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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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hin eine Leere fühlen, welche sie durch innern Stoff nicht auszufüllen im
Stande sind. Da der Zustand der ersten Liebe, auch der vernünftigsten, nicht
ohne Spannung ist, so kann er schon seiner Natur nach nicht dauern." --

Wenn uns vor zu viel Patschuli schlimm und weh wird, greifen wir in
der Noth zu allein was herzhaft riecht, wenn auch nicht schön, allenfalls zum
Knoblauch. Nach Elisabeths Bekenntnissen hat uns die Naturgeschichte von
B ogumil Goltz, einen erfrischenden Eindruck gemacht, der wol hauptsächlich
aus dieser Zusammenstellung herrührt. Ist auch die grobe Form zu mi߬
billigen, an Humor und Beobachtung fehlt es nicht, wie die folgende Scene
zeigen mag, die gewiß komisch ist -- komisch nach zwei Seiten!

"Der Mann kann reden was er will: das Wort ist für ein richtiges
Frauenzimmer keine geistige Macht. So lange sie leidenschaftlich bewegt ist-
scheinen ihr die Vernunftgründe, welchen das Wort dient, eine von den
Männern erfundene Schulpedantcne zu sein. Gründe gelten ihr als unaus¬
stehliche Zumuthung, als eine Veeinträchtiguug ihres Gefühls. Ihre Logik
ist der Affect, sie fühlt nur ihre Stimmung, ihr Interesse; sie bezieht Dinge
und Verhältnisse nur eben auf ihre Person Während der bündigsten Aus¬
einandersetzung ist die ZuHörerin nur mit ihrer Alteration und Opposition
beschäftigt, nicht mit dem Gegenstand. Das Wort ist ihr, sobald es absolute
Geltung haben soll, nur Schall. Sie läßt höchstens Pathos, Emphase und
Declamation an sich kommen, wie in einem Schauspiel. Die Darlegung
wirkt auf sie allenfalls rednerisch, mimisch, plastisch, selten als überzeugende
Macht. Wenn alle Beweisgründe erschöpft sind, und der Sprecher die Wu'"
kung entgegenzunehmen vermeint, um derentwillen er all seine Logik in beide
Hände genommen hat, so kommt Madame auf denselben Punkt zurück, vo"
dem sie ausgegangen war. Nun geräth der Mann außer sich: die geharnischte"
Gründe werden nochmals an zitternden Fingern, mit haben-der Lippe, "ut
blitzenden Augen, mit von Ingrimm gepreßter Stimme hergezählt; jedes
Wort wird so betont, als wenn es Geister beschwören und Gestorbene er¬
wecken soll. Die Argumente werden der Hartnäckigen in Daumschrauben an¬
gesetzt; die ganze Beweisführung wie eine Pistole auf die Brust gehalten!
die Vernunft wird ihr auf den Kopf zugesagt und gleichwol wieder abgese^
dert, wie man einem Menschen, der im Verdacht des Irrsinns steht, die Be¬
glaubigung seiner fünf gesunden Sinne abverlangt. Madame soll sich kM'j
und deutlich erklären, ob sie begriffen hat; sie soll gar nicht sagen was
thun oder lassen will, das Object des Streits und dessen Erfüllung
Nebensache bleiben: der Mann will nur die Satisfaction haben, daß er Recht
hat. daß seine Ehehälfte Menschenvernunft besitzt und respectirt. Es
nicht mehr ein materielles Interesse, Frau Gemahlin sollen factisch ihr Stiw
durchsetzen: es soll nur im Interesse der Wahrheit, der Logik, der Menschl


hin eine Leere fühlen, welche sie durch innern Stoff nicht auszufüllen im
Stande sind. Da der Zustand der ersten Liebe, auch der vernünftigsten, nicht
ohne Spannung ist, so kann er schon seiner Natur nach nicht dauern." —

Wenn uns vor zu viel Patschuli schlimm und weh wird, greifen wir in
der Noth zu allein was herzhaft riecht, wenn auch nicht schön, allenfalls zum
Knoblauch. Nach Elisabeths Bekenntnissen hat uns die Naturgeschichte von
B ogumil Goltz, einen erfrischenden Eindruck gemacht, der wol hauptsächlich
aus dieser Zusammenstellung herrührt. Ist auch die grobe Form zu mi߬
billigen, an Humor und Beobachtung fehlt es nicht, wie die folgende Scene
zeigen mag, die gewiß komisch ist — komisch nach zwei Seiten!

„Der Mann kann reden was er will: das Wort ist für ein richtiges
Frauenzimmer keine geistige Macht. So lange sie leidenschaftlich bewegt ist-
scheinen ihr die Vernunftgründe, welchen das Wort dient, eine von den
Männern erfundene Schulpedantcne zu sein. Gründe gelten ihr als unaus¬
stehliche Zumuthung, als eine Veeinträchtiguug ihres Gefühls. Ihre Logik
ist der Affect, sie fühlt nur ihre Stimmung, ihr Interesse; sie bezieht Dinge
und Verhältnisse nur eben auf ihre Person Während der bündigsten Aus¬
einandersetzung ist die ZuHörerin nur mit ihrer Alteration und Opposition
beschäftigt, nicht mit dem Gegenstand. Das Wort ist ihr, sobald es absolute
Geltung haben soll, nur Schall. Sie läßt höchstens Pathos, Emphase und
Declamation an sich kommen, wie in einem Schauspiel. Die Darlegung
wirkt auf sie allenfalls rednerisch, mimisch, plastisch, selten als überzeugende
Macht. Wenn alle Beweisgründe erschöpft sind, und der Sprecher die Wu'"
kung entgegenzunehmen vermeint, um derentwillen er all seine Logik in beide
Hände genommen hat, so kommt Madame auf denselben Punkt zurück, vo»
dem sie ausgegangen war. Nun geräth der Mann außer sich: die geharnischte»
Gründe werden nochmals an zitternden Fingern, mit haben-der Lippe, »ut
blitzenden Augen, mit von Ingrimm gepreßter Stimme hergezählt; jedes
Wort wird so betont, als wenn es Geister beschwören und Gestorbene er¬
wecken soll. Die Argumente werden der Hartnäckigen in Daumschrauben an¬
gesetzt; die ganze Beweisführung wie eine Pistole auf die Brust gehalten!
die Vernunft wird ihr auf den Kopf zugesagt und gleichwol wieder abgese^
dert, wie man einem Menschen, der im Verdacht des Irrsinns steht, die Be¬
glaubigung seiner fünf gesunden Sinne abverlangt. Madame soll sich kM'j
und deutlich erklären, ob sie begriffen hat; sie soll gar nicht sagen was
thun oder lassen will, das Object des Streits und dessen Erfüllung
Nebensache bleiben: der Mann will nur die Satisfaction haben, daß er Recht
hat. daß seine Ehehälfte Menschenvernunft besitzt und respectirt. Es
nicht mehr ein materielles Interesse, Frau Gemahlin sollen factisch ihr Stiw
durchsetzen: es soll nur im Interesse der Wahrheit, der Logik, der Menschl


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/190>, abgerufen am 24.07.2024.