berichten; aber auch die der pädagogischen enthielten nichts, was sie
denen anderer Jahre unterschied, da alle speciell das östreichische Gymnap"
Wesen angehende Fragen ausgeschlossen blieben, ein Umstand, der ihnen
nöthigen neutralen Charakter wahrte. Dagegen verdient das Hanptsächu^
der allgemeinen Sitzungen um so mehr eine Erwähnung, als doch auch dal
die Tendenz des ganzen Unternehmens erkennbar war. Sie wurden in de^


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[0196] gerichteten menschlichen Dasein begegnen. In dem lautesten, kaum endenden Beifall äußerten sich die Empfindungen aller. Aus der großen Zahl der übrigen Trinksprüche heben wir noch einen heraus, der als charakteristisch für das, was die Versammlung bewegte, besonders leb¬ hafte Beistimmung fand: es ist der Halms aus München auf die philologischen Seminare Oestreichs. Nachdem er an das Große erinnert hatte, das die Se¬ minare der verschiedenen deutschen Universitäten gewirkt haben, wandte ersieh zu den kürzlich in Oestreich begründeten ähnlichen Anstalten und wünschte ihnen frisches, blühendes Gedeihen. Auch hier waltete der Grundgedanke'- Einbürgerung der Lebensformen der Wissenschaft, die in Deutschland sich be¬ währt haben, in dem Kaiserstaat. Wir würden von der geselligen Seite der Versammlung nur ein unvoll¬ ständiges'Bild geben, wollten wir nicht mit einem Worte der beiden andern Zusammenkünste im Sophienbadsale gedenken, wo man auch am Tage der Eröffnung und am Tage des Schlusses der Verhandlungen gemeinschaftlich zu Mittag aß. Hier, wo jeder für sein Geld war und die Mitglieder sich nur unter sich bewegten, sielen alle Rücksichten des officiellen Festes fort; und doch, welch ein Unterschied zwischen beiden Tagen! Während am ersten ein ziemlich steifer Ton die sich vielfach fremde Gesellschaft auseinanderhielt — saßen ewa) deutsche Schulmänner und Professoren unter unbekannten Oestreichern von theil' weise geistlichem Stande und theilweise slawischer Abstammung, — herrscht am letzten volle Ungezwungenheit und gemüthliche Wärme, ein deutliches Zeichen, daß man durch die Versammlung einander näher geführt worden war. In der Reihe der Toaste, die in raschem Wechsel aufeinander folgten- wurde Schleswig-Holsteins nicht vergessen; ein Schulmann aus Siebenbürgen sprach den Wunsch aus, es möge auch in seinem Lande, das standhaft >»> äußersten Osten deutsche Gesittung aufrecht halte, einmal eine Philologen' versammlnng tagen; und allseitig trennte man sich mit Ausdrücken der Ge' sinnungsgemeinschast und der Hoffnung auf künftiges Wiedersehen. Was die wissenschastlichen Debatten der Versammlung betrifft, so die dafür verfügbare Zeit, die Vormittage des ersten, dritten und vierten geh bis gegen die vierte Stunde, zu ziemlich gleichen Theilen für die Se^ tionsarbeiten und für die allgemeinen Sitzungen bestimmt. Ueber die B^' Handlungen der orientalischen Section wird man es uns wol erlassen, new" zu berichten; aber auch die der pädagogischen enthielten nichts, was sie denen anderer Jahre unterschied, da alle speciell das östreichische Gymnap" Wesen angehende Fragen ausgeschlossen blieben, ein Umstand, der ihnen nöthigen neutralen Charakter wahrte. Dagegen verdient das Hanptsächu^ der allgemeinen Sitzungen um so mehr eine Erwähnung, als doch auch dal die Tendenz des ganzen Unternehmens erkennbar war. Sie wurden in de^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/196>, abgerufen am 24.07.2024.